Gesundheitssystem in den USA - Wenn selbst Republikaner für Obamacare kämpfen

Nach der Verabschiedung von Obamacare herrschte in den USA lange Uneinigkeit über Sinn und Unsinn des „Affordable Care Act“, wie das Gesetz offiziell heißt. Doch mittlerweile finden sich auch unter Republikanern zahlreiche Unterstützer.

US-Präsident Joe Biden spricht zum 13-jährigen Jubliäum von Obamacare im Weißen Haus / picture alliance
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Lisa Davidson ist Journalistin, freie Autorin und Podcast-Host. Sie lebt in Virginia, USA. 

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Die Gesundheitsfürsorge der Vereinigten Staaten ist seit Jahrzehnten ein heiß diskutiertes Thema. Und obwohl es an Strategien und Ansätzen nicht mangelt, läuft das System nach wie vor nicht richtig rund. Ein paar Durchbrüche gab es dennoch, wie beispielsweise die Verabschiedung des „Affordable Care Act“ (ACA). Da der damalige Präsident Barack Obama die Initiative für eine erschwingliche Gesundheitsfürsorge in die Wege leitete und 2010 unterzeichnete, ist der ACA besser als Obamacare bekannt. 

Wie der offizielle Name bereits sagt, sollte der ACA vor allem den Zugang zu erschwinglichen Leistungen ermöglichen. Der Schritt zu Obamacare war aber auch politisch ein bedeutender, der anfänglich vor allem von den Republikanern abgelehnt und harsch kritisiert wurde. Das Blatt hat sich mittlerweile allerdings gewendet: Aktuell versprechen Politiker beider Parteien, das neue System zu schützen.

Hintergrund zum US-Gesundheitssystem

Um das Ausmaß dieses Richtungswechsels zu verstehen, lohnt zunächst ein Blick auf das amerikanische Gesundheitssystem. Im Gegensatz zu vielen anderen Industrieländern haben die USA kein verstaatlichtes Gesundheitssystem, das einen universellen Versicherungsschutz bietet. Stattdessen wird die Gesundheitsversorgung hauptsächlich durch eine Kombination aus privaten Versicherungen und staatlich finanzierten Programmen wie Medicare und Medicaid gewährleistet. 

Medicaid ist die Sozialversicherung der USA, die der US-Kongress in den 1930er-Jahren verabschiedete. Neben konservativen Kritikern sagte das Wall Street Journal damals voraus, die Sozialversicherung werde für den Kongress noch ein Grund zum Schämen werden. Die Zeitung wurde eines Besseren belehrt, denn Medicaid ist so beliebt, dass es in der amerikanischen Politik oft als drittes Standbein gilt.

Als der Kongress in den 1960er-Jahren über Medicare, ein Krankenversicherungsprogramm für Haushalte mit geringem Einkommen, debattierte, stellte Ronald Reagan, damals noch Schauspieler mit aufsteigendem politischem Profil, das Programm als einen Schritt in Richtung Sozialismus dar. Als Präsident lobte und unterstützte Reagan später das Programm.

In den Fußspuren der Sozialversicherung

Doch trotz Medicare und Medicaid haben viele Amerikaner nach wie vor keinen Zugang zu einer erschwinglichen Gesundheitsversorgung, da sie aufgrund von Alter, Gesundheitsstatus oder Einkommen den Kriterien nicht entsprechen. Eine reguläre Gesundheitsversicherung kann laut Forbes durchschnittlich 928 Dollar pro Monat kosten. Die plausibelste Lösung war deshalb lange Zeit für viele Amerikaner, gar keine Versicherung abzuschließen.

Der ACA enthielt eine Reihe von wichtigen Bestimmungen, die dies ändern sollten. Teil davon war ein Mandat, das Amerikaner dazu verpflichten sollte, eine Krankenversicherung abzuschließen. Zudem beinhaltet Obamacare eine Ausweitung der Medicaid-Versorgung für einkommensschwache Einzelpersonen und Familien. So sollte der Zugang zur Gesundheitsversorgung für diejenigen verbessert werden, die sich eine Versicherung aus eigener Mitteln nicht leisten können.

Obamacare fast abgeschafft

In den ersten Jahren nach der Verabschiedung von Obamacare herrschte dennoch eine ähnliche Uneinigkeit, wie es einst bei den Vorreitern Medicaid und Medicare der Fall war. Blaue Bundesstaaten nahmen das neue Gesundheitssystem an, während viele rote die freiwillige Medicaid-Erweiterung ablehnten. Während Republikaner in Washington versuchten, das Gesetz abzuschaffen, erklärten republikanische Richter Teile der Gesundheitsreform für ungültig.
 

