Energie-Entlastungspaket der Bundesregierung - „Wir brauchen dauerhaft steuerliche Entlastungen auf Energieträger“

Das neue Entlastungspaket der Bundesregierung sei „Symbolpolitik“, kritisiert der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, Was die Ampel jetzt vorlege sei nur eine „Notbremse“, es brauchte andere Antworten auf zu hohe Energiepreise. Auch die hohe Neuverschuldung sei „der falsche Weg“, so Holznagel zum Abschluss der Haushaltsberatungen am Freitag.

Bessere Zeiten: Im Januar stand die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler noch bei 2.289.505.547.258 Euro Staatsverschuldung / dpa
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Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Reiner Holznagel ist seit 2012 Präsident des Bundes der Steuerzahler. Zuvor war er war er Chefredakteur der Zeitschrift „Der Steuerzahler“.

Herr Holznagel, mit dem gestern vorgestellten Energie-Entlastungspaket will die neue Bundesregierung jedem Bürger 300 Euro geben, die dann wieder versteuert werden müssen. Wieso begrüßen Sie die heute angekündigten Maßnahmen? 

Ich begrüße die Maßnahmen nicht in Gänze, aber ich meine, dass diese Maßnahmen immerhin Wirkung zeigen werden. Aber das reicht gewiss nicht. Mittel- bis langfristig brauchen wir deshalb andere Antworten auf diese hohen Energiepreise und die entsprechenden Belastungen – wir brauchen dauerhaft steuerliche Entlastungen auf Energieträger. Da spielt etwa die Mehrwertsteuer auf Strom eine große Rolle, aber auch die Mineralölsteuer bei Benzin und Diesel. Und wir schlagen konkret eine Entlastung der Berufspendler vor. 

Was mir noch wichtig ist: Mit Blick auf die Versteuerung der 300 Euro-Pauschale gibt es noch offene Fragen. Der Koalitionsbeschluss hat hier nicht eindeutig formuliert und lässt Raum für Spekulationen – deshalb sollten die Aussagen nachjustiert werden. Anscheinend soll die Pauschale je nach Höhe der Einkommen unterschiedlich ausfallen. Eine wirkliche Entlastung wäre es gewesen, wenn die sogenannte Energie-Preispauschale steuerfrei geblieben wäre. Auch Rentner und Selbstständige erhalten keinen wirklichen Zuschuss.  

Wenn jetzt aber für drei Monate die Energiesteuer gesenkt wird, verpufft das nicht? 

In der Tat sind die jetzt vorliegenden Maßnahmen ein Stück weit Symbolpolitik. Noch etwas: Wir reden ja gar nicht über Entlastungen, sondern über Kompensationen. Unterm Strich werden auch weiterhin sehr viele Steuern auf Energieträger erhoben. Deshalb sind diese Maßnahmen, die jetzt beschlossen werden sollen, nur eine Art Notbremse, damit die Preise nicht noch weiter steigen. 

In den Beschlüssen steht auch, dass ein Mechanismus geschaffen werden soll, mit dem künftig über die Steueridentifikationsnummer Geld ausgezahlt werden kann. Begrüßen Sie denn eine Schaffung eines solchen Instruments?

Nein, das ist der falsche Weg. Die Steuern müssen runter, es braucht keine Rückzahlungsmechanismen. Mich hat bei dieser Debatte schon immer gewundert, dass die Grünen mit ihrer Forderung eines „Energiegeldes“ für jeden Bürger so einfach durchkommen. Wir haben keine Institution in Deutschland, die von allen Bürgern Adressen und Bankverbindungen kennt. Insofern war diese Debatte für mich mehr oder weniger surreal. Das haben die Ampel-Koalitionäre offenbar erkannt – nun wollen sie das ändern, was lange dauern wird. Dementsprechend bin ich nach wie vor nicht der Meinung, dass man über diesen Weg die Bürger steuerlich entlasten kann. 

Was halten Sie denn von der Idee, für drei Monate eine Monatskarte für neun Euro für den öffentlichen Personennahverkehr einzuführen? Lässt sich das denn aus Ihrer Sicht so umsetzen? 

Diese Maßnahme finde ich insgesamt etwas zynisch. Hier wird suggeriert, dass sich die Menschen in großen Teilen aussuchen können, morgens das Auto stehen zu lassen und auf den Bus umzusteigen – das ist aber nicht die Realität! Das mag in Großstädten vereinzelt funktionieren, wenn es die Menschen dort nicht ohnehin schon tun. Fakt ist aber, dass der ÖPNV in den ländlichen Räumen nicht so ausgebaut ist, dass er eine wirkliche Alternative zum Pkw darstellt. Wenn jetzt dieses günstige Ticket angeboten werden soll, ist das mit Sicherheit ein Kompromiss, damit alle Ampel-Koalitionäre zufriedengestellt werden. Doch es hilft nicht wirklich, um die Menschen an dieser Stelle zu entlasten. 

