Klimawandel und Panikmache - Das Vereinfachende, das Postfaktische, das Biblische

Der neue Chef des Weltklimarats hält nichts von Untergangsszenarien rund um den Klimawandel. Eine sehr vernünftige Einstellung. Denn eindimensionale Berichterstattung und Panik-Populismus dominieren die Klimadebatte viel zu sehr.

Brände in Griechenland / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Wir schreiben den Juli 2023. Es ist ein Samstag, und weil es draußen unsommerlich kühl ist, sitze ich mit einem dünnen Pullover auf einem Balkon im Unterallgäu. Gleich mehrfach flüchten meine Gastgeberin und ich nach drinnen, weil uns immer wieder kurze, aber dafür heftige Regenschauer vertreiben, die im 45-Grad-Winkel peitschen, weshalb uns selbst die Überdachung nichts nützt.

Es ist alpines Aprilwetter im Alpenvorland, sofern man das Unterallgäu bereits als solches bezeichnen will, und auch im Rest Deutschlands ist das mit dem Sommer derzeit so eine Sache. Das Wetter ist unbeständig, die Temperaturen teils überdurchschnittlich kühl für den Juli. Das sagt sogar die „Tagesschau“; der Klimaleugnung gänzlich unverdächtig. Und weil dem so ist, sind die Rahmenbedingungen nicht gerade optimal, um im Sommer 2023, jedenfalls in Deutschland, vor der großen Klimaapokalypse und dem drohenden Untergang der Menschheit zu warnen. 

Im religiösen Eifer

Ein Glück, mag sich da manch Aktivist denken, dass der Klimawandel ein globales Problem ist. Ein Glück, wissen jene, deren Geschäftsmodell auf Panikmache beruht, dass man folgerichtig auch ins Ausland schauen kann. Denn irgendwo auf der Welt ist, frei nach den Comedian Harmonists, immer ein kleines bisschen Unglück. Man muss es nur suchen und damit hausieren gehen, indem man die üblichen Schlagwörter nutzt, die man halt so nutzt im religiösen Eifer. Da wird der Juli 2023 auch mal schnell zum heißesten Juli seit Jahrtausenden erklärt; was eine ziemlich große Zeitspanne für eine seriöse Aussage ist. 

Aber auch die Brände in Griechenland passen da zum Beispiel perfekt ins Kommunikationskonzept. Schließlich wohnt dem Menschen eine nicht von ungefähr kommende Angst vor Feuer inne. Außerdem bieten Brände spektakuläre Bilder; als hätte sich gerade die Hölle geöffnet. Und ja, was in Griechenland zuletzt los war, ist wirklich tragisch. Das meine ich ganz im Ernst, weil das Land meine liebste Reisedestination ist.

Kleiner Exkurs: Meine Griechenlandliebe geht sogar so weit, dass ich – würde ich mich nicht dieser reaktionären Realität verpflichtet fühlen – längst beim Kreisverwaltungsreferat München vorstellig geworden wäre, um auf Basis meiner selbstgewählten ethnischen Identität meinen geografischen Hintergrund ändern zu lassen; und damit jenen Geburtsort, der mir bei der Geburt zugewiesen wurde.

Kein Wort dazu in den Berichten

Aber Spaß beiseite: Ja, die Brände in Griechenland sind dramatisch, und ja, dass es in den betroffenen Regionen besonders trocken und windig ist, hilft so einem Feuer freilich auch, sich schneller auszubreiten. Nur wird bei der Berichterstattung über diese und viele weitere Brände – und das ärgert mich dann doch – gerne ignoriert, dass sich Bäume nicht von selbst entzünden. In diesem Interview mit dem SWR sagt zum Beispiel ein Feuerökologe zum Thema: 

„In der Vegetation, im Wald, oder auch auf Offenlandflächen, wie Naturschutzgebieten oder Landwirtschaftsflächen, finden Selbstentzündungen nur dann statt – und jetzt kommen wir zur Natürlichkeit der Feuer – wenn hier ein Blitz einschlägt. Ansonsten gibt es keine Selbstentzündung.“

Das heißt, die eigentlich auch wichtige Frage – der Versicherer Ihres Vertrauens würde das wohl bestätigen –, wo eigentlich die Quellen dieser Brände waren, ob ein Blitzeinschlag die Ursache war oder wer sie absichtlich oder unabsichtlich ausgelöst haben könnte, wird irgendwie weder recherchiert noch beantwortet. Kein Wort dazu in den Berichten über die Brände in Griechenland etwa. Stattdessen: Klimawandel! Klimawandel! Klimanwandel! 

