Erbschaftssteuer - Die Kuh, die man melkt

Die SPD und Sahra Wagenknecht sind sich einig: Die „Reichen“ sollen stärker besteuert werden, unter anderem durch höhere Erbschaftssteuern. Doch die träfen vor allem die Mitte der Gesellschaft und damit auch Familienunternehmen.

Familienunternehmen - hier der Kunstoffverarbeiter India Dreusicke - werden heute schon exorbitant besteuert / dpa
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Rainer Kirchdörfer ist Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik.

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Das Rennen ist eröffnet. Zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl gibt die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht mit ihrem Versuch einer Parteineugründung den Ton vor: Sie fordert unter anderem höhere Erbschaftssteuern auf Großvermögen. Und sie ist nicht allein. Im Dezember wird sich die SPD auf ihrem Parteitag ebenfalls für höhere Steuern für Vermögende aussprechen. Die SPD-Jugendorganisation Jusos ist bereits mit der Forderung nach 60.000 Euro Grunderbe für jeden Jugendlichen vorgeprescht. Die vielen Versprechen rufen nach einem Finanzierungsvorschlag. Der sieht dann meistens so aus: Die Mehrheit der Bürger soll als Wahlvolk nicht verschreckt und von Mehrbelastungen verschont werden. Dafür werden die „Reichen“ stärker zur Kasse gebeten. So weit, so erwartbar. Dass die „oberen“ zehn Prozent der Einkommensbezieher schon heute 57 Prozent des gesamten Einkommensteueraufkommens und 96 Prozent der gesamten „Soli“-Einnahmen zahlen – geschenkt.     

Wir müssen wegkommen von diesem Zerrbild „Geld ist bei den Reichen genügend verfügbar“. In Deutschland sind große Teile des Volksvermögens in Betrieben – also Anlagen oder Patenten – angelegt. Deshalb würden höhere Vermögen- und Erbschaftssteuern in erster Linie die Familienunternehmer und die Familienunternehmen treffen, schließlich sind 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland Familienunternehmen. Höhere Erbschaftssteuern träfen somit eine breite Unternehmenslandschaft ins Mark. Anders als in vielen Industrieländern gibt es bei uns noch eine vielfältige Unternehmenslandschaft: mit Selbstständigen, dem Handwerk, großen, international tätigen Familienunternehmen und Konzernen. Für sie alle gilt: Deutschland gehört mit seiner Unternehmensbesteuerung zu den Ländern mit der höchsten Belastung. Unser Land liegt laut Länderindex Familienunternehmen im Standortranking bei den Steuern auf Platz 20 von 21 Industrieländern. Wir haben die höchsten Steuern, die höchsten Energiepreise und ersticken in Bürokratie. Warum führen wir in unserem Land dann ständig Steuererhöhungsdebatten?  

Die frühere Bundesregierung hat die Flat Tax aus guten Gründen verworfen

Beim Thema Erbschaftssteuer wird oft ein einheitlicher Steuersatz– neudeutsch: Flat Tax – ins Feld geführt. Nach dem Motto: (Fast) jeder soll einen – im Vergleich zum heutigen Spitzensteuersatz – geringen Satz zahlen, das tue keinem weh. Richtig ist: Das jetzige Erbschaftssteuerrecht ist kompliziert. Deshalb kann – so belegt eine Umfrage der Stiftung Familienunternehmen – ein Viertel der Familienunternehmer einem Steuersatz von zehn Prozent bei der Erbschaftssteuer durchaus etwas abgewinnen. Doch knapp die Hälfte der Unternehmen sieht das kritisch. Aus gutem Grund: Denn Deutschland zeigt, dass es nicht lange bei einem Niedrigsteuersatz bleibt. Ablesen lässt sich das zum Beispiel an der Grunderwerbssteuer, die meist nur eine Richtung kennt: die Anpassung nach oben. Auch bei der Grundsteuer zeichnet sich das ab.     

Die frühere Bundesregierung hat die Flat Tax 2016 geprüft – und wieder verworfen, aus nachvollziehbarem Grund. Bis heute gibt es kein Industrieland, das dieses Modell eingeführt hat, und zwar aus guten Gründen. Es würde bedeuten, dass die Finanzämter für die Erbschaftssteuer sehr viel mehr Vermögensgegenstände taxieren müssten als heute. Das allgemeine Prinzip lautet schließlich: wenig Ausnahmen, dafür moderater Steuersatz. Die Flat Tax stößt auch in einigen Parteien selbst auf Widerstand, denn sie halten einen Satz von zehn Prozent für viel zu niedrig.     

