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Schafft die Landesbanken ab!

In ihrer jetzigen Form sind die Landesbanken überflüssig. Eine Zukunft haben die Institute nur, wenn sie entpolitisiert werden und ein Geschäftsmodell finden. Sie suchen noch immer.

In der bayerischen Landeshauptstadt München ist derzeit eine Stelle ausgeschrieben, die Managerherzen höher schlagen lässt. „Kreditinstitut mit dunkler Vergangenheit sucht erfahrenen wie abenteuerlustigen Banker. Aufgabe: Überführung eines maroden Finanzkonzerns ohne Geschäftsmodell in eine ungewisse Zukunft – unter strenger Aufsicht von Landesregierung, Staatsanwaltschaft und EU-Wettbewerbsbehörde. Besondere Anreize: Büro mit eingebautem Schleudersitz und gedeckeltes Gehalt.“ So etwa ließe sich zusammenfassen, was den künftigen Chef der BayernLB erwartet. Kurz vor Weihnachten schoss der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer Vorstandschef Michael Kemmer aus dem Amt, sein Nachfolger Stefan Ermisch gilt nur als Zwischenlösung. Doch womöglich muss der Mann, der vom Aktienanalysten zum Bankchef aufstieg, die BayernLB mangels attraktiver Bewerber länger führen als gedacht. Die zweitgrößte deutsche Landesbank steckt tief in einer Identitätskrise. Und damit ist sie nicht allein. Auch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), die WestLB und die HSH Nordbank sind in existenzielle Not geraten. Sie müssen sich als Banken neu erfinden und wissen doch noch nicht einmal, wem sie künftig gehören. Lediglich die Landesbanken für Hessen und Thüringen (Helaba), Berlin (LBB), Niedersachen und Sachsen-Anhalt (NordLB) sowie die kleine SaarLB – die sich gerade von der BayernLB abgenabelt hat – haben die Finanzkrise bisher einigermaßen unbeschadet überstanden. Das Modell Landesbank hat sich überlebt. Es ist Zeit für einen Neuanfang, doch die Politik steht ratlos vor den Trümmern ihrer Hausbanken. Mindestens 15 Milliarden Euro Verlust haben LBBW, BayernLB, HSH Nordbank und WestLB ihren Eigentümern und damit den Steuerzahlern in den vergangenen zwei Jahren beschert. Sie mussten mit mehr als 20 Milliarden Euro Kapital und ähnlich umfangreichen Garantien gestützt werden. Manager aller vier Banken sind in das Visier der Staatsanwaltschaft geraten, weil sie womöglich wider besseres Wissen in hochriskante amerikanische Hypotheken investierten – das ist der Vorwurf bei der LBBW – oder sich sehenden Auges in zu teure Übernahmen stürzten, wie die BayernLB, die bei der österreichischen Hypo Alpe Adria 3,7 Milliarden Euro versenkt hat. Ein halbes Dutzend Bankchefs und etliche Vorstände haben diese vier Institute binnen zwei Jahren verschlissen. Es ist eine Bilanz des Schreckens. Wann wenn nicht jetzt sollte die deutsche Politik das System öffentlicher Banken gründlich entrümpeln? Es ist wahr, auch private Banken haben in der Finanzkrise viel Geld verloren. Und Verluste über ein oder zwei Jahre sind allein kein Grund, eine ganze Spezies von Kreditinstituten abzuschaffen. Doch zwei Gründe sprechen dafür, sich von den Landesbanken, wie wir sie heute kennen, zu verabschieden: Erstens geraten sie als Zwitterwesen aus staatlicher Förderbank und privatwirtschaftlich agierender Universalbank immer wieder in Konflikte, zweitens haben die meisten Landesbanken kein tragfähiges Geschäftsmodell. Deshalb sollten die Institute rasch entpolitisiert werden. Welche dann als Regionalbanken überleben, wird sich im freien Wettbewerb entscheiden. Viele werden es nicht sein. Ein Blick zurück. Als die Landesbanken in den Nachkriegsjahrzehnten entstanden, fungierten sie vor allem als zentrale Dienstleister der Sparkassen. Sie verteilten Geld zwischen den kommunalen Instituten um und regelten den Zahlungsverkehr. Zusätzlich wurden sie seit den siebziger Jahren mehr und mehr zu Hausbanken der Länder. In Nordrhein-Westfalen nutzte der frühere Ministerpräsident Johannes Rau die WestLB, um im engen Schulterschluss mit deren Chef Friedel Neuber die regionale Wirtschaft zu fördern. „Der Friedel macht das schon“, lautete sein viel zitiertes Motto. Und Generationen bayerischer Landesväter päppelten Unternehmer wie den gefallenen Medienmagnaten Leo Kirch mit Großkrediten der BayernLB und betrieben so Standortpolitik. In dieser Verquickung politischer Interessen mit wirtschaftlichen Zielen liegt eines der Grundübel der Landesbanken. Wann immer Kredite nicht streng nach ökonomischen Kriterien vergeben werden, geht das für die Banken früher oder später schief – zumal, wenn die Kontrollgremien mit Landespolitikern besetzt sind, die vom Bankgeschäft nichts verstehen. Potenziert wurde das Risiko dadurch, dass die Landesbanken mit einer Vollkaskoversicherung ausgestattet waren: Weil die öffentliche Hand als Träger voll für sie haftete, konnten die Institute Kapital billiger beschaffen als die meisten Privatbanken und ließen sich erst recht verleiten, unrentable Geschäfte zu finanzieren. Als die EU-Kommission sich Ende der neunziger Jahre daranmachte, die Gewährträgerhaftung zu kippen, war die Saat für den Untergang der Landesbanken gelegt. Die Institute