Mangelnde Nachbereitung der Ereignisse im Ahrtal

Das kennen wir schon. Vom Ahrtal nämlich. Seit der Überflutung dort werden Bilder der überschwemmten Region immer wieder aus dem Archiv geholt, wenn es in einem Beitrag um den Klimawandel geht. Auch Überschwemmungen liefern nämlich spektakuläre Bilder; als wäre die Sintflut erneut eingetreten. Auch das, was im Ahrtal los war, war von größter Tragik. Nur leider wurde bei der Nachbereitung der Ereignisse bisher ebenfalls Entscheidendes ausgespart, was man als seriöses Nachrichtenmedium und schon gar nicht als verantwortungsbewusster Politiker tun sollte.

Die Frage nach der politischen Verantwortung nämlich. Und danach, inwiefern bauliche Maßnahmen der vergangenenen Jahrzehnte ihren Anteil daran haben, dass es zu dieser Katastrophe überhaupt in dieser Dimension kommen konnte. Denn eigentlich weiß man im Ahrtal, dass es dort in regelmäßigen, wenn auch ganze Generationen aussparenden Abständen zu Überflutungen kommt. Ebenso wie man weiß, dass es in Griechenland immer mal wieder brennt. Oder, sagen wir, dass ein Vulkan auch mal ausbrechen kann. Immerhin Letzteres wird noch nicht auf den Klimawandel geschoben. Vulcanus kann da aufatmen. 

Die Folgen des Klimawandels

Das soll alles keineswegs zynisch klingen, wirklich nicht. Aber wenn die Klimakatastrophe so groß und so real ist, wie überall zu sehen und zu lesen ist, frage ich mich dennoch, warum man sich nicht noch stärker darauf konzentriert, sich den Folgen dieser Entwicklung anzupassen; Katastrophen wie im Ahrtal mit allen Facetten zu evaluieren und daraus präventive Maßnahmen für die Zukunft abzuleiten. Das heißt ja nicht, dass man nicht gleichzeitig versuchen kann, den Klimawandel irgendwie in den Griff zu kriegen.
 

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Aber angesichts seiner globalen Dimension, angesichts des möglichen Ergebnisses, dass es nicht gelingen könnte, den Klimawandel zu stoppen, wäre es schon verantwortungsethisch angebracht und auch höchste Zeit, sich zu überlegen, welche Maßnahmen zu ergreifen wären, um Menschen besser vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Und damit meine ich nicht den grotesken Hitzeschutzplan eines Karl Lauterbach, der jetzt kleine Plakate mit Hitzetipps in Altenheimen aufhängen lässt und behauptet, die Toskana werde irgendwann eine klimabedingte No-Go-Area für Touristen sein, weil man so ein Sommerloch politisch eben auch irgendwie füllen muss.

Nein, ich meine Überlegungen wie jene, die dazu geführt haben, dass Häuser in gewissen Teilen dieser Erde auf Stelzen gebaut oder Getreide derart gentechnisch modifizert wird, dass die Halme resistenter werden gegen Stürme. Ja, vielleicht sollte man, um mal etwas tiefer zu stapeln, das gute alte Einwecken wieder salonfähig machen und in Schulen unterrichten, wie man Wetterkarten liest oder Wasser filtert, um es trinkbar zu machen. Für meine Fahrradtouren, unter anderem im vergangenen Jahr durch die todbringende Toskana, habe ich mir von meinen Schwiegereltern so ein Filter-Dings schenken lassen, weil es selten Supermärkte in den kleinen Dörfern gibt, die überall in der Toskana stehen. Einfach und genial. 