Für Familienunternehmen ist entscheidend, dass Ungleiches nicht gleichbehandelt werden darf. Betriebs- und Privatvermögen sind grundverschieden. Deshalb sollten sie steuerlich unterschiedlich behandelt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat immer anerkannt, dass der Gesetzgeber Spielraum hat, um bei der Erbschaftssteuer volkswirtschaftlich nachteilige Folgen abzuwenden. Deshalb gibt es ja gerade Verschonungsregeln für Betriebsvermögen. Sie sollen verhindern, dass bei Erbfällen und Schenkungen Investitionsfähigkeit, Arbeitsplätze und intergenerativer Fortbestand von Unternehmen gefährdet werden. Diese Verschonungsregeln sind mit vielen Auflagen verbunden, so zum Beispiel damit, dass der Betrieb für mehrere Jahre in der Hand der bisherigen Familie fortgeführt und die Zahl der Mitarbeiter gehalten werden muss. Es dürfen auch keine zu hohen Entnahmen aus dem Betrieb stattfinden.     

In vielen Ländern gibt es überhaupt keine Erbschaftssteuer

In Deutschland wird oft behauptet, die Erbschaftssteuer sei ein notwendiges Korrektiv zur Beseitigung von Ungleichheit. Wenig bekannt ist, dass gerade als „sozial“ geltende Länder wie Österreich, Schweden und Portugal diese Steuer ganz abgeschafft haben. Warum ist dann bei uns die Entrüstung so groß und nicht in diesen Ländern, die ganz darauf verzichten? Bei uns erwecken viele Kritiker den Anschein, als wären die Verschonungsregeln für Betriebsvermögen in Deutschland ein Unikum. Auch das ist nicht der Fall. Es ist eine Legende, dass Deutschland die Nachkommen bei der Erbschaftssteuer besonders günstig stellt. In vielen Ländern gibt es überhaupt keine Erbschaftssteuer, in einigen Ländern werden betriebliche Vermögen bei der Übertragung an nahe Angehörige vollständig von der Steuer befreit: Dänemark, Frankreich, Irland, Polen, das Vereinigte Königreich, Ungarn, der Schweizer Kanton Zürich und die USA erheben bei betrieblichen Vermögen von Ehegatten keinerlei Erbschaftssteuer. Deutschland ist beim Vererben von Betriebsvermögen somit alles andere als eine Steueroase.   

Daran würde auch eine Stundung der Erbschaftssteuer nichts ändern. Immer wieder wird beschwichtigend ins Feld geführt, die Erbschaftssteuer könnte zur Entlastung doch gestundet werden – als wären die Unternehmen damit von ihrer Last befreit. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Investitionsfähigkeit und Bonität der in der aktuellen Lage ohnehin schon belasteten Unternehmen würden trotzdem leiden, denn die Erbschaftssteuerlast drückt über Jahre hinweg auf die Bilanz des Unternehmens. 

Substanzsteuern wie die Erbschaftssteuer bedeuten für Familienunternehmen besondere Belastungen, weil sie unabhängig von der jeweiligen Ertragslage anfallen. Die Debatte darf nicht losgelöst von der steuerlichen Gesamtsituation geführt werden. Familienunternehmen sind eng mit dem Standort Deutschland verbunden und tragen mit ihrem Steueraufkommen erheblich zum Gemeinwohl bei. Ein Beispiel: Das Hochtechnologieunternehmen Trumpf in Ditzingen bei Stuttgart beschäftigte 1950 noch 145 Mitarbeiter. Heute sind es mehr als 18.000 Beschäftigte. Möglich ist das geworden, weil das Unternehmen seine Gewinne vor allem in neue Technologien und neues Wachstum investiert hat. Davon profitieren Staat und Gesellschaft gleichermaßen. Dieses Erfolgsmodell nähme bei höheren Erbschaftssteuern dauerhaft Schaden. Deshalb sollte auch die Politik Interesse daran haben, die Grundlagen unseres Wohlstands zu erhalten. Die Kuh, die gemolken wird, darf nicht geschlachtet werden.  

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