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(picture alliance) Kiffen? Aber bitte nur mit Bio-Qualität

Dealen in New York - Hipster kiffen Bio-Gras

Der vielleicht zuverlässigste Lieferservice der Stadt, die niemals schläft, bringt das, was man braucht, um zu entspannen. Und selbstverständlich ist hier selbst das Marihuana ökologisch einwandfrei. Ein Bericht aus New York

Ein Samstagnachmittag in Brooklyn. Hier draußen sieht alles immer ein bisschen anders aus: Tätowierte und gepiercte Eltern defilieren mit ihren Kinderwagen auf und ab, wählerische, versnobte Hipster kaufen im inzwischen gentrifizierten Williamsburg ein, und es gibt praktisch mehr Hunde als Menschen. Selbst mitten in einer Rezession hat diese Gegend gegenüber von Manhattan noch allen Gelüsten und allen Geschmäckern etwas zu bieten. Das alte, von Graffiti und Wandgemälden übersäte Gebäude auf der anderen Straßenseite wurde abgerissen, damit an derselben Stelle eine Whole-Foods-Filiale gebaut werden kann. Hipster essen bio. Ich sehe Lily an, den Hund meiner besten Freundin, der sich neben mir zusammengerollt hat und mich mit seinem Fünf-Kilo-Körper wärmt, und frage mich, was in aller Welt uns wohl fehlen könnte.

„Gras“, sagt Half-Pint, so der liebevolle Spitzname meiner gerade knapp anderthalb Meter großen Freundin. „Eine schöne, fette Tüte fehlt uns, aber ich fürchte, ich habe nichts mehr da!“ Normalerweise hat sie das Zeug in allen möglichen Ecken versteckt: in Schmuckschatullen, alten Tassen, im Tiefkühlfach, was weiß ich. Aber die Verstecke waren allesamt leer, und so tat sie das, was jeder anständige New Yorker tut, wenn die Vorräte zu Ende gehen: Sie griff zum Telefon und bestellte was.
In New York kann man sich alles, aber auch wirklich alles nach Hause liefern lassen. Und der vielleicht zuverlässigste Lieferservice der Stadt, die niemals schläft, bringt (ironischerweise) ausgerechnet das, was sie braucht, um zu dösen: Marihuana.

Innerhalb kürzester Zeit – thailändisches Essen hätte länger gedauert – steht Half-Pints Dealer vor der Tür, Bill. Er sieht aus, wie man in Williamsburg eben aussieht: Flanellhemd, hautenge Jeans, Springerstiefel, rechteckige Hornbrille. Half-Pint umarmt ihn, als wäre er ihr Held, und bittet ihn herein. Als er anfängt zu reden, bin ich mir ziemlich sicher, dass er schwul ist, aber das kann man hier nie so ganz genau wissen. Bill setzt sich zu mir auf das Sofa und öffnet seinen Rucksack voller Leckereien. Er breitet seine kleinen Plastikdosen auf dem Couchtisch aus, alle sorgfältig beschriftet. Dieser Typ meinte es wirklich ernst mit dem Gras. Und er kannte sich mit seiner Ware aus.

„Du magst es doch normalerweise so mittelhigh, ohne Fressattacken, aber auch ohne das Gefühl, am liebsten in Ohnmacht zu fallen, oder? Das hier ist gerade reingekommen, von einer Farm in der Nähe, ausschließlich ökologischer und nachhaltiger Anbau, einfach großartig. Seht ihr diese lila Fasern hier?“ Wir nicken andächtig.

„Das sind Mikrofasern, die der Pflanze neben einem unglaublich vollen Geschmack auch ihren Namen geben: Purple Kush. Wirklich sehr erdig und vollmundig, vor allem als Joint gerollt, aber auch köstlich in der Wasserpfeife.“ Ganz offensichtlich kannte er seine Kundin gut.

„Wir hätten aber auch ein paar deiner anderen Favoriten auf Lager“, sagte er und zeigte auf die restlichen Dosen. „Diese Lieferung P. Louie ist besonders gut, schön dynamisches High mit einer Grapefruitnote, passt wunderbar zu einem guten Glas Rosé. AK-47 und Northern Lights #5 eignen sich für ein eher zweckmäßiges, albernes High, Sour Diesel hat einen herrlichen Apfelgeschmack. Beide machen sich hervorragend mit einem schönen Cocktail. Alles von Öko-Anbietern, und wir bewegen uns hier auch in derselben Preisklasse.“

Vollkommen baff angesichts der Auswahl und Fachkenntnis des Mannes sehe ich Half-Pint an, aber sie wirkt komplett unbeeindruckt. „Wir nehmen 15 Gramm vom ersten, Purple Kush! Du weißt halt immer, was ich mag, Bill.“
Bill holte seine tragbare Waage hervor, wog ab, und der Deal war perfekt. Noch ein bisschen Smalltalk, Bill zog weiter, und das Sofa gehörte wieder uns. Während sie redete, hatte Half-Pint geschickt und unauffällig einen Joint gedreht. Nachdem sie ein paar Mal daran gezogen hatte, reichte sie ihn mir herüber. Ich nahm einen Zug, inhalierte tief, hielt die Luft an und atmete langsam aus.

„Diese Mikrofasern schmeckt man wirklich raus … ökologischer Anbau, keine Frage!“, sagte ich und beide brachen wir in Gelächter aus, ein so unbändiges Gelächter, dass uns die Bäuche wehtaten. „So, und jetzt bestellen wir uns eine Pizza!“

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