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Der Erfolg von Obamacare hing also an einem seidenen Faden. Das Gesetz überlebte zweimal mit nur einer Stimme Mehrheit. Während 2012 alle von den Republikanern ernannten Mitglieder des Obersten Gerichtshofs mit Ausnahme des Obersten Richters John Roberts für die Aufhebung des Gesetzes stimmten, widersetzte sich Senator John McCain in einem spätabendlichen Votum dessen Aufhebung im Jahr 2017.

Mittlerweile hat Obamacare die dauerhafte Unterstützung vieler Republikaner gewonnen. Bereits 2017 stimmten die Wähler in Idaho, Nebraska und Utah – allesamt rote Bundesstaaten – für eine Ausweitung von Medicaid. Oklahoma, Missouri und South Dakota folgten. Und die Legislative von Montana hat ebenfalls eine Ausweitung beschlossen.

Republikaner setzen sich für Obamacare ein

Ein Beispiel, wie stark sich Republikaner mittlerweile für den Schutz von Obamacare einsetzen, zeigte sich jüngst in North Carolina. Nur ein Jahrzehnt, nachdem republikanische Politiker des Bundesstaates das Gesetz als gefährlich bezeichnet und sich geweigert hatten, die Ausweitung von Medicaid zu unterstützen, kamen Republikaner und Demokraten zusammen, um eine Ausweitung zu verabschieden. Das von den Republikanern kontrollierte Abgeordnetenhaus von North Carolina stimmte schließlich mit 87 zu 24 Stimmen dafür, während der ebenfalls von den Republikanern kontrollierte Senat es mit 44 zu zwei Stimmen annahm.

Doch obwohl Obamacare die landesweit größte Ausweitung der Krankenversicherung seit Medicare und Medicaid im Jahr 1965 darstellt, ist das System immer noch nicht so weitläufig akzeptiert wie seine Vorreiter. North Carolina ist der 40. Staat, der der Ausweitung von Medicaid im Rahmen von Obamacare zustimmte, was bedeutet, dass zehn Staaten dies immer noch nicht getan haben. Und unterer diesen befinden sich mit Texas und Florida auch zwei der größten Staaten mit insgesamt mehr als 3,5 Millionen erwachsenen Bürgern, die nicht krankenversichert sind.

Die Wende ist politischen Ursprungs

Die neue republikanische Ausrichtung verdeutlicht vor allem, dass die Wende politischen Ursprungs ist. Der demokratische Gouverneur von Kentucky, Andy Beshear, hat beispielsweise 2019 die Wahl in einem republikanischen Bundesstaat knapp gewonnen, indem er versprochen hat, eine frühere Medicaid-Erweiterung zu schützen. In North Carolina wurde Roy Cooper, ebenfalls ein Demokrat, 2016 zum Gouverneur gewählt, weil er sich im Wahlkampf für eine Ausweitung eingesetzt hatte.

Diese Entwicklungen sind ein Zeichen für die wachsende Popularität des Gesetzes und setzen ein Zeichen für einen Versuch, die soziale Ungleichheit in den USA zu verringern. In einem Land mit großer wirtschaftlicher Disparität und einer hohen Anzahl an Menschen ohne Krankenversicherung hat Obamacare die Steuern für die Wohlhabenden erhöht, um die Gesundheitsversorgung für arme und Mittelklasse-Familien zu subventionieren.

Raum für Verbesserungen

Obamacare hat also zweifellos viele seiner Ziele erreicht und die Zahl der Amerikaner ohne Krankenversicherung drastisch gesenkt. Doch Probleme im Gesundheitswesen gibt es weiterhin. Neben dem oft komplizierten Anmeldeverfahren leidet die medizinische Versorgung ohne Zuschüsse in Staaten ohne Medicaid-Erweiterung besonders. Krankenhäuser in ländlichen Regionen, in der die Medicaid-Erweiterung nicht schnell genug angenommen wurde, sind besonders von den Engpässen betroffen. 

Selbstredend unterstützen auch nicht alle Republikaner den Schritt hin zu einem landesweiten Obamacare gleichermaßen. Einige rechtsgerichtete Kongressabgeordnete fordern nach wie vor Kürzungen. Doch für ein so stark polarisiertes Land wie die USA, in dem es kaum einen politischen Konsens gibt, hat Obamacare die politische Mitte schneller als erwartet auf einen gemeinsamen Nenner gebracht.

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