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() Geheimfavorit Nikolaus Breuel, Vorstandschef für die Fernverkehrssparte der DB
Wer wird neuer Bahnchef?

Die Deutsche Bahn ist kurz vor dem Börsengang. Für das einst marode Staatsunternehmen steht die Kulturrevolution ins Haus. Die Große Koalition hofft endlich auf eine Erfolgsgeschichte. Nun fragt sich das politische Berlin: Wer wird neuer Bahnchef?

Hartmut Mehdorn ist ein Mann mit vielen Talenten – und vielen Auszeichnungen. Zwei Ehrendoktortitel, Ehrensenator der Universität Heidelberg, Kommandeur der französischen Ehrenlegion. Auch als „Ex-Raucher des Jahres 2002“ ist Mehdorn hervorgetreten. Und seit Ende Mai schmückt eine weitere Trophäe seine Sammlung: Die „Verschlossene Auster“, wie die Journalistenorganisation Netzwerk Recherche ihren Kritik-Preis für den „Informationsblockierer des Jahres“ nennt. Das ist schlecht für einen Vorstandsvorsitzenden, der mit seinem Unternehmen an die Börse will. Mehdorn hat in Berlin seit 1999, als er vom Chefposten der Heidelberger Druckmaschinen AG an die Spitze des Schienenriesen wechselte, zwar das Unmögliche möglich werden lassen: die marode Staatsbahn tatsächlich börsenfähig saniert. Er hat sich dabei aber auch viele Feinde gemacht, wahrscheinlich zu viele. Vor allem mit den Verkehrsexperten des Bundestags liegt er im Dauerclinch. Die Abgeordneten Albert Schmidt (Grüne) und Horst Friedrich (FDP) kanzelte er einst als „so genannte Verkehrsexperten“ ab. Das brachte ihm eine Vorladung vor den Verkehrsausschuss. Trotzdem galt Mehdorn lange als unantastbar, hatte er doch einen mächtigen Verbündeten, seinen „Männerfreund“ Gerhard Schröder. Doch seitdem Schröder in Berlin nichts mehr zu sagen hat, sinkt Mehdorns Stern. Der vorläufige Tiefpunkt wurde erreicht, als er ohne Absprache mit dem Bund den Konzernsitz nach Hamburg verlegen und sich im Gegenzug an den hanseatischen Hafenbetrieben beteiligen wollte: Kanzlerin Angela Merkel pfiff den Bahnchef öffentlich zurück. Der nun anstehende Börsengang der Bahn wird für Mehdorn so oder so zum biografischen Finale. Sein Vertrag läuft im Mai 2008 aus, und immer offener spekuliert Berlin über seine Nachfolge. Einmal wird Angela Merkels politischer Lieblingsfeind Friedrich Merz als möglicher Kandidat gehandelt, ein andres Mal der erfolgsgewohnte Vizechef der Deutschen Lufthansa Stefan Lauer. Als Geheimfavorit gilt in den Zirkeln der Berliner Machtpolitik neuerdings aber eine bahninterne Lösung: Nikolaus Breuel. Der Sohn der ehemaligen Treuhand- und Expo-Chefin Birgit Breuel zeichnet derzeit als Vorstandschef für die Fernverkehrssparte der Bahn verantwortlich. Der diskrete Spitzenmanager war in allen Wirren um Mehdorn leise und loyal; dabei hält er blendende Kontakte zu Angela Merkel und wird zugleich von der SPD und den mächtigen Bahngewerkschaften geschätzt. Der promovierte Jurist (Dissertationsthema: „Strompreise für Sonderabnehmer im Gefüge der Verfassung“) hatte seine Karriere beim Kölner Verlag M. DuMont Schauberg begonnen, später wechselte er zur Unternehmensberatung Roland Berger. Seit 1993 arbeitet Breuel bereits für die Bahn, leitete die Stabsabteilung Konzernentwicklung und erarbeitete dort den Masterplan zur Grundsanierung des Staatskonzerns. Nun fällt ihm eine Schlüsselrolle beim geplanten Börsengang der Bahn zu. Denn an Breuels Fernverkehrssparte entscheidet sich die Glaubwürdigkeit der Turnaround-Geschichte für potenzielle Investoren. Die ICE-Glitzerzüge prägen nicht nur das Image der Bahn, auch die Bilanzentwicklung hängt zusehends von ihnen ab. Denn in der Vergangenheit wurde im Fernverkehr – entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil – viel Geld verloren. Allein im katastrophalen Jahr 2003 summierten sich die ICE-Verluste auf enorme 461 Millionen Euro. Breuel trat nach dem Ticketpreisdesaster als Sanierer auf dem schwierigsten Posten der Bahn an und räumte mit der Präzision eines Schweißroboters Problem für Problem beiseite. Mit erstaunlichem Erfolg. Inzwischen schreibt der Fernverkehr deutlich schwarze Zahlen. Ein Blick in die internen Planungen der Bahn zeigt, dass 2007 die Sparte 120 Millionen Euro Gewinn einfahren wird, ein Jahr später sollen es bereits 280 Millionen Euro werden. Allein in den ersten fünf Monaten 2006 haben rund 1,1 Millionen Fahrgäste mehr die ICs und ICEs der Bahn benutzt als ein Jahr zuvor. Die Zahl der Bahn-Card-Kunden ist zudem im Mai auf 3,4 Millionen gestiegen, ein Plus von 300000 im Vergleich zum Stand des Vorjahresmonats. Um weitere Fahrgäste im Fernverkehr zu gewinnen, investiert der Konzern bis 2008 nun mehr als eine halbe Milliarde Euro in die Neuanschaffung und Modernisierung der Breuel’schen ICE-Flotte. Breuel schaffte es mit spektakulären Ticketverkäufen bei Discount-Ketten wie Lidl und in McDonald’s-Schnellrestaurants, die Bahn ins Gespräch zu bringen. Kaufen sollen vor allem die, die bisher noch nicht ICE gefahren sind, immerhin 50 Prozent der Bevölkerung. „Wir müssen neue Wege finden, auf den Kunden zuzugehen“, sagt Breuel nüchtern und knapp – und gibt dabei mit seiner zurückhaltenden Art des norddeutschen Understatements ein unfreiwilliges Gegenbild zu Mehdorn ab. Mit seinem Sanierungserfolg ist der ICE-Chef plötzlich zur Verkörperung der Börsengangsgeschichte geworden. „Die Mutter hat die marode DDR-Wirtschaft in die Marktwirtschaft überführt, der Sohn könnte die marode Staatsbahn in die Börsenwelt führen“, raunt man in Koalitionskreisen mit einer gewissen Sympathie für das dynastische Element der Personalie. Der Name Breuel könnte in Berlin jedenfalls bald wieder eine große Rolle spielen.

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