Wagenknecht versus Göring-Eckardt - „Die Grünen sind mir sehr viel ferner geworden“

Bei Maischberger sind Katrin Göring-Eckardt von den Grünen und Sahra Wagenknecht aufeinandergetroffen. Gestritten wurde über den Ukrainekrieg und die Performance der Ampelregierung, die Wagenknecht „grottenschlecht“ nennt.

Sahra Wagenknecht und Katrin Göring-Eckardt bei Maischberger / Screenshot
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Mit Diskussionen über reine Äußerlichkeiten sollte man sich im Politikjournalismus zurückhalten. Denn ob ein Politiker gut oder weniger gut aussieht, dick oder dünn ist, ob das Jacket ordentlich anliegt oder wie ein Mehlsack am Körper schlackert, hat mit Inhalten herzlich wenig zu tun. Nun kommt, Sie ahnen es, jedoch das große Aber. Wenn Sahra Wagenknecht bei Sandra Maischberger auf Katrin Göring-Eckardt trifft und die eine bestens gekleidet ist (Wagenknecht) und die andere (Göring-Eckardt) aussieht wie eine Soziologiestudentin, die sich nach einer durchzechten Nacht nur schnell irgendwas übergeworfen hat, um sich in den Hörsaal zu schleppen, dann kann man das durchaus mal zum Thema machen. 

Denn es ist doch so: In der Politik geht es auch um Repräsentanz – und wohl niemand, also weder Sie noch ich, wäre auf die Idee gekommen, in eine Talkshow des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu gehen und dabei grau-weiße Tennissschuhe, eine Hose mit nicht näher definierbarer Farbe (irgendwie bräunlich) und eine Art Bomberjacke light in Grün zu tragen, das als Outfit, bei allem Respekt für unterschiedliche Kleidungsstile, nun wirklich nicht funktioniert. Und Göring-Eckardt ist immerhin Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Nennen Sie mich altbacken, aber ich finde, da muss man sich auch entsprechend kleiden, wenn man zu Sandra Maischberger geht. Schon deshalb, weil man wissen muss, dass Frau Wagenknecht nicht viel vom Schlabberlook hält. Ein Königreich für ein Bild von Sahra Wagenknecht in Jogginghose!

„Häufig eine ähnliche Analyse“

Lange Vorrede, ich weiß. Aber es gibt Dinge, die müssen einfach mal gesagt werden. Und damit das Ganze hier nicht zur Modekritik ausartet, kommen wir nun zu den Inhalten, über die Göring-Eckardt und Wagenknecht bei Maischberger am Montagabend diskutierten. Interessant ist, dass Göring-Eckardt und Wagenknecht derselben Generation angehören und in Zeiten des politischen Umbruchs in die Politik gegangen sind. Wagenknecht trat damals der SED bei – im Frühsommer 1989, weil sie hoffte, dass sich die DDR reformieren ließe – und Göring-Eckardt ging im Wendejahr zu den Grünen.

Vor diesem Hintergrund wollte Maischberger wissen, ob man sich trotz dieser unterschiedlichen Entscheidungen inhaltlich nähergekommen sei in den vergangenen Jahren. Und interessant war dann, dass Göring-Eckardt nicht direkt die Unterschiede der Grünen und des BSW betonte, sondern sagte, sie und Wagenknecht hätten bei der Sozialpolitik „häufig eine ähnliche Analyse“, wenn auch unterschiedliche Antworten. Wagenknecht war weniger diplomatisch, weil bereits im Streitmodus: „Die Grünen sind mir sehr viel ferner geworden, weil ich die Grünen in ihren Anfangszeiten als eine friedensorientierte Partei wahrgenommen habe.“ Im Zuge des Ukrainekrieges sei die Partei dann aber „ganz massiv“ in eine Richtung abgebogen: für Waffenlieferungen etwa. Das sei ihr „sehr fremd“. 

Relativieren und die Lage schönreden

Dies war der Auftakt zu einer kurzweiligen Diskussion. Eigentlich waren beide – Göring-Eckardt noch einen Ticken mehr – gut gelaunt. Und das wiederum war insofern überraschend, weil man als Zuschauer eigentlich erwartet hatte, dass Göring-Eckardt direkt auf Attacke setzt, wenige Monate vor den anstehenden Landtagswahlen im Osten. Schon deshalb, weil Wagenknecht sich in den vergangenen Monaten nicht gerade freundlich über die Grünen geäußert, sie sogar als gefährlichste Partei Deutschlands bezeichnet hatte.

Es dauerte allerdings nicht lange, bis die ursprünglichen Erwartungen erfüllt wurden. Auf die Frage, ob das BSW mit den Grünen in Thüringen regieren würde, damit die AfD nicht in irgendeiner Form eingebunden werden müsste, antwortete Wagenknecht, dass sich diese Frage gar nicht stelle, weil die Grünen nach aktuellen Umfragen nicht wieder ins Parlament einziehen würden. Das hat Göring-Eckardt freilich nicht gefallen. Und auch nicht, dass Wagenknecht direkt feststellte, dass die Ampel das Land „grottenschlecht“ regiere.
 

