BaFin-Chef Branson - Zähne zeigen

Mit seiner Hartnäckigkeit hat sich Mark Branson den Ruf des „Watchdogs“ erarbeitet. Dann kam er aus der Schweiz nach Deutschland, um die vom Wirecard-Skandal gebeutelte Finanzaufsicht zu stärken. Ist ihm das gelungen?

Der Chef der Finanzaufsicht Mark Branson hat seine Position nicht, um Freunde zu finden / dpa
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Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Mit dieser Personalie gelang Olaf Scholz eine Überraschung. Als Finanzminister hatte er im größten Finanzskandal der Bundesrepublik keine gute Figur gemacht: Der Zahlungsdienstleister Wirecard hatte in großem Stil Bilanzen gefälscht, doch die dem Finanzministerium unterstellte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hatte Hinweise auf den Milliardenbetrug jahrelang ignoriert und das Unternehmen geschützt. Wie sich herausstellte, hatten Bafin-Mitarbeiter sogar privat mit Wirecard-Aktien gehandelt. Und die Öffentlichkeit wunderte sich, dass der Minister von all den Vorgängen nichts gewusst haben will.

Im Frühjahr 2021 verkündete Scholz dann nicht ohne Stolz, dass Mark Branson, Chef der Schweizer Finanzaufsicht, im Sommer den Posten des geschassten Bafin-Leiters Felix Hufeld übernehmen werde. Die Reaktionen waren parteiübergreifend wohlwollend. Die Ernennung eines erfahrenen und von außen kommenden Finanzmarktexperten sei ein guter Schritt, so der Tenor. 

Der Schweizer „Watchdog“

Branson, der Schweizer und britischer Staatsangehöriger ist, wurde 1968 im englischen Colchester geboren. Er studierte in Cambridge und Lancaster unter anderem Management und Mathematik. Nach seinem Studium arbeitete er bei der Credit Suisse in London, von 1997 an war er in der Vermögensverwaltung der Schweizer Großbank UBS tätig, deren Niederlassung in Tokio er zwischenzeitlich leitete. 2010 stieß er schließlich zur Schweizer Finanzaufsicht.

Den Ruf eines „Watchdogs“ erarbeitete er sich dort mit seiner Hartnäckigkeit gegenüber der Tessiner Bank BSI, deren profitable Geschäfte ihn misstrauisch machten. Branson nahm umfangreiche Untersuchungen auf – wie sich herausstellte, war das Traditionsinstitut in einen Korruptionsskandal verstrickt und hatte gegen Geldwäscheauflagen verstoßen. Die Bank musste Millionen zurückzahlen, 2016 schloss die Finanzaufsicht das 1873 gegründete Institut. 

 

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Und trotzdem: Bei aller Anerkennung blieb mit Bransons Amtsantritt in Deutschland die Skepsis, ob er umsetzen kann, was Olaf Scholz versprach. Die Bafin, so der heutige Bundeskanzler, sollte eine der bissigsten Finanzaufsichten der Welt werden. Zu diesem Zeitpunkt klang das nach einer fernen Utopie. Denn die Bafin, wegen ihrer formaljuristischen Bilanzkontrollen als „zahnloser Papiertiger“ verspottet, hatte zu wenig Zuständigkeiten, zu wenig Personal, darunter zu viele Juristen und zu wenige Finanzexperten – und die enge Verbindung zum Finanzministerium galt als Einfallstor für politische Einflussnahme.  Gerade diese Umstände und die Herausforderung, die beschädigte Reputation wiederherzustellen, hätten ihn nach Deutschland gezogen, sagt Branson. „Nur etwas Erfolgreiches zu verwalten, wäre mir nicht spannend genug gewesen.“

Noch nicht am Ziel

Und heute? Nach bald zwei Jahren im Amt sitzt Mark Branson in seinem Büro in Bonn und resümiert als Zwischenergebnis genau das, was er zum Amtsantritt ankündigte: eine Reform, die Zeit brauche. „Die Bafin ist mutiger geworden, aber der Umbau ist noch nicht abgeschlossen.“ Tatsächlich hat die Bafin heute mehr Möglichkeiten als vor zwei Jahren. Sie darf nun selbst Durchsuchungen und Vernehmungen durchführen, die vorher der Staatsanwaltschaft überlassen waren. Das Team der Bilanzkontrolle zählt mittlerweile über 50 Mitarbeiter, 20 davon sind Wirtschaftsprüfer. Die Bafin müsse schnelle und mutige Entscheidungen treffen, die mit Risiken verbunden sind, sagt Branson. Denn die Risiken nicht ernst genommener Warnsignale seien deutlich fataler für die Finanzmarktstabilität. Mutig meint auch: Mehr auf Wirkung als auf 100-prozentig juristisch abgesicherte Analysen setzen.

Dem Immobilienkonzern Adler wirft die Bafin vor, im Jahr 2019 vier Milliarden Euro zu viel bilanziert zu haben. Der Konzern bestreitet das. Doch die Kunden wüssten nun, wie die Bafin die Rechnungslegung des Konzerns einschätzt, sagt Branson auf die Wirkung der Entscheidung vertrauend.

Wie der scharfe „Sheriff“, als der er gilt, wirkt Branson mit seinem zurückhaltenden, höflichen Auftreten im Gespräch nicht. Doch in der Sache ist er hart, manchen zu hart: Deutsche Fintech-­Start-ups beschweren sich, die Bafin bremse mit strengen und langwierigen Genehmigungsverfahren Innovationen. Branson bleibt standfest: „Niemand ist ungeduldiger als junge Unternehmen“, sagt er. Seine Aufgabe sei es nun einmal, Kunden zu schützen und für die Stabilität des Finanzplatzes zu sorgen. Die Bafin wolle Innovation ermöglichen. Doch gerade innovative Geschäftsmodelle mit Kryptowährungen brächten zwar Chancen, aber eben auch Risiken mit sich. 
Branson dürfte klar sein: Eine Finanz­aufsicht, die sich nicht unbeliebt macht, macht etwas falsch.

 

Dieser Text stammt aus der April-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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