Bauchladen des religiösen Eifers

Was jedenfalls nicht hilft, mehr noch, kontraproduktiv ist, ist die reine Panikmache. Denn Angst frisst bekanntlich Hirn und führt unter anderem dazu, dass Menschen eskalieren statt agieren, dass sie sich auf die Straße kleben statt, sagen wir, Ingenieurwissenschaften zu studieren, um Tolles zu erfinden, das den Klimawandel entweder bremsen oder wenigstens Menschen technologisch vor den Folgen schützen kann. Womit wir nochmal bei den Selbstdarstellern der Letzten Generation angekommen wären. 

Denn nicht nur ziehen die Aktivisten – wie dieser Tage auf der Brennerautobahn, die die primäre Route nach Italien ist – so viel Wut auf sich, dass eine Folge ist, dass die Menschen immer mehr die Schnauze voll haben von allem, was wirkliche Klimaschutzmaßnahmen sind oder, weil das ein guter Marketingstreich ist, als solche verkauft werden. Und sie behaupten auch immer wieder genügend Blödsinn, um die Panikmaschinerie am Laufen zu halten.

Ich meine, hätte Greta Thunberg mit ihrer Aussage von 2018, die Menschheit werde ausgelöscht, sollte die ganze Welt nicht bis 2023 auf fossile Brennstoffe verzichten, Recht behalten, wären wir heute quasi schon ausgestorben – oder zumindest nah dran. Stattdessen packe ich heute Abend eine Jacke ein, wenn ich einen alten Freund aus Mannheim in den Münchner Biergarten meines Vertrauens ausführen werde.  

Derlei Panikmache bringt den Aktivisten zwar permanent Aufmerksamkeit, führt aber auch dazu, dass solche Leute nicht als ernstzunehmende Warner gelten können, sondern eher als sektenähnliche Gruppierung, die nicht weniger biblische Narrative nutzt als die Bibel selbst. Das Gute gegen das Böse, der Weltuntergang, Apostel und Ketzer, Erleuchtete und Verblendete; der ganze Bauchladen des religiösen Eifers eben.

In den 90er Jahren und Anfang der 2000er Jahre haben wir uns noch über Weltuntergangspropheten wie jene der Zeugen Jehovas lustig gemacht. Heute lädt man Weltuntergangspropheten wie jene der Letzten Generation oder von Extinction Rebellion in Talkshows ein oder umarmt sie nach dem Interview, wie es die ARD-Moderatorin Negah Amiri jüngst tat. 

Verbrennungen am ganzen Körper

Schönes Beispiel vom Wochenende: Die Aktivistin Carla Hinrichs, die in einer aktuellen Doku über ihre psychischen Belastungen klagt, was nicht verwunderlich ist, wenn man jeden Morgen aufsteht mit der Angst vor dem Weltuntergang, twitterte Folgendes: „Stell dir vor deine Großmutter stützt. Sie bricht sich nichts, doch sie trägt Verbrennungen am ganzen Körper davon, weil der Boden so heiß ist wie eine Herdplatte. Realität in Arizona… #Klimakrise“ (Rechtschreibfehler im Original).

Leider hat Hinrichs zunächst einmal versäumt, den Begriff „Herdplatte“ genauer zu definieren. Gas- oder Elektroherd? Altes Ding oder hochmodern? Auch über die Hitzestufe verrrät der Tweet nichts, was unter Umständen ja nicht ganz irrelevant wäre bei der Frage, wie stark die Verbrennungen am ganzen Körper in Arizona wirklich sind, wenn irgendeine Großmutter dort umfällt. 

Heiß wie eine Herdplatte

Ich habe mal, Journalismus ist eben auch Dienstleistung, nachgeschaut: Je nach Modell ist eine Herdplatte auf Stufe 1 zwischen 130 und 150 Grad heiß. Das ist in etwa die Temperatur, bei der Teer anfangen würde, in verschiedenen Abstufungen – von hart über zähflüssig und klebrig bis dünnflüssig – seine Konsistenz zu ändern. Daraus ergeben sich mit Blick auf Hinrichs Tweet gleich zwei Probleme.

