Nachtragshaushalt bei Anne Will - „Die Schuldenbremse verhindert die unwichtigen Ausgaben“

Nach dem verfassungswidrigen Nachtragshaushalt klafft ein 60-Milliarden-Loch. Darüber wurde bei Anne Will am Sonntag diskutiert. Ein Glück, dass wenigstens eine in der Runde darauf hingewiesen hat, dass Deutschland mehr als genug Geld zur Verfügung steht.

SPD-Chef Lars Klingbeil und FAZ-Journalistin Julia Löhr standen auf unterschiedlichen Seiten der Debatte / Screenshot
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Es gibt sie noch. Jene Journalisten, die ihren Job machen, und nicht alles glauben, was eine Bundesregierung so den lieben langen Regierungstag behauptet. Zum Beispiel, dass nach dem verfassungswidrigen Nachtragshaushalt unbedingt noch mehr Geld in die Staatskasse kommen muss. Deutschland steht – und exakt darauf wies Julia Löhr, Wirtschaftskorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Sonntag bei Anne will richtigerweise hin – mehr als genug Geld für wichtige Investitionen zur Verfügung. Theoretisch jedenfalls. 

Das liegt unter anderem daran, dass Deutschland im internationalen Vergleich mit die höchsten Steuern und Abgaben hat, obwohl die Zahl der Menschen im Land, die Steuern zahlt und nicht vom Staat bezahlt wird, bei nur ungefähr 15 Millionen liegt. Diese 15 Millionen wiederum finanzieren einen großen Teil dessen, was der Staat so ausgibt – vom Bürgergeld bis zur Rüstungshilfe für die Ukraine; von den Hunderten Millionen, die man in die eigenen Vorfeldorganisationen (alias NGOs) pumpt, bis zum zweitgrößten Bundesparlament nach dem chinesischen Volkskongress. 

Alles rechts des Marxismus

Nein, der Ampelregierung fehlt kein Geld. Sie muss die Kohle, die sie hat, nur besser zusammenhalten und den Rotstift ansetzen, wo Steuergelder unnötigerweise hinfließen. Am Besten fangen wir, wenn Sie mich fragen, bei den ganzen NGOs an, die ja nicht von ungefähr Non-Government-Organisationen heißen, und sich entsprechend auch verhalten und sich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanzieren sollten. Allein deshalb, weil ich nicht möchte, dass mit meinem Steuergeld Vereine gepampert werden, für die alles rechts des Marxismus rechtsradikal ist. 

Dieser Vorschlag kam am Sonntagabend bei Anne Will zwar nicht auf den Tisch, obwohl er zumindest ein Anfang wäre; diskutiert übers Sparen wurde trotzdem. Und zwar mit genannter FAZ-Journalistin auf der einen, Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, mal hier, mal dort, und – so verliefen ungefähr die Konfliktlinien – den restlichen drei Teilnehmern der Runde auf der anderen Seite: SPD-Chef Lars Klingbeil, Deutschlandfunk-Journalistin Ann-Kathrin Büüsker und DIW-Chef Marcel Fratzscher. Der Titel der Sendung: „Regierung in Geldnot – Wie hart trifft es Deutschland?“

Jeder hat sein Kreuz zu tragen

Dass „Geldnot“ ein ziemlich dehnbarer Begriff ist, das haben wir eingangs bereits geklärt. Wenn meine Wenigkeit in Geldnot ist, kann ich meine Lebenshaltungskosten nicht mehr finanzieren. Wenn die Ampelregierung in Geldnot ist, kann sie nicht mal eben Corona-Hilfen in Geld für den Klima- und Transformationsfonds umwandeln. So hat eben jeder sein Kreuz zu tragen. 
 

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Aber klar, die 60 Milliarden, die jetzt erstmal nicht zur Verfügung stehen, sind halt fix eingeplant. Zum Beispiel mehrere Milliarden Euro für Sachsen-Anhalt, damit sich dort eine Chip-Fabrik ansiedelt. Und an der hat Haseloff freilich größtes Interesse. Deshalb hätte er die Kohle auch gern. Und damit sind wir schon mittendrin im Teufelskreis: Kommen die 60 Milliarden nicht, muss gespart werden, und freilich will niemand, der gerne Geld vom Staat hätte, dass er nun keines bekommt. Also wo den Rotstift ansetzen? Beziehungsweise: Was tun? Den Notstand für das Jahr 2023 erklären? Danach sieht es derzeit aus. 

Klar ist, dass es infolge des weitreichenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts viel Unsicherheit gibt; in der Wirtschaft, in der Politik, in der Bevölkerung. Und klar ist auch, dass die Ampel offenkundig keinen Plan B hatte für den nun verfassungswidrigen Nachtragshaushalt, obwohl es Warnungen, dass das BVerfG entsprechend entscheiden könnte, durchaus gegeben hat. „Da muss es jetzt schnell vorangehen“, sagte SPD-Chef Klingbeil bei Will. 

„Wir müssen schnell handlungsfähig werden“

Haseloff wies erstmal darauf hin, dass er schon vor einem Jahr, im Bundestag und in einem Interview, gewarnt hatte, dass das Vorgehen der Bundesregierung, also die Umwidmung der Corona-Hilfen, problematisch sein könnte. „Wenn wir nicht schnell handlungsfähig werden, wird es problematisch für unsere Investoren“, so Haseloff weiter. Er pocht auf einen schnellen Bundeshaushalt: „Es darf nicht sein, dass aus dieser Haushaltsnotlage eine Staatskrise wird.“ Haseloff hoffte auf 10 Milliarden Euro aus dem KTF, damit sich Intel mit einer Chipfabrik bei Magdeburg ansiedelt. Entsprechende Zusagen gibt es längst. 

Derzeit sieht es wohl so aus, dass die Bundesregierung nachträglich nochmal eine Notlage für das gesamte Jahr 2023 erklären will. Dadurch könnte am Ende doch Geld freiwerden, das bereits eingeplant ist. Wobei hier betont sei, dass es sich um die Aufnahme neuer Schulden handelt. Das Geld liegt also nicht irgendwo herum und kann momentan bloß nicht abgehoben werden. Für dieses Jahr könnte das funktionieren, schließlich gab es unter anderem Anfang des Jahres eine Energiekrise sowie Zusatzausgaben für ukrainische Flüchtlinge. Unter anderem. Derlei könnte man sozusagen argumentativ dehnen zum Notstand für das gesamte Jahr 2023. 

Für 2024 und die Jahre drauf wird es dann aber komplizierter, stellt Löhr von der FAZ fest. „Wir haben im Moment keine außergewöhnliche Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht. Das ist ja die Definition, die dafür angelegt werden muss.“ Die Energiekrise: vorbei. Die Bekämpfung des Klimawandels: eine Generationenaufgabe, kein externer Schock. „Die Regierung muss versuchen, den nächsten Haushalt ohne diese Klausel wieder glatt zu ziehen.“

„Die Bundesregierung muss sich entscheiden“

„Das, was das Bundesverfassungsgericht offenbart, ist, dass die Politik sich ehrlich machen muss. (...) Der Staat hat in den letzten Krisen viel Geld verteilt“, sagt DWI-Chef Fratzscher. Er glaubt an eine pragmatische Lösung für 2024, sagt aber auch: „Die Bundesregierung muss sich entscheiden, wo sie Prioritäten setzen will.“ Aus ökonomischer Sicht sei es dringend notwendig, dass man jetzt eine klare Ansage mache, wie man sich den Weg bei der Transformation in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren vorstelle. Das Prinzip, alle irgendwie glücklich zu machen, ginge nun nicht mehr.

„Wenn wir nicht investieren, (...) dann wird dieses Land einen enorm wirtschaftlichen Schaden nehmen“, so Klingbeil. Daher müsse man auch über die Reform der Schuldenbremse nachdenken. Kluger Einspruch von Löhr von der FAZ: „Es ist eine Mär, dass im Moment kein Geld mehr zum Investieren da ist.“ 60 Milliarden fallen aus dem Klima- und Transformationsfonds heraus, so Löhr, allerdings stünden immer noch 150 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre aus dem Sondertopf zur Verfügung. 

„Im Vergleich zu unserer Größe machen wir jetzt schon so viel mehr, auch ohne diese 60 Milliarden“, so Löhr. Doch der kluge Einspruch von Löhr, er nutzt nichts. Was folgt, ist erstmal eine Phrasendrescherei von Klingbeil, der lieber warnt statt spart. Löhr kontert: „Ich bin ein großer Fan der Schuldenbremse, denn sie