 

 

In den laufenden Haushaltsberatungen schlägt die Ampelkoalition neue Schulden in ungekannter Höhe vor. Ist das der richtige Weg aus der Krise? 

Wichtig ist, die beiden Vorjahre nicht zu vergessen: Bereits 2020 und 2021 hat sich allein der Bund mit Rekordgeschwindigkeit um mehr als 400 Milliarden Euro verschuldet. Diese hohe Neuverschuldung ist der falsche Weg, ganz klar. Bezogen auf das laufende Jahr wissen wir noch gar nicht, wie viele Schulden hinzukommen werden. Wir sprechen schon jetzt von 200 Milliarden Euro. Im Mai soll dann ein Ergänzungshaushalt zur Finanzierung der Folgen des Ukraine-Kriegs debattiert werden. 

Mit welcher Höhe rechnen Sie bei diesem so genannten Ergänzungshaushalt? 

Es wird von 50 Milliarden gesprochen. Die Ministerien rechnen derzeit fleißig. Ob diese Summe letztlich reicht, wissen wir noch nicht. 

Wäre eine Deckelung der Neuverschuldung richtig? 

Eine Deckelung wäre gut gewesen. Wie schwierig der Umgang mit Schulden derzeit ist, zeigt sich beim Sondervermögen für die Bundeswehr, hier hat Olaf Scholz einfach eine Zahl aus der Luft gegriffen. Bis heute kann niemand in der Regierung wirklich beziffern, wie hoch der Bedarf ist, um die Bundeswehr zu ertüchtigen, sodass sie ihre Aufgaben erfüllen kann. Dementsprechend sind die 100 Milliarden Euro ziemlich willkürlich benannt. 

Sehen Sie eigentlich auch die Notwendigkeit, auch in solcher Krisenzeit, über Sparmaßnahmen und Gegenfinanzierung nachzudenken? 

Reiner Holznagel

Selbstverständlich müssen wir gerade jetzt auch über Einsparungen reden. Doch mit dem aktuellen Haushaltsentwurf hat Bundesfinanzminister Christian Lindner keineswegs mit Sparmaßnahmen begonnen. Einige Ministerien wurden etwas schlechter ausgestattet, doch das sind abflauende Corona-Aspekte. Sparen ist das nicht! Im Gegenteil: Statt zu sparen, wächst die Bundesverwaltung weiter. Wir haben in diesem Jahr einen weiteren Personalanstieg von mehr als 3400 neuen Stellen. Darüber hinaus sehen wir, dass die Subventionen zunehmen, vor allem die Finanzhilfen. Hier haben wir ein Niveau erreicht, das eine ungekannte Größe hat. Da frage ich mich manchmal, ob das auch wirklich alles so sinnhaft ist! Wenn ich mir nur die Subventionen für die E-Mobilität anschaue, gibt es schier unendlich viele unterschiedliche Töpfe von verschiedenen Ministerien, die wenig aufeinander abgestimmt sind. 

Wie soll das Sparen gelingen? 

Bei Personal, Verwaltungsausgaben und Subventionen muss definitiv der Rotstift ran! Insgesamt bin ich auch ein Fan des Rasenmähers, daraus mache ich keinen Hehl. Ich glaube schon, dass Christian Lindner gemeinsam mit dem Bundeskanzler jedem Haushaltsansatz, jedem Etat eine globale Einsparung vorschreiben und unwirksame Posten streichen muss. Da können wir gern auch mal von zwei, drei und sogar mehr Prozent reden. Jeder Minister muss sein eigener Sparkommissar werden, sonst wird das nichts. 

Als Gegenargument gilt die aktuelle Krise, die jetzt große Anstrengungen erfordere? 

Natürlich sind die Herausforderungen groß – die müssen wir auch bewältigen. Wenn wir das mit Steuererhöhungen versuchen, werden wir unsere Wirtschaft weiter abwürgen. Dann wird unser Wohlstand weiter in Gefahr sein, dann werden noch nicht einmal die kalkulierten Einnahmen wirklich kommen. Deswegen muss die Bundesregierung alles tun, damit der große Tanker Deutschland durch diese Krise kommt – ohne Steuererhöhung, nicht nur mit Schulden, sondern mit Ausgabenkürzungen. 

Die Fragen stellte Volker Resing. 

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