Erstens könnte man auf einem Teerboden, der heiß ist wie eine Herdplatte, wohl gar nicht mehr laufen, weshalb man freilich auch nicht mehr umfallen würde auf selbigem. Und zweitens bezweifle ich, trotz beeindruckender Temperaturen in Arizona von deutlich über 40 Grad zuletzt, dass der Boden dort tatsächlich heiß ist wie eine Herdplatte. Also der Boden, so heiß wie eine Herdplatte. Also so heiß, dass man sich direkt die Hand verbrennt, wenn man ihn nur kurz anfasst. Bei einer Herdplatte wäre aber genau das bekanntlich der Fall. Wer so einen Kokolores bierernst behauptet, disqualifiziert sich eigentlich komplett für jeden weiteren Diskurs zum Thema – hätte er oder sie nicht so viele bedingunglose Unterstützer in Politik und Medien. 

Klimwandel! Klimawandel! Klimanwandel!

Was ich sagen will, ist dies: Das Klimawandel-Thema ist richtig und wichtig, quasi unschön, aber gut. Mit Panikmache – insbesondere wenn ein Tweet, eine Botschaft, eine Behauptung nur das ist – bekommt man die Sache sicherlich nicht in den Griff. Auch nicht damit, dass man bei konkreten Ereignissen relevante Aspekte ausspart (Wer hat gezündelt?) und diese stumpf herunterreduziert auf das eine große Schlagwort „Klimawandel“: ob bei Waldbränden, Überflutungen, heißen Temperaturen oder zur Begründung energiepolitischer Maßnahmen. Klimwandel! Klimawandel! Klimanwandel!

Das ist, was mich bei dem ganzen Klimawandelthema mit Abstand am meisten stört, und mit mir wohl auch sehr viele Menschen im Land: das Populistische bis Postfaktische, mit dem wir da stets von Leuten konfrontiert werden, die von sich selbst behaupten, sie würden der Wissenschaft folgen – und dann hingehen und die CO2-Bilanz eines Elektroautos nur am Auspuff messen, während sie Kohlekraftwerke hoch- und Atomkraftwerke aus rein ideologischen Gründen runterfahren

Religiöse Eiferer auf dem Vormarsch

Es ist das Biblische, das Apokalyptische, das Irre, das sich breit gemacht hat rund um dieses Thema; das nichts beiträgt zur Lösung des Problems, sondern Menschen nur in Panik versetzt. Aktuelle Studien zur „Klimaangst“ bei Jugendlichen sprechen da eine eindeutige Sprache. Und ginge es nach mir, müsste man jene Angstmacher in Politik und Medien eigentlich zur Rechenschaft ziehen, die Kinder und Jugendliche derart in Angst versetzen vor dem drohenden Weltuntergang, dass die in Depressionen versinken oder Schlimmeres. Leider geht es da nicht nach mir. 

Dass Panikmache nichts nutzt, dass sie schädlich ist, das sehe übrigens nicht nur ich so, sondern auch der neue Chef des Weltklimarates, Jim Skea. Der Brite sagte jüngst in einem Antrittsgespräch:

„Wenn man ständig nur die Botschaft aussendet, dass wir alle dem Untergang geweiht sind, dann lähmt das die Menschen und hält sie davon ab, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um mit dem Klimawandel fertig zu werden.“

Für mich klingt das sehr vernünftig. Aber Skea ist eben nur ein renommierter Professor für nachhaltige Energie am Imperial College London in den Bereichen Energie, Klimawandel und technologische Innovation – und kein religiös aufgeladener Klimakleber; nicht Teil der Weltuntergangsmedien. Und der Blick in die Geschichte zeigt: Wo religiöse Eiferer auf dem Vormarsch sind, haben es die Realisten und Pragmatiker leider immer schwer.   


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