Öffentlich-rechtlicher Rundfunk - Mitarbeiter fordern Kehrtwende

Journalisten von ARD, ZDF und Deutschlandradio beklagen den Zustand im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In einem heute veröffentlichten Manifest scheinen sie einer lange angestauten Frustration Luft zu machen.

Sind die Tage des alten ÖRR gezählt? / dpa
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Es geht um Demokratie, wieder einmal: „Die Stabilität unserer Demokratie erfordert einen transparent geführten neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk als offenen Debattenraum. Zu dessen Eckpfeilern gehört die Unabhängigkeit der Berichterstattung, die Abbildung von Meinungsvielfalt sowie die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern.“ Es sind Forderungen, die am heutigen Mittwoch als Teil des sogenannten „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“ veröffentlicht wurden. Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio sowie zahlreiche Prominente aus Wissenschaft und Kultur fordern darin einen erweiterten Debattenraum für den seit langem in der Kritik stehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Dabei halten die Unterzeichner an der Verfasstheit des ÖRR durchaus fest: „Wir sind von seinen im Medienstaatsvertrag festgelegten Grundsätzen und dem Programmauftrag überzeugt. Beides aber sehen wir in Gefahr. Das Vertrauen der Menschen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nimmt immer stärker ab. Zweifel an der Ausgewogenheit des Programms wachsen. Die zunehmende Diskrepanz zwischen Programmauftrag und Umsetzung nehmen wir seit vielen Jahren wahr.“ Aus dieser diagnostizierten Schieflage ergeben sich für die Unterzeichner Handlungsimpulse, die nicht allein schon bei der Erweiterung des Debattenraums, der Darstellung konträrer Positionen oder der Aufrechterhaltung einer „inneren Pressefreiheit“ enden. Was es brauche, seien transparente Finanzflüsse sowie eine Kontrolle der Politik durch den ÖRR und nicht umgekehrt.

 

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Die Analyse, die die Initiatoren vorlegen, ist in Teilen erschreckend: Innere Pressefreiheit etwa, so heißt es in dem Papier, existiere derzeit nicht in den Redaktionen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Und weiter: „Die Redakteure in den öffentlich-rechtlichen Medien sind zwar formal unabhängig, meist gibt es auch Redaktionsausschüsse, die über die journalistische Unabhängigkeit wachen sollten. In der Praxis aber orientieren sich die öffentlich-rechtlichen Medien am Meinungsspektrum der politisch-parlamentarischen Mehrheit. Anderslautende Stimmen aus der Zivilgesellschaft schaffen es nur selten in den Debattenraum.“ Weiterhin erschwerten auch äußere Einflussnahmen durch Politik, Wirtschaft und Lobbygruppen einen unabhängigen Qualitätsjournalismus.

Es ist das erste Mal, dass die Kritik an der Rundfunkanstalten in derart massiver Form aus dem Inneren der Sender kommt: „Wir haben dieses Manifest verfasst, damit unsere Stimme und Expertise zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im gesellschaftlichen Diskurs gehört werden“, so die Autoren. Zu den Erstunterzeichnern gehören zahlreiche prominente Stimmen aus Funk und Fernsehen, darunter etwa der Wissenschaftsjournalist Peter Welchering oder die DLF-Korrespondentin Silke Hasselmann. Aber auch prominente Schauspieler wie Henry Hübchen oder Corinna Kirchhoff haben das Manifest unterzeichnet, das im Internet unter meinungsvielfalt.jetzt abrufbar ist. Ohnehin: Transparenz scheint für die Unterzeichner wichtig zu sein. Der Blick in die Blackbox ÖRR jedenfalls lohnt sich: „Das Publikum hat einen Anspruch darauf, sich mit einem Sachverhalt auseinandersetzen und selbstständig eine Meinung bilden zu können, anstatt eine ,eingeordnete‘ Sicht präsentiert zu bekommen.“ 

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