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Göring-Eckardt tat anschließend, was Göring-Eckardt sehr gut kann: Sie relativierte und redete die Lage schön. „Probleme werden groß gemacht, die die Wirklichkeit gar nicht betreffen“, sagte sie – und kritisierte etwa Diskussionen übers Gendern oder einen wie auch immer sich darstellenden Kulturkampf. Dabei, und das erwähnte sie nicht, ist gerade erst das umstrittene Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet worden, und die Grünen haben angesichts des Gender-Verbots in Bayern ordentlich Tohuwabohu gemacht. Ergo: Jene Debatten, die sie meint, und die zugegebenermaßen zu oft zu hitzig geführt werden, sind Debatten, die durch das Agieren insbesondere der Grünen überhaupt erst entstanden sind. 

Anders formuliert: Wokeness und Cancel Culture sind keine Erfindungen der „Rechten“, sondern Teil des politischen Werkzeugkastens auch der Grünen. Das Gendern wird deshalb so aufgeregt diskutiert, weil es nichts anderes ist als ein Sprachcode eines Juste Milieus, das von sich meint, alles besser zu wissen. Und der Kulturkampf tobt unter anderem auch deshalb, weil ausgerechnet jene Protagonisten, die sich beim Klima gerne auf „die Wissenschaft“ berufen – was für sich genommen schon Unsinn ist –, beim Geschlecht wiederum der Meinung sind, dieses sei nur ein Gefühl und habe mit Biologie nichts zu tun. Lustig auch: Göring-Eckardt glaubt, und sagte das auch, die Grünen seien besonders selbstkritisch. Keine Pointe. 

Über eine Billion Euro

Wie dem auch sei, denn Wagenknecht analysierte richtig: Der Atomausstieg war falsch, die Stromkosten sind zwar zuletzt leicht zurückgegangen, aber immer noch zu hoch, und Lebensmittel sind sehr viel teurer geworden. Wir haben in der Industrie massive Probleme, weshalb Deutschland als Industriestandort auf dem absteigenden Ast ist. Und überhaupt liegt derzeit einiges im Argen, wozu auch gehört, dass Göring-Eckardt bei Maischberger schon wieder behauptete, dass „Sonne und Wind keine Rechnung schicken“, als würden Windturbinen keine fortlaufenden Kosten verursachen und Solarpanele sowieso auf Bäumen wachsen. Das Handelsblatt Research Institute kam jüngst übrigens zu der Einschätzung, dass uns die bis 2045 forcierte Klimaneutralität über eine Billion Euro kosten dürfte. 

„Wir regieren noch nicht so lange“, sagte Göring-Eckardt mit Blick auf die künftige Energieversorgung und derzeitige ökonomische Probleme im Land. Heißt: Der Bürger müsse sich nur noch etwas gedulden, dann wird schon alles gut werden. „Wir können ganz sicher sein, dass wir weltweit wieder Spitze werden“, sagte Göring-Eckardt außerdem. Wie sich das verträgt mit der Analyse von außen, Deutschland werde zunehmend zum kranken Mann Europas, das dürfte ihr Geheimnis bleiben. Wagenknecht sagte: „Sie setzen auf stromintensive Technologien (…), aber Sie haben keinen Plan, wo der Strom herkommt.“ 

„Es geht um das Existenzrecht der Ukraine“

Themawechsel: Wagenknecht fordert fast seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine diplomatische Lösungen. Die Grünen wiederum gehören in weiten Teilen heute zu den größten Unterstützern von weiteren Waffenlieferungen und stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, dass die Ukraine diesen Krieg nicht verlieren darf, was das auch immer konkret heißen soll. „Es geht einerseits um das Existenzrecht der Ukraine. Es geht andererseits um unsere eigene Sicherheit“, sagte Göring-Eckardt. Es gehe darum, dass die Ukraine in eine Situation komme, in der sie auf Augenhöhe über einen „wirklich nachhaltigen Frieden mit einem Existenzrecht der Ukraine“ mit Russland verhandeln könne. 

Bei dieser Frage sind Wagenknecht und Göring-Eckardt gar nicht so weit auseinander, wie man manchmal meinen möchte. Auch Wagenknecht plädierte ganz selbstverständlich für ein Existenzrecht der Ukraine, das Teil einer Friedensverhandlung sein müsste. Für Wagenknecht allerdings ist der Punkt längst überschritten, an dem man in solche Verhandlungen hätte gehen müssen. Diplomatische Lösungen seien überfällig, findet Wagenknecht, und auch, dass man zumindest versuchen müsste, mit Putin zu verhandeln. Die Lage ist dafür noch nicht die richtige, findet Göring-Eckardt, die sagte: „Putin will nicht verhandeln.“  

Die Positionen sind längst bekannt

Der Erkenntnisgewinn hielt sich bei der Debatte über den Ukrainekrieg also in Grenzen. Die Positionen sind längst bekannt. Seltsam ist dennoch, dass diese Positionen stets derart behandelt werden, als wären sie gegensätzlich. Dabei hatte Göring-Eckard schon Recht, als sie darauf hinwies, dass man im warmen Studio wohl kaum über die Zukunft der Ukraine verhandeln sollte und dass die Ukraine auf Augenhöhe verhandeln muss. Wagenknecht hat aber eben auch Recht, wenn sie darauf hinweist, dass dieser Krieg allein durch immer mehr Waffenlieferungen sicherlich nicht beendet werden wird.
    

Klaus-Rüdiger Mai im Gespräch mit Ben Krischke
Cicero Podcast Gesellschaft: „Sahra Wagenknechts Denken hat viel mit Hegels Philosophie zu tun“     
  

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