Gerichtsverfahren in Bayern - Strafbefehl wegen Grünen-Beleidigung

Ist Kritik an den Grünen strafbar? Ein bayerischer Unternehmer soll Spitzenpolitiker der Ökopartei auf Plakaten verunglimpft haben und bekam es deshalb mit der Staatsanwaltschaft zu tun. Jetzt landet der Fall vor Gericht.

„Wir machen alles platt“: Die Parteivorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, war auf einem der Banner mit einer Dampfwalze abgebildet / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Zwei bedruckte Planen hatte ein Unternehmer auf seinem Privatgrundstück in Gmund am Tegernsee aufgehängt. Und zwar so, dass jeder Vorbeifahrende oder -gehende sie gut sehen und lesen konnte. Er wollte damit seinen Unmut über die Wirtschafts- und Energiepolitik der Grünen zum Ausdruck bringen.

Die Banner hatte er nicht selbst gestaltet, sondern bestellt. Sie wurden auch andernorts in Deutschland aufgehängt. Doch in Bayern wurden sie zum Fall für die Justiz. Staatsanwaltschaft und Gericht sahen darin eine strafbare Beleidigung von Politikern.

Mit der Dampfwalze

Eines der beiden Motive zeigt die Grünen-Parteichefin Ricarda Lang auf einer Dampfwalze in Begleitung der Bundesminister Cem Özdemir, Robert Habeck und Annalena Baerbock. Darüber prangt der Satz: „Wir machen alles platt“, darunter ein älteres Zitat von Wirtschaftsminister Habeck: „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen.“ Es stammt aus seinem 2010 erschienen Buch „Patriotismus. Ein linkes Plädoyer“.

 

Dieses Banner hing auf dem Privatgrundstück des Unternehmers und wurde von der Polizei entfernt.

 

Auf dem zweiten Banner ist Habeck alleine abgebildet. Er hält drei Finger in die Kamera und wird mit der Talkshowaussage „Unternehmen gehen nicht insolvent, sie hören nur auf zu produzieren“ zitiert. So hatte er sich im September 2022 bei Sandra Maischberger (ARD) geäußert. Darunter steht die polemische Frage: „Kann er überhaupt bis 3 zählen?“

 

Auch dieses Plakat hat die Polizei beschlagnahmt.


 

Am 26. September 2023 erschienen Polizisten auf dem Grundstück in Gmund. Laut Pressemitteilung der Polizeiinspektion Bad Wiessee erhielt diese zuvor „eine telefonische Mitteilung über beleidigende Werbebanner, welche Ähnlichkeit mit regulären Wahlplakaten der Partei Bündnis90/Die Grünen haben“. Die eingesetzte Streife habe dann vor Ort festgestellt, dass auf den Bannern die vier Grünen-Politiker „beleidigt und diffamiert werden“, heißt es in Pressemitteilung weiter. „Da dies eine Straftat nach Paragraf 188 StGB darstellt, wurden die Banner von der Polizei entfernt und sichergestellt. Der Staatsschutz der PI Bad Wiessee ermittelt nun, wer die Banner gefertigt und aufgestellt hat.“ 

Die Staatsanwaltschaft München II beantragte daraufhin einen Strafbefehl „wegen des Verdachts der gegen Personen des politischen Lebens gerichteten Beleidigung (Paragraf 188 StGB) in vier tateinheitlichen Fällen“. Die angeblich Geschädigten sind die vier abgebildeten Grünen-Politiker.

Gericht verhängte Geldstrafe

Das Amtsgericht Miesbach hat den Strafbefehl im November 2023 erlassen. Der bayerische Unternehmer soll demnach eine Geldstrafe von 6000 Euro (40 Tagessätze) zahlen. Doch das ließ er nicht auf sich sitzen, sondern legte Einspruch ein. Deshalb wird der Fall nun öffentlich verhandelt. Die Hauptverhandlung ist für den 21. März um 11 Uhr geplant, teilte ein Sprecher des Amtsgerichts mit.

Der Verteidiger des Beschuldigten, der Berliner Rechtsanwalt Christoph Partsch, zeigt sich zuversichtlich. „Der Inhalt des Plakats ist vollumfänglich von der in Artikel 5 des Grundgesetzes verbürgten Meinungsfreiheit gedeckt. Diese gilt auch in Bayern“, so Partsch gegenüber Cicero.

Der bekannte Kölner Medienrechtler Ralf Höcker schließt sich dieser Auffassung an. „Wegen dieser rechtlich vollkommen zulässigen Plakate hat ein Unternehmer wegen angeblicher Beleidigung einen Strafbefehl kassiert“, kommentierte er unseren Bericht auf „X“ (vormals Twitter). Die Entscheidung sei ein Witz und werde keinen Bestand haben, schrieb Höcker.

 

Aufregung auch in Hanau

Die grünenkritischen Plakate haben auch in anderen Gegenden Deutschlands für Aufregung gesorgt. Zum Beispiel im hessischen Hanau. Dort hingen dieselben Motive am Zaun eines Industrieparks und eines Einkaufszentrums, was Kommunalpolitiker zu einer parteiübergreifenden empörten Pressemitteilung veranlasste. Doch die hessische Strafjustiz ließen die Plakate offenbar kalt.
 

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