Stefan Weber - Spreebrücke über den Bosporus

In einer Zeit der kulturellen Verunsicherung verantwortet Stefan Weber den Umbau des Museums für Islamische Kunst in Berlin. Es soll das beste seiner Art werden – weltweit.

Stefan Weber / Chedly Ben Ibrahim für Cicero
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Autoreninfo

Clemens Traub ist Buchautor und Cicero-Volontär. Zuletzt erschien sein Buch „Future for Fridays?“ im Quadriga-Verlag.

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Die Erinnerungen sind bei Stefan Weber auch mehr als 30 Jahre später kaum verblasst: daran, wie er per Anhalter immer weiter gen Bosporus fuhr. All das bunte Treiben auf den Basaren der Stadt, als er endlich angekommen war. All die intensiven Düfte und Farben, die der junge Mann aus dem Rheinland zuvor nicht kannte. Die Hagia Sophia versetzte ihn in großes Staunen. „Wegen der Leichtigkeit des Raumes, des virtuosen Spieles des Lichtes“, sagt Weber. Es war diese Reise nach Istanbul, die seine Leidenschaft für die islamische Kunst entfachte. So sehr, dass er ihr sein Leben widmen wollte.

Im Jahr 1996 machte er seinen Abschluss in den Fächern Islamwissenschaft und Orientalische Kunstgeschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Seine Dissertation trägt den Titel „Zeugnisse kulturellen Wandels; Stadt, Architektur und Gesellschaft des spätosmanischen Damaskus im Umbruch (1808–1908)“. Die späteren akademischen Stationen führten ihn nach Damaskus, Beirut, London und Berlin. Er spricht fließend Arabisch, Farsi und Türkisch. Kein Ort war dem Kulturhistoriker in seiner Laufbahn zu fern, keine Sprache zu schwer, um seine Faszination für die islamische Welt ausleben zu können. 2009 schließlich der Ritterschlag: Er wurde zum Direktor des Museums für Islamische Kunst in Berlin ernannt.

 

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Es war eine Ernennung in Zeiten des bevorstehenden Umbruchs. Denn das Museum für Islamische Kunst wird derzeit im Rahmen des „Masterplans Museumsinsel“ rundum erneuert und künftig in den Nordflügel des Pergamonmuseums einziehen. Die Umbauarbeiten dauern bis Frühjahr 2027 an. Der Grund: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz fürchtet um die Sicherheit der Exponate. Ein maroder Zustand und eine jahrzehntelang vernachlässigte Instandsetzung machen die Sanierungsarbeiten alternativlos. Der an der Spree gelegene südliche Gebäudeteil mit seinem berühmten Pergamonaltar soll sogar erst in 14 Jahren wiedereröffnen. Mehr als 1,2 Milliarden Euro wird das den deutschen Steuerzahler kosten.

Für die einen ist das viel Geld, für Weber ist es eine einmalige Lebenschance, von der viele Kulturhistoriker träumen. „Die Freiheit, ein Museum neu konzeptionieren zu dürfen, ist etwas ganz Besonderes“, sagt er. Anders formuliert: Weber kann ein Museum neu erfinden. Es sind nicht nur die großen Linien, die ihm den Schlaf rauben, mitunter ist es auch die Farbauswahl der Teppiche. Bis zu 80 Stunden arbeite er in normalen Wochen mit seinem Team. Die bürokratischen Hürden seien teilweise nervtötend, die Gestaltungsfreiheit des staatlichen Museums aber ein Segen, findet er.

Museumslandschaft der Sinne

Weber kommt aus dem Schwärmen kaum heraus, wenn er über die Pläne des neuen Museums für Islamische Kunst spricht. Die Anzahl der gezeigten Objekte wird sich verdreifachen, die Ausstellungsfläche verdoppeln. Damit wird es außerhalb der islamischen Welt künftig nicht nur das älteste Museum sein, sondern auch das größte. Weber ist überzeugt: nein, nicht nur das größte, sondern auch das beste.

Weg von verstaubten Informationskacheln soll der Weg führen, hin zu einer Museumslandschaft der Sinne. Dafür sollen die Mschatta-Fassade, das Aleppo-Zimmer und die Alhambra-Kuppel mit innovativen Raumgestaltungen und Lichtinstallationen ganz neu erfahren werden. Im Garten von Isfahan soll der Besucher die Ausstellungsobjekte inmitten angelegter Pavillons und Vogelgezwitscher dann lebensnah erleben können. Geht es nach Weber, kann er so seinen inspirierenden Istanbul-Moment von damals mit einem großen Publikum teilen. Weber sagt: „Den Besuchern soll ein Konzert der sinnlichen Erfahrungen geboten werden, das sie lange in und mit sich tragen.“

Brücken bauen und Ängste nehmen

Brücken zu bauen und Ängste zu nehmen, darin sieht Weber, sagt er, die zentrale gesellschaftliche Verantwortung seines Museums. Denn kaum war die Berliner Mauer gefallen und der Kommunismus besiegt, da hatte der Westen in Gestalt des Islamismus schon sein neues Feindbild. Bilder dröhnender Bekennervideos und bärtiger Dschihadisten haben sich längst in unsere Köpfe gefressen. Sein Museum, findet Weber, kann in diesem Zusammenhang als entschiedenes Entgegentreten verstanden werden. „Denn nein, es gibt ihn nicht, den Homo islamicus“, sagt Weber.

Seit mehr als zehn Jahren fiebert er bereits dem großen Tag der Eröffnung des neu gestalteten Museums entgegen. Doch was, wenn die Besucher das neue Konzept nicht annehmen? „Entweder werde ich 2027 der glücklichste Mensch der Welt sein oder meinen Beruf an den Nagel hängen und eine Dönerbude in Berlin aufmachen“, sagt er und lacht. Rheinischer Humor und islamische Kunst: Das könnte funktionieren.

 

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