Parteitagssponsoren - Die Grünen und die Hühnchen

Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft war der größte Sponsor des jüngsten Grünen-Parteitags. Was steckt dahinter? Und welche Rolle spielt Annalena Baerbock, die erst gegen Industriehühner in Brandenburg kämpfte und dann mit tiefgekühltem Hähnchenfleisch die Stromversorgung retten wollte?

Hähnchenmast in Deutschland / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Auch wenn es die Grünen mit ihren Transparenz-Versprechen nicht immer ganz ernst meinen, was die Fremdfinanzierung ihrer Parteitage angeht, üben sie sich in vorbildhafter Offenheit. Auf der Internetseite www.gruene.de/service/einnahmen-aus-sponsoring lässt sich detailliert nachvollziehen, welche Sponsoren welche Summen an die Ökopartei gezahlt haben.

Und dabei fällt auf: Der größte Spender des jüngsten Bundesparteitags war der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft. Er ließ 14.625 Euro springen, während andere Parteitagssponsoren wie der Arbeitgeberverband Gesamtmetall mit 3.900 Euro oder Bund deutscher Baumschulen mit 4.000 Euro deutlich knausriger waren.

Was führen die Grünen mit der Geflügelwirtschaft im Schilde?

Tiefkühlhühnchen sollen Stromnetz stabilisieren

Geht es um Annalena Baerbocks während des Bundestagswahlkampfs geäußerte Idee, mittels Tiefkühlhühnchen das Stromnetz zu stabilisieren? In einer Fernsehtalkshow entwickelte die heutige Außenministerin ein visionäres Konzept, welchen Beitrag die heimische Geflügelwirtschaft zur Lösung des Problems wetterabhängiger Stromerzeugung leisten könnte. „Wenn eine Kühlung bei einem riesengroßen Produzenten von minus 22 Grad in Zukunft dann auf minus 20 Grad runterkühlt, dann ist das Hühnchen immer noch kalt, aber wir können an der Grundlast das Netz so stabilisieren, dass sich im Netz die unterschiedlichen Akteure ausgleichen“, erklärte sie damals.

Wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint, kühlen wir einfach das Hähnchenfleich etwas weniger, um genug Strom zu haben? Das klang ähnlich genial wie die neulich von einer ARD-Korrespondentin in Afrika entdeckte Jahrhundertinnovation des stromerzeugenden Fernsehers. Schade, dass die Grünen nach der Wahl nicht ihrer Kanzlerkandidatin das Energieressort überlassen haben. Jetzt stümpert dort Robert Habeck herum, dem es trotz einiger Trickserei nicht einmal gelungen ist, die für die Grünen sehr unangenehme Atomkraft-Debatte abzuwürgen.

Ein perfider Plan

Annalena Baerbock wäre das sicher ganz anders angegangen. Als Wirtschaftsministerin hätte sie sich auf die Unterstützung der deutschen Geflügelwirtschaft zur Bewältigung der Energiekrise verlassen können und uns mit deren Tiefkühllager als Einsatzreserve durch den kommenden Winter gebracht. Bevor auch nur ein Atomkraftwerk länger als 2011 beschlossen am Netz bleibt, lassen wir lieber alle Hühnchen auftauen und ernähren uns danach vegan.

Moment mal. War das womöglich der eigentliche, perfide Plan hinter Baerbocks Idee mit den Grundlasthühnchen? Wollte sie deren Energie nutzen, aber danach Schluss machen mit der Massentierhaltung? Die neue Liebe der Geflügelwirtschaft zu den Grünen muss nämlich nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit beruhen.

Hähnchenmast in Brandenburg

Gerade bei Ex-Parteichefin Baerbock lohnt es sich, genauer hinsehen. Denn noch im Jahr 2014, damals war sie ziemlich frisch in den Bundestag eingezogen, trat sie in Brandenburg als entschiedene Gegnerin der deutschen Hühnchenindustrie auf. Die Bürgerinitiative „Wittstock contra Industriehuhn“ hat einen Zeitungsartikel über ein Treffen mit der jungen Abgeordneten noch stolz auf ihrer Internetseite veröffentlicht:

 

www.industriehuhn.de

Die Massentierhaltung verursache enorme Umweltprobleme, erklärte Baerbock dem Bericht zufolge bei diesem Treffen. „Sie schadet der Gesundheit von Mensch und Tier und führt darüber hinaus zu großen Klimaschäden.“ Und sie ersann ein trickreiches Vorgehen, mit dem sie nicht nur der von der Bürgerinitiative bekämpften Hähnchenmastanlage in Brandenburg, sondern allen Industriehühnern im Land den Garaus machen wollte.

Bewährte Strategie

Gemeinsam mit anderen Parteien müsse Druck aufgebaut werden, soll Baerbock gesagt haben, um landesweit Filteranlagen für industrielle Tiermastanlagen zu fordern. Womöglich könne auf diese Weise „durch die Hintertür“ die Wirtschaftlichkeit solcher Mastanlagen infrage gestellt werden.

Das ist eine bewährte Strategie der Grünen. Wenn man etwas schon nicht verbieten kann, dann lassen sich wenigstens die bürokratischen Umweltauflagen so weit treiben, dass irgendwann von alleine Schluss ist. Zuletzt wurde das etwa mit dem Verbrennungsmotor versucht. Willkürlich festgelegte Schadstoff-Grenzwerte führten zu Diesel-Fahrverboten in deutschen Städten. Doch leider wurde die Luft zu schnell wieder besser, so dass nun doch ein Verbrennerverbot hermusste.

Geht es ums Chlorhühnchen?

Ob der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft die Gefahr erkannte und nun hofft, ihr als größter Grünen-Parteitagsspender vorzubeugen? Ein Industriehähnchenverbot, ob „durch die Hintertür“ oder direkt durchgesetzt, wäre schlimm für die Branche.

Es gibt aber noch ein anderes Thema, bei dem die Grünen und die Geflügelwirtschaft vielleicht sogar gemeinsame Interessen verfolgen: das amerikanische Chlorhühnchen.

Wir erinnern uns: Als Globalisierungsgegner von Attac bis Greenpeace und mit parlamentarischer Rückendeckung durch Baerbocks Partei erfolgreich gegen TTIP, das Freihandelsabkommen mit den USA, kämpften, war das mittels Chlorbad von Salmonellen befreite Geflügelfleisch eine der ganz großen Gefahren, vor der uns die Anti-TTIP-Front bewahrte.

Neues Freihandelsabkommen

Jetzt, während Deutschland nach dem Russlandschock und aus Angst vor einem Wirtschaftskrieg mit China am liebsten nur noch mit lupenreinen Demokratien Handel betreiben würde, ist das Thema Freihandel plötzlich wieder ganz oben auf der Tagesordnung.

Im Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft, aber das ist wirklich nur eine Vermutung, geht womöglich die Angst um, dass die mitregierenden Grünen im Eifer der Gefechts schwach werden und mit Joe Biden ein Chlorhühnchenabkommen abschließen. So wie sie bereits bei den Kohlekraftwerken sehr schnell eine Zeitwende vollzogen haben.

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