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() v. l. o.: Raffelhüschen, Siebert, Walter, Franz, Sinn, Kirchhof, Zimmermann, Henkel, Miegel
Die Schwarzmaler

Neoliberale Vordenker formulieren die Blaupausen einer konservativen Wirtschaftspolitik für mehr Wachstum und Beschäftigung. In drei zentralen Punkten stimmen ihre Forderungen überein: weniger Staat, weniger Lohn, weniger Freizeit.

John Maynard Keynes war sich der politischen Relevanz seiner Disziplin bewusst: „Praktiker, die von sich glauben, sie unterlägen keinerlei intellektuellen Einflüssen, sind gewöhnlich die Sklaven eines längst verstorbenen Ökonomen.“ Keynes’ Beispiel zeigt jedoch, dass Politiker sich durchaus auch an lebenden Ökonomen orientieren. Anfang der siebziger Jahre sagte der amerikanische Präsident Richard Nixon über die Regierungs-chefs der westlichen Welt: „Wir sind alle Keynesianer.“ Bereits eine Dekade später war der Keynesianismus nicht mehr en vogue und Margaret Thatcher orientierte ihre Rosskur in Großbritannien an den Ideen von Friedrich Hayek. Seine Sozialsmus-Kritik „Weg zur Knechtschaft“ hatte die Eiserne Lady stets in ihrer Handtasche. Verbreiteten Kabinettskollegen ökonomischen Unsinn, zitierte sie in Downing Street No. 10 aus dem Buch des Wirtschaftsnobelpreisträgers. Wessen „Sklavin“ ist Angela Merkel, welche Publikationen können mit einem Platz in ihrer Handtasche rechnen? An Kandidaten herrscht kein Mangel. Nimmt man das vom Handelsblatt im Mai veröffentlichte Ranking der bekanntesten deutschen Ökonomen als objektives Kriterium zu Hilfe, dann lautet die Antwort Hans-Werner Sinn. In der Medienpräsenz deutscher Ökonomen belegt der Präsident des Münchener Ifo-Instituts mit großem Abstand den ersten Platz. Die Kombination aus der Leitung eines relevanten Forschungsinstituts mit der Publikation breitenwirksamer Analysen ist das Erfolgsgeheimnis des Finanzwissenschaftlers. Sinn ist selbst darüber erstaunt, dass die Argumente seines apokalyptisch klingenden Bestsellers „Ist Deutschland noch zu retten?“ (2003) inzwischen „wie Ping-Pong-Bälle durch den Blätterwald und die Talkshows springen“. Zu den Sinn-Fans im neoliberalen Lager, die als Multiplikatoren seiner Argumente agieren, gehören Hans-Olaf Henkel und Norbert Walter. Der langjährige Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) und der Chefvolkswirt der Deutschen Bank teilen mit Sinn die Überzeugung, dass zu hohe Löhne die Rekordarbeitslosigkeit in Deutschland verursacht haben. Als zweiter Kandidat für die Hayek-Rolle in Deutschland erscheint Klaus F. Zimmermann. Im Ökonomen-Ranking des Handelsblatts landete der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hinter Sinn und den für eine bürgerliche Koalition wohl nicht in Frage kommenden Regierungsberatern Bert Rürup und Karl Lauterbach auf dem vierten Platz. An den Ambitionen von Zimmermann, Einfluss auf den politischen Prozess zu nehmen, besteht spätestens seit Mai 2003 kein Zweifel mehr. Damals versammelte der DIW-Chef 250 Ökonomen hinter dem Aufruf „Den Reformaufbruch wagen!“ zur Unterstützung des mit der Agenda 2010 begonnenen Reformprozesses. Mit den in seiner Publikation „Reformen – jetzt!“ (2003) formulierten Forderungen „Maximaler Wettbewerb“, „Mehr Eigenverantwortung und weniger staatlich organisierte Solidarität“ sowie „Mehr Wertschöpfung und weniger Umverteilung“ weist sich Zimmermann als neoliberaler Ökonom aus, dessen Sichtweisen in einer konservativen Bundesregierung ihren Widerhall finden dürften. Zur Riege prominenter Ökonomen mit konservativer Orientierung gehört auch der langjährige Direktor des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und Ex-Vorsitzende des Sachverständigenrats Horst Siebert. Als aktiver Berater kommt der Wissenschaftspensionär wohl nicht mehr in Frage. Als Leitfaden am Kabinettstisch taugt Sieberts im Juni 2005 vorgestelltes Manifest „Jenseits des sozialen Marktes“ aber auf jeden Fall. Aufgrund seiner Spezialisierung besitzt auch Wolfgang Franz, der auf Empfehlung der Arbeitgeber im Sachverständigenrat wirkt, große Bedeutung für die politische Klasse. Wer den Arbeitsmarkt ins Zentrum seiner Wirtschaftspolitik rücken will, der kommt an der Expertise des Direktors am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim nicht vorbei. Das galt schon für Schröder. Es wird auch für Merkel gelten. Vielleicht übernehmen aber auch die Juristen Paul Kirchhof und Meinhard Miegel die Deutungshoheit in zentralen Zukunftsfragen. Miegel, Direktor des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG) in Bonn, warnt seit 20 Jahren vor den aus der absehbaren Alterung der Gesellschaft resultierenden Herausforderungen, prägnant zusammengefasst in seiner Streitschrift „Die deformierte Gesellschaft“ (2002). Inzwischen hat in Fragen der Demografie aber der Freiburger Wirtschaftsprofessor Bernd Raffelhüschen die Nase vorn. Diese Verdrängung durch einen Ökonomen muss der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof in seinem Kompetenzfeld des Steuerrechts nicht befürchten. Denn Wirtschaftswissenschaftler sind auf die Analyse von Steuerwirkungen in Modellen spezialisiert. Um einen Weg aus dem real existierenden Steuerchaos zu bahnen, braucht es jedoch die unschlagbare Paragrafenkenntnis des Heidelberger Rechtswissenschaftlers. In „Der sanfte Verlust der Freiheit“ (2004) entführt Kirchhof seine Leser „in den Garten der Freiheit, in dem wir den Neubeginn des auch steuerlich freien Menschen wagen wollen.“ Wer kann da schon widerstehen?

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