Verfeinerte Alltagsküche - Suppengrün: Der verkannte Alleskönner

Unser Genusskolumnist Rainer Balcerowiak verwendet für seine Speisen regelmäßig Suppengrün. Dabei hat er gelernt, dass sich mit der gesunden Allzweckwaffe viel mehr Variationen zaubern lassen als anfangs gedacht.

Darf in keiner guten Küche fehlen: das Suppengrün / picture alliance
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Fast jeder kennt es und hat es auch schon des Öfteren verwendet. Zumeist findet man Suppengrün achtlos am Rand von Gemüseauslagen in Supermärkten platziert, in Form von mit einem Gummi zusammengehaltenen Gemüsestücken, die manchmal auch nicht mehr richtig frisch aussehen.

Erfunden wurde das Suppengrün angeblich in den heute zu Wien gehörenden Umlandgemeinden Unterlaa und Oberlaa. Behaupten jedenfalls die Österreicher. Dabei entstand sogar die Berufsbezeichnung „Grünzeugbinder“. Die Idee war bestechend einfach. Man nimmt einige geschmacklich sehr verschiedene, sich aber sehr gut ergänzende Gemüsesorten und bindet sie für den Verkauf portionsgerecht zusammen. Natürlich gab und gibt es immer wieder Variationen, aber die gängige Mischung besteht aus Möhren, Lauch (Porree), Knollensellerie, Petersilienwurzel und Petersilie. Für die Kunden war und ist das enorm praktisch, denn wer braucht für die gängigen Zubereitungsarten schon eine ganze Stange Porree oder eine ganze Sellerieknolle.  

Zum Geschmacksverstärker degradiert

Traditionell wird Suppengrün vor allem benutzt, um Brühen, Suppen und Soßen Geschmack zu geben, besonders auch bei Schmorgerichten. Unverzichtbar ist es z.B. für die Zubereitung eines der österreichischen Nationalgerichte, den Tafelspitz. Dabei bleibt es nur in vollkommen zerkochter Form übrig und wird bei einigen Rezepten dann durch ein Sieb entfernt, wenn es seine Schuldigkeit getan hat. Bei einigen traditionellen Suppen, etwa mit Rindfleisch und Brühnudeln, wird es erst später als Einlage hinzugefügt, doch auch dabei bleibt das Gemüse nicht bissfest und hat viel von seinem Eigengeschmack verloren.

Aber hat das Suppengrün diese Degradierung und Reduzierung zu einem natürlichen Geschmacksverstärker verdient? Immerhin ist es eine aromatisch hochinteressante Kombination, mit verschiedenen bitteren, süßen und salzigen Nuancen. Und daher sollte man dem fleißigen Küchenhelferlein durchaus auch mal die eine oder andere Hauptrolle zugestehen. Auf die paar Stängel Petersilie kann man dabei allerdings meistens verzichten

Suppengrün für Saft oder Rohkostsalat

Beginnen wir mit einem Saft. Alles gut schälen und klein schneiden, beim Sellerie auch die braunen Stellen entfernen. Dann einfach durch den Entsafter gegeben, mit etwas Zitronensaft und Salz abschmecken, und schon einen wohlschmeckenden Muntermacher im Glas. Nun soll es ja Menschen geben, die – für mich kaum nachvollziehbar – über keinen Entsafter verfügen. Macht nix: Man kann das Gemüse mit etwas Wasser in einem Standmixer oder notfalls mit einem Pürierstab grob verflüssigen und dann durch ein feines Sieb ins Glas geben. Ist nicht ganz so gut wie mit dem Entsafter, aber immer noch sehr schmackhaft.

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Wer es mit frischen Gemüsesäften nicht so hat, sollte es mal mit einen Rohkostsalat auf Suppengrün-Basis versuchen. Sellerie, Möhren und Petersilienwurzeln werden dafür fein geraspelt, Lauch in ganz feine Ringe geschnitten. Auch die Petersilie kann sich – anders als beim Saft – diesmal fein gehackt nützlich machen. Vermengt wird dies alles mit etwas Sonnenblumen- oder Rapsöl, Weinessig (vorzugsweise Condimento, wegen der Süße) , Salz, schwarzem Pfeffer und etwas Honig. Denkbar ist auch noch ein wenig Kräutersenf. Durchrühren, etwas ziehen lassen und genießen.

Sämige Suppe und feines Ofengemüse

Doch auch, wenn das Suppengrün bereits als Schmorgemüse zerkocht wurde, ist es viel zu schade für die Tonne. Einfach mit dem Pürierstab zu einer sämigen Suppe verarbeiten, die man gerne noch ein wenig würzen kann, etwa mit Thymian. Als Einlage bieten sich z.B. kleine Hackfleischbällchen an.

Nichts spricht ferner gegen eine richtig feine Zubereitung von Suppengrün als Ofengemüse. Dazu das geputzte Gemüse längs Vierteln und eventuell dann noch quer halbieren. Nur der Sellerie wird in kleine, dünne Scheiben geschnitten.   Das Gemüse vermischt man dann mit einer Würzmischung aus Öl, Honig, Salz, Knoblauch und Chili, lässt es ein wenig ziehen und verteilt das dann auf ein mit Backpapier ausgelegtes Back. Das kommt dann für 20 Minuten auf der mittleren Schiene in den auf 200 Grad vorgeheizten Ofen. Und schon hat man eine großartige Beilage zu vielen Gerichten.

Dämpfen erhält den Eigengeschmack

Wer den Eigengeschmack der Suppengrün-Bestandteile besonders hervorheben will, kann auf eine besonders aromaschonende Methode zurückgreifen. Putzen, in Scheiben bzw. Würfel (Sellerie) schneiden und im Dampfgarer bzw. einem entsprechenden Einsatz (mit einem Metallsieb geht es auch) bissfest garen. Ohne Gewürze, nur mit Wasserdampf. Dann in einer beschichteten Pfanne mit etwas Öl erhitzen, salzen, pfeffern und noch einen Löffel Creme fraiche unterrühren. Oder – etwas mediterraner – geraspelten Feta-Käse.

Viel mehr fällt mir jetzt nicht ein, aber der Experimentierfreude sind natürlich kaum Grenzen gesetzt. Denn es wird höchste Zeit, dem arg stiefmütterlich behandelten Suppengrün seinen angemessenen Platz in der kulinarischen Welt zu verschaffen.
 

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