sogen sich noch einmal mit Geld voll, um sich für die Zeit nach 2005 zu wappnen, in der sie ohne den expliziten staatlichen Schutz handeln mussten. Doch weil die meisten Landesbanken kein funktionierendes Geschäftsmodell hatten, nutzten sie dieses Geld, um sich noch weiter von ihrer ursprünglichen Rolle zu entfernen. Landesbanken wie die WestLB oder die BayernLB verfügen nicht über eine breite eigene Kundschaft – auch weil sie von den Sparkassen, ihren Miteigentümern, aus dem Kundengeschäft ferngehalten wurden. Also gebärdeten sich die Landesbanken wie internationale Investmentbanken. Sie handelten mit riskanten Wertpapieren, finanzierten Großprojekte in aller Welt und spielten mit im globalen Monopoly mit Fusionen und Übernahmen. Zugleich behielten sie aber die Strukturen, die Mentalität und das Risikomanagement provinzieller Staatsbanken. Die Politiker und Sparkassenfunktionäre in den Verwaltungsräten ließen sich von dem Reiz globaler Geschäfte blenden, in den Boomjahren sediert von satten Ausschüttungen. Eine fatale Kombination. All das ist nun vorbei. Spätestens seit vier Landesbanken mit Milliardenbeträgen gestützt werden mussten und die EU deswegen Beihilfeverfahren eingeleitet hat, ist klar, dass es so nicht weitergeht. Der WestLB haben die Wettbewerbshüter eine drastische Schrumpfkur diktiert. Sie muss ihre Bilanzsumme halbieren, viele Niederlassungen im In- und Ausland schließen, Geschäftsbereiche verkaufen. Vor allem aber hat die EU angeordnet, dass die WestLB an neue Eigentümer übergehen muss. Diese Vorschrift blieb der LBBW zwar erspart, doch muss auch sie sich in eine Kapitalgesellschaft umwandeln. Das Ziel ist klar: Der Einfluss der Politik soll zurückgedrängt werden, am Ende dürfte sich auch hier das Land aus dem Eigentümerkreis zurückziehen. Der neue LBBW-Chef Hans-Jörg Vetter hat im Duett mit der EU bei der Landesbank Berlin schon einmal vorexerziert, wie sich die Politik aus einer Bank herausdrängen lässt. Für die BayernLB hat Ministerpräsident Horst Seehofer schon mal vorauseilend angekündigt: „Wir wollen so bald wie möglich – und sobald es die Marktlage zulässt – die Trägerschaft bei der Landesbank beenden.“ Doch wer soll an die Stelle der alten Eigentümer treten? Und wann wird die Marktlage einen Wechsel erlauben? Es ist eine Illusion zu glauben, in dem aktuellen Zustand könnte eine andere Landesbank, eine Privatbank oder ein Finanzinvestor die BayernLB oder eines der anderen angeschlagenen Institute übernehmen. Erst müssen sie von den Altlasten befreit werden. Dort wo die bisherigen Eigentümer – also Länder und Sparkassen – wie bei der WestLB nicht mehr willens oder in der Lage sind, die Lasten zu tragen, könnte der Bund vorübergehend einsteigen. Egal ob Bund oder Länder für die Verluste geradestehen – am Ende zahlt ohnehin der Steuerzahler. Die WestLB wird derzeit in eine Kernbank und eine Abwicklungsbank aufgespalten, in der die faulen Wertpapiere nach und nach auslaufen oder verkauft werden. Das Modell ließe sich auch auf andere Institute anwenden. Und was kommt dann? Auch von faulen Wertpapieren befreit und wieder zu Regionalbanken geschrumpft sind die meisten Landesbanken nicht überlebensfähig. Außer der Helaba und der Landesbank Berlin verfügen sie kaum über Kundeneinlagen. Sie werden sich daher ohne die alten staatlichen Garantien künftig nur schwer refinanzieren können. An den Kapitalmärkten ist die Skepsis gegenüber den Landesbanken groß, die Investoren werden künftig Risikoaufschläge bei den Zinsen verlangen, die die Banken mit ihrem Rumpfgeschäft nicht verdienen können. Strengere Kapitalanforderungen der Regulierer und der Druck der Rating­agenturen werden die Finanzierungsnot der Landesbanken noch verschärfen. Der Bund sollte daher darauf drängen, das, was von den Landesbanken übrig bleibt, abzuwickeln oder an neue Eigentümer zu verteilen. Teile der Institute, etwa der Bereich Zahlungsverkehr der WestLB, könnten in die LBB eingebracht werden, um das Berliner Institut weiter zu einem zentralen Dienstleister für die Sparkassen auszubauen. Die Helaba und die LBBW können möglicherweise als Regionalbanken überleben. Vielleicht finden die Reste der BayernLB und der WestLB dort noch eine neue Heimat. Die auf Schiffsfinanzierungen spezialisierten HSH Nordbank und NordLB wären auf Dauer in größeren Privatbanken besser aufgehoben, die das extrem schwankungsanfällige Geschäft besser ausgleichen könnten. Von heute auf morgen wird all das nicht gehen. Schließlich stellen Landesbanken heute noch fast ein Fünftel der Kredite an den deutschen Mittelstand. Doch nach und nach werden andere Wettbewerber diese Geschäfte im überbesetzten deutschen Bankenmarkt übernehmen. Den Ländern werden ihre Hausbanken auf Dauer nicht fehlen, die ihnen zuletzt nichts als Verdruss bereiteten. Wer die heimische Wirtschaft unterstützen will, tut dies besser über die Förderbanken, die diese Aufgabe auch jetzt in der Krise gut erfüllt haben. Vielleicht heißt es eines Tages: Die Landesbank ist tot, es lebe die Förderbank!

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