Tino Chrupalla bei Caren Miosga - „Ich diene zuerst dem Land, dann meiner Partei“

Am Sonntagabend hat Caren Miosga mit AfD-Co-Chef Tino Chrupalla diskutiert. Es war eine Sendung, die von Miosga über weite Strecken angenehm sachlich geführt wurde. Doch dann kam Joe Kaeser – und hatte jede Menge pastoralen Impetus dabei.

Tino Chrupalla bei Caren Miosga / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

So erreichen Sie Ben Krischke:

Anzeige

Die gute Nachricht vorweg: Es ist offenkundig möglich, auch mit der AfD respektive mit Vertretern der AfD eine höfliche Diskussion und ein sachliches Interview zu führen. Das ist Caren Miosga am Sonntagabend gelungen, als AfD-Co-Chef Tino Chrupalla zu Gast war im Ersten. Das Gespräch reiht sich ein in eine quasi Gesprächsreihe, die dieser Tage mit der AfD geführt wird. 

Los ging es vor gut zwei Wochen mit dem TV-Duell Björn Höcke gegen Mario Voigt (CDU) bei Welt; der Journalist und YouTuber Tilo Jung hat dann vor wenigen Tagen mit dem Europakandidaten der Partei, Maximilian Krah, gesprochen. Sehr lange übrigens, dazu demnächst mehr. Weltwoche-Chefredakteur Roger Köppel hat ebenfalls ein Gespräch mit Björn Höcke geführt. Und nun hat auch Miosga zum Gespräch geladen. In diesem Fall eben Tino Chrupalla, der neben Alice Weidel an der Spitze der AfD steht. 

„Bisher gehen wir von der Unschuld aus“

Zum Start wurde bei Miosga kurz über den Fall Petr Bystron und Maximilian Krah gesprochen. Die AfD-Politiker sind im Zusammenhang mit einer prorussischen Desinformationskampagne in den Blick geraten. Ihnen wird vorgeworfen, in prorussische Propagandakanäle verwickelt zu sein und in diesem Zusammenhang Geld angenommen zu haben. Beide bestreiten dies vehement. Chrupalla drang bei Miosga darauf, dass „diese Vorwürfe ausgeräumt werden. Und ich würde mich freuen, wenn sie so schnell wie möglich ausgeräumt werden“, so Chrupalla. Der AfD-Bundesvorstand will sich am Montagabend erneut mit dem Thema befassen. Dabei sollen auch Bystron und Krah noch einmal gehört werden. „Bisher gehen wir von der Unschuld aus“, so Chrupalla. 
 

Das könnte Sie auch interessieren:


Anschließend blieb Miosga ihrem Sendungskonzept treu, indem sie zwischen persönlichen Fragen und Sachfragen variierte. Etwa, ob es Chrupalla störe, dass er in der medialen Darstellung der „geerdete Handwerksmeister“ sei, während bei Alice Weidel stets deren akademischer Lebenslauf betont werde. Nach eigenen Angaben stört das Chrupalla nicht. Wieso auch? Gleichzeitig räumte Chrupalla gleich zwei Fehlinformation aus der Welt. Sein Vater sei, so Chrupalla, anders als bei Wikipedia notiert, kein Malermeister wie er, sondern habe über 40 Jahre in einer Eisengießerei als CNC-Mechaniker gearbeitet („Von der Lehre an bis zur Rente“). Und auch unter seinen Söhnen gebe es, anders als behauptet, keinen Malermeister. Dann hätten wir das am Sonntagabend im Ersten auch endlich geklärt. Chrupalla sagte außerdem, dass er sich stets freue, „wenn er aus Berlin, aus dieser Betoneinöde ins Grüne“, nach Sachsen, wo er herkommt, fahren könne. 

„Ich diene zuerst dem Land Deutschland“

Es sind diese kleinen, diese menschelnden Informationen, zu denen es im Umgang mit der AfD in den vergangenen Jahren – irgendwo zwischen tiefsitzender Antipathie und dem Drang, die Partei zu „stellen“ – eher selten gekommen ist. Derlei kann man banal finden, dem Ernst der Lage in der Bundesrepublik auch mit Blick auf die AfD unangemessen. Aber vielleicht, ganz vielleicht helfen persönliche Fragen ja auch dabei, das Schreckgespenst AfD etwas weniger schrecklich zu machen, was wiederum zu einem stärkeren inhaltlichen Austausch führen dürfte. Schlimm finden kann man die AfD ja trotzdem. Schnell wieder verschwinden wird sie dennoch nicht. 

