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(picture alliance) Dass die Kurse an der Börse so schwanken, beunruhigt Anleger und Broker.

Aktienmarkt - Warum schwanken die Börsenkurse so stark?

Die Frage des Tages: Morgens stürzen die Kurse ab, abends klettern sie wieder. Seit einigen Tagen herrscht an den Börsen ein extremes Auf und Ab. Gerade private Kleinanleger zocken gerne.

Die Kursstürze der vergangenen Tage haben die französische Börsenaufsicht AMF alarmiert: Sie hat am Donnerstag vor der Verbreitung von Gerüchten gewarnt und Strafen angedroht. „Die AMF hält fest, dass der geregelte Ablauf an den Märkten von der Weitergabe von unbegründeten Gerüchten über in Paris gelistete Finanzaktien betroffen wird“, hieß es in einer Erklärung. Zuvor hatten Spekulationen über finanzielle Schwierigkeiten und eine Verstaatlichung der zweitgrößten französischen Bank Société Générale zu zweistelligen Kurseinbrüchen bei mehreren Banken geführt. Auch am Donnerstag schwankten die Aktien der Banken Société Générale und BNP Paribas stark.

Der Dax hingegen erholte sich kräftig. Zuvor war er binnen zwölf Tagen um mehr als 20 Prozent gefallen. Wurde von Spekulanten gezielt auf den Untergang gewettet? 

Welche Rolle spielen die Spekulanten?

„Ich kann mir gut vorstellen, dass der ein oder andere hier gezielt Gerüchte in den Markt streut, um an fallenden Kursen zu verdienen“, sagt Robert Halver, Kapitalmarktexperte bei der Baader Bank. Hedgefonds etwa verdienen daran, wenn die Kurse stark schwanken – egal ob nach oben oder nach unten. Besonders viel können sie verdienen, wenn die Märkte so nervös sind wie derzeit. „Im Moment blenden die Märkte die Fundamentaldaten einfach aus“, sagt Halver. Die Weltwirtschaft laufe prächtig, die deutschen Unternehmen verdienen gutes Geld – und trotzdem werden die Aktien abgestoßen und wird das Geld in vermeintlich sicherere Werte wie Gold gesteckt. Der Goldpreis stieg am Donnerstag erstmals über die Marke von 1800 US-Dollar. Damit ist er seit Anfang des vergangenen Jahres bereits um mehr als 25 Prozent gestiegen. Die Unsicherheit wiederum haben laut Halver die Politiker verschuldet – weil sie zu lange brauchten, um eine Lösung für die europäische Schuldenkrise zu finden, oder, im Fall der USA, sich auf ein Sparpaket zu einigen. „Die USA, früher das Maß aller Dinge, sind angeschossen – das verunsichert die Händler so sehr, da reichen Gerüchte, um Märkte zu bewegen, sagt Halver.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wer die Spekulanten sind.

Wer sind die Spekulanten? 

Wer von Spekulation spricht, meint häufig mächtige Hedgefonds und skrupellose Großzocker. Doch die Statistik zeigt, dass gerade in Deutschland private Kleinanleger zu den aktivsten Spekulanten zählen. Mit ein paar hundert oder tausend Euros setzen sie vor allem auf Zertifikate. „Nirgendwo kommen so viele neue Produkte auf den Markt wie in Deutschland“, sagt Heiko Weyand, Zertifikatespezialist beim Bankhaus HSBC Trinkaus. „Die Deutschen sind die größten Zertifikate-Zocker.“ Versorgt werden sie von den Banken, die ständig neue Papiere erfinden und verkaufen. Allein am vergangenen Freitag, als die Nervosität am Finanzmarkt einen ersten Höhepunkt erreichte, waren es laut Börseninformationsdienst Ariva.de 14 000 neue Anlagezertifikate und Hebelprodukte. Ein Rekord. Der deutsche Markt für Finanztermingeschäfte hatte zuletzt laut Zahlen des Deutschen Derivate Verbandes ein Volumen von 110 Milliarden Euro. Und er wird immer größer. „Zwei Drittel des Anlagekapitals steckt in Garantiezertifikaten“, sagt Weyand. Diese würden weniger von Privatbanken, sondern überwiegend von Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken vertrieben.

Gemessen an den Börsenumsätzen machen Hebelzertifikate den größten Anteil aus. Schnell rein, schnell raus – bei vollem Risiko. Mit Optionsscheinen oder „Knock-Out-Zertifikaten“ spekulieren Anleger auf künftige Kursentwicklungen und vervielfachen ihren Einsatz, auch wenn die Kurse nur moderat steigen (oder fallen). Das Risiko ist enorm, denn bei Erreichen bestimmter Kursschwellen werden die Papiere wertlos. Werden entsprechende Verkaufsmarken gesetzt (stopp loss) beschleunigen sich Abwärtstrends. Wirklich bewegt werden die Märkte aber nicht von den vielen kleinen, sondern von den wichtigen großen Anlegern. Das sind vor allem institutionelle Investoren wie Banken, Versicherungen und Investmentfonds, die große Mengen von Aktien und Anleihen kaufen und verkaufen. Viele Fonds haben in ihrer Anlagestrategie eine Grenze eingezogen – sinkt ein Kurs unter eine bestimmte Marke, müssen sie den betreffenden Wert verkaufen, um das Geld ihrer Kunden – der Sparer – zu schützen.

Welche Rolle spielen die Computer? 

An der Börse handeln neben Menschen auch Computer. Deren automatische Handelsprogramme – bezeichnenderweise auch Black Boxes genannt – wickeln Geschäfte in einem Tempo und Volumen ab, das die menschliche Vorstellungskraft übersteigt. Inzwischen soll der Anteil dieser elektronischen Spekulanten an den Börsenumsätzen schon bei bis zu 50 Prozent liegen.

Die Algorithmen dieser Trading-Programme handeln binnen Millisekunden. „Von diesen Programmen werden häufig jene Abwärtskaskaden in Gang gesetzt, wie wir sie gerade an der Börse beobachten“, sagt Heiko Weyand vom Bankhaus HSBC Trinkaus. „Verglichen damit drehen Privatanleger ein kleines Rad.“ Bei den „Algo-Tradern“ geht es bei einzelnen Aufträgen nur um kleine Cent-Beträge. Werden diese aber in großer Zahl und rasend schnell platziert, kommen schnell große Summen zustande. Bei „Blitzaufträgen“, bei denen Computer für Millisekunden vor anderen Marktteilnehmern informiert werden und die Möglichkeit bekommen, an minimalen Preisaufschläge zu verdienen, kann das in der Summe auch zum Crash eines gesamten Marktes führen. So geschehen am 6. Mai 2010, als in New York der Dow-Jones-Index bei einem „Flash-Crash“ in acht Minuten um mehr als 1000 Punkte abstürzte. Seitdem wird bei Kurseinbrüchen einzelner Aktien von über zehn Prozent auf Veranlassung der US-Börsenaufsicht der Handel unterbrochen.

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