Als es mit der CDU noch bergauf ging? Walter Wallmann und Alfred Dregger. Bild: picture alliance

CDU - Kämpft für neuen Konservatismus!

Kolumne: Leicht gesagt. Konservative Wähler wandern zunehmend zur AfD ab, weil sie sich in der CDU nicht mehr aufgehoben fühlen. Die Partei muss endlich darüber debattieren, was es heute bedeutet, konservativ zu sein

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Das CDU-Präsidium hat offenbar deutlich wie nie zuvor über den Umgang mit der AfD gesprochen. Zu diesem heiklen Thema sagt sich gar nichts leicht für die Vorsitzende Merkel. Denn die rechte Konkurrenz sitzt ihrer Partei im Nacken. Die CDU braucht dringend eine neue Definition von Konservatismus.

Schon war von einer „neuen Strategie“ zu lesen, von „Kurskorrektur“ sogar. Horst Seehofer traute seinen Ohren kaum, als er darauf angesprochen wurde und wähnte sich in Siegerlaune nach wochenlangen Diskussionen mit Merkel:  „Ich begrüße die Äußerungen ausdrücklich.“

Doch zu früh begrüßt. Denn die Kanzlerin nutzte einen Schulbesuch in Berlin, um ihren vermeintlichen Kurswechsel zu dementieren: „Es gibt keinerlei neue Strategie, sondern es gibt die Aufgabe, die noch entschiedener gemacht werden muss aus uns heraus selbst darzustellen, was wir wollen, wohin wir gehen, welche Überzeugungen uns tragen."

Was sie aber dann nennt, ist nur Altbekanntes wie ein gemeinsames Europa. Das reiche aber dafür aus, „dass wir genug gute Argumente haben uns mit anderen Meinungen, auch denen der AfD auseinanderzusetzen. Und zwar ohne jeden Schaum vorm Mund.“

Verschiedene Konzepte von Konservatismus
 

Hier ist das Novum. Die AfD wird als Konkurrent geadelt. Sie solle nun argumentativ eingehegt werden. Offen jedoch ist, mit welchen Argumenten. Denn es müssen welche sein, die auch Konservative teilen in der CDU. Wobei es jedoch immer seltener Parteimitglieder gibt, die sich konservativ nennen. Es wird oft behauptet: aus Scham. Mag sein. Doch so nennen sollte sich eigentlich nur, wer auch definieren kann, was konservativ eigentlich ist.

In den vergangenen Konservatismus-Debatten der CDU, die seit Merkels Regentschaft immer wiederkehrten, zeigte sich, dass jeder von den selbsternannten Konservativen andere Vorstellungen vom Konservativen hatte – und hat: Der eine hält Kernkraftwerke, Genmais und Stammzellenforschung für Fortschritt. Der andere sieht davon die Schöpfung bedroht, die Konservative doch bewahren wollen. Der Papsttreue nennt Kirchenasyl christliche Haltung und fordert den Abzug aus Kriegen. Dagegen warnt der Vaterländische vor Überfremdung und fordert, Islamismus an allen Fronten zu bekämpfen.

Die frühe CDU - eine antisozialistische Notgemeinschaft
 

Ideengeschichtlich ist der Konservatismus ein Ozean. Seit dem 18. Jahrhundert brandeten viele seiner Wellen in Deutschland an, von der feudalgesellschaftlichen Reaktion bis zu Reformismus, von Antimoderne bis zu Technikbegeisterung. Bei der Gründung der CDU vor 71 Jahren einte die Nationalkonservativen mit den Liberal- und Sozialkonservativen das überkonfessionell Christliche, deshalb der Name „Union“. Ansonsten begann die CDU als lockeres Geflecht von Menschen völlig konträrer Vorstellungen - eine antisozialistische Notgemeinschaft. Erst 1978 gab es das erste gemeinsame Grundsatzprogramm.

Da hatte die SPD, getragen vom Genossen Trend, längst den Kampfbegriff von der konservativen Union geprägt, um sie gestrig erscheinen zu lassen. Das fürchterlichste Gestern lag damals noch nah, weshalb die linke Propaganda wirkte. Dennoch stiftete für die ganze Union Identität, was gemeinhin als konservativ galt: Für sie blieb die deutsche Frage offen. Später konnte die CDU stolz darauf sein, sich auf diesem Feld gegen den Zeitgeist gestellt zu haben.

Mit Erinnerungen an die Vaterländischen aus der CDU versucht die AfD nun die Christdemokraten als immer weiter nach links gerutschte Partei vorzuführen. Auf dem AfD-Parteitag sagte Alexander Gauland in einer Rede: „Alfred Dregger, das war die Zeit, wo die CDU noch war.“

Die Dregger-Ära
 

Auch in der CDU heißt es, wenn der langjährige Fraktionschef noch lebte, dann gäbe es vielleicht keine AfD. Dreggers Sohn Burkard kämpft als Konservativer – in der Berliner CDU. Dort ist er Migrationspolitischer Sprecher und Mitglied des Präsidiums. Er will seinen Vater nicht von der AfD vereinnahmen lassen: „Mein Vater würde sicherlich in der CDU weiterhin seine Heimat sehen. Und der würde natürlich seinen Beitrag dazu leisten, dass diese Partei ihre konservativen Wurzeln nicht verliert. Ich habe da aber gar keine Befürchtungen“, sagte Dregger dem ZDF.

Das neue Konservative sei eben Integration, und nicht Ablehnung des Islam. „Es kommt doch darauf an, dass wir den Menschen eine Identität geben eine Identifikation mit Deutschland. Und sie zu guten treuen deutschen Staatsbürgern machen.“

Was bedeutet es heute, konservativ zu sein?
 

Merkel hat stets versäumt, Konservatismus neu zu definieren. Dabei gibt es in der Integrationsdebatte längst eindeutige Siege der Konservativen. Die Notwendigkeit einer Leitkultur wird nur noch selten bestritten, auch wenn die CDU selbst kaum noch davon zu sprechen wagt. Vorreiter dieser Politik wie Beckstein, Schäuble und Merz provozierten als Konservative und gaben der CDU rechtes Profil.

Es ist keine Führungsschwäche der Vorsitzenden Merkel, sich selbst nicht konservativ zu geben. Im Gegenteil: Auch keiner ihrer Vorgänger ließ sich genau verorten. War Adenauer, der die Westbindung dem vereinigten Deutschland vorzog, links oder rechts? Wo stand Erhard, der die Marktwirtschaft sozial machte? Der ausgleichende Kiesinger hat mit der SPD harmonisch regiert. Und Kohl selbst war es, der noch zum 60. Geburtstag der CDU sein Credo der Macht vorbetete: „Unser Standort bleibt die politische Mitte.“

Männer wie Burkard Dregger geben der Merkel-CDU die Chance, den Begriff konservativ neu zu definieren. Dann müssen sie aber auch dafür kämpfen.

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