Träumt Chrupalla derweil von einem AfD-Ministerpräsidenten? Das wollte Miosga weiter wissen, schließlich würde Stand heute keine Partei – abgesehen von der Werteunion von Hans-Georg Maaßen vielleicht, die bisher aber noch keine Rolle spielt in der deutschen Parteienlandschaft – mit der AfD koalieren. „Ich denke, auch Jörg Urban (AfD-Spitzenkandidat in Sachsen; Anm. d. Red.) wäre ein guter Ministerpräsident. Das sind für mich nicht die Prämissen. Ich diene zuerst dem Land Deutschland, dann meiner Partei, dann geht es um meine Person“, so Chrupalla zur Frage, ob er sich denn vorstellen könnte, irgendwann Ministerpräsident zu sein. 

„Tonnen von Make-Up wegen ihres geringen Selbstbewusstseins“

Konfrontiert wurde Chrupalla anschließend mit einer „sehr überspitzten Form“ (Chrupalla) eines Plakates der sächsischen AfD, das sich über die „moderne ,befreite‘ Frau“ lustig machte – eine Karikatur mit Merkmalen wie „Tonnen von Make-Up wegen ihres geringen Selbstbewusstseins“ und „schlechter Lebenswandel, ungepflegt“ wurde dafür der „traditionellen Frau“ gegenübergestellt, die unter anderem ihre Familie liebe und die „Erziehung und Bildung der Kinder für ihre erste Pflicht“ halte. 

Ist ein solches Plakat frauenverachtend? „Es ist wirklich Geschmackssache, aber es ist nicht mein Geschmack, sage ich ganz ehrlich“, reagierte Chrupalla. Er lasse aber jedem offen, das selbst zu bewerten. An dieser Stelle kam dann kurz die Befürchtung beim objektiven Zuschauer auf, dass das Gespräch abdriften könnte ins alte Konfrontationsschema, wonach AfD-Politiker weniger nach ihren eigenen Ansichten befragt, sondern mit den Ansichten anderer im Dunstkreis der Partei konfrontiert werden. 

„Das ist keine Programmatik der Partei, dieses Buch“

Das setzte sich zunächst auch fort mit einem Zitat des EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah, das sich in dessen Buch findet: „Der durchschnittliche Intelligenzquotient von Frauen ist dem der Männer nahe, wenngleich anders verteilt.“ Daraus schließt Krah, dass Frauen von Natur aus weniger als Nobelpreisträger, Mathematikprofessoren oder DAX-Vorstände geeignet seien. Das ist natürlich Blödsinn. Tatsächlich ist es aber übrigens so, dass sich Männer beim IQ stärker auf die Ränder verteilen, es also zwar mehr Männer mit einem hohen IQ gibt, aber auch mehr Männer mit einem geringeren IQ als Frauen. Das habe ich hier gelernt

Chrupalla lächelte schließlich – und moderierte das Ganze gekonnt ab. „Ich weiß ja auch nicht, ob er das Buch selbst geschrieben hat. Auch das müsste man mal fragen.“ Selbstredend war das ein Verweis auf Annalena Baerbocks Buch-Skandal von vor der vergangenen Bundestagswahl – und es geschah, was im öffentlichen Rundfunk selten geschieht, wenn ein AfD-Politiker einen guten Witz macht: Das Publikum lachte. „Die Fragen zu den Inhalten dieses Buches muss er schon selbst beantworten. Das ist nicht meine Aufgabe als Parteivorsitzender“, so Chrupalla. Und weiter: „Das ist keine Programmatik der Partei, dieses Buch.“ 

„Es ist völlig offen, wie das alles gegenfinanziert werden soll“

Anschließend ging es dann wieder um Sachfragen, konkret um die Wirtschaftspolitik der AfD, wie sie in den Parteiprogrammen steht. In einem Einspieler zerpflückten zunächst eine Wirtschaftsjournalistin und zwei Ökonomen das Parteiprogramm. Etwa dahingehend, dass es eine schlechte Idee sei, aus der EU respektive aus dem Euro auszutreten. Kritik gab es darin auch unter anderem an der Steuer- und Finanzpolitik der AfD, welche die Vermögenssteuer und die Erbschaftssteuer abschaffen möchte. Das könne man machen, heißt es im Einspieler, aber dann könne man nicht gleichzeitig für sich in Anspruch nehmen, die kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten. Und so weiter. 

Danach wurde das Gespräch zur Runde ausgeweitet, wofür Nadine Lindner, Journalistin des Deutschlandfunks, sowie Joe Kaeser, heute im Aufsichtsrat von Siemens Energy und Daimler Truck, hinzukamen. Der Fachkräftemangel sei ein generelles Thema in der deutschen Wirtschaft, so Kaeser, zur „Erfolgsformel“ gehöre aber auch der Export (wohl ein Hinweis auf die Wichtigkeit der EU nach Kaeser). „Was Fachkräfte angeht, hat man uns seit 2015 erzählt, es kämen Fachkräfte. Aber es waren wenig Fachkräfte dabei“, sagte Chrupalla. Und das stimmt sicherlich. 

Chrupalla spricht von einer „aktivierenden Familienpolitik“

Lindner hob erstmal auf die diversen prominenten AfD-Parteiaustritte der vergangenen Jahre ab. Dafür hatte sie sich einen ganzen Stapel Papier mitgebracht, wohl, um alles, was ihr mit Blick auf die AfD wichtig war, auch loszuwerden. Kann man so machen, führte aber erwartungsgemäß dazu, dass plötzlich gleich mehrere Themen durcheinandergeworfen wurden. Da wird eine inhaltliche Diskussion eher schwierig. Der Grundvorwurf: Die AfD orientiere sich weniger an „praktischen Lösungen“, sondern drifte mehr und mehr ab in die „ideologische Ecke“. Dabei guckte Lindner konsequent, als hätte sie gerade den letzten Zug nach Hause verpasst. 

Chrupalla betonte anschließend, er sei nicht gegen Einwanderung per se, sondern für die Zuwanderung von Fachkräften, die der deutschen Sprache mächtig seien oder mindestens fähig, die Sprache schnell zu lernen. Kaeser widersprach. Die deutsche Sprache sei hier weniger wichtig, weil Englisch heute oft die Hauptsprache in Unternehmen sei. Wahrscheinlich ist an beidem was dran, weil Integration einerseits freilich mehr meint als sich nur auf der Arbeit verständigen zu können, aber es andererseits schon richtig sein dürfte, dass man in Deutschland mit Englisch auch ganz gut durchkommt. 

Nahtloser Übergang zur Familienpolitik: Diese sieht Chrupalla nämlich als eine von „drei Säulen“ gegen den Fachkräftemangel. Er spricht von einer „aktivierenden Familienpolitik“. Im Anschluss wurde es dann etwas seltsam in der Diskussion, ausgelöst durch Kaeser, weil der plötzlich so tat, als hätte Chrupalla davor gar nicht über Fachkräftezuwanderung gesprochen, sondern nur darüber, dass Frauen mehr Kinder bekommen müssten. Das war offensichtlich Unsinn, aber sei’s drum. 

Klassische Standpauke für die AfD

Denn unterm Strich war das eine sehenswerte Sendung von Caren Miosga am Sonntagabend. Ungeachtet dessen, dass sie gegen Ende hin wieder etwas kippte, weg vom Inhaltlichen hin zur klassischen Standpauke für die AfD, für die sowohl Kaeser als auch Lindner alle möglichen Vorwürfe aneinanderreihten, die so zahlreich waren, dass Chrupalla im Detail gar nicht reagieren konnte. Kaeser mit pastoralem Impetus, Lindner leicht überdreht, wie sich das im Umgang mit der AfD als Journalistin, die sich selbst als progressiv betrachtet, wohl gehört. Sie hätte sich auch ein Beispiel an Caren Miosga nehmen können, die vorgemacht hat, wie man es richtig macht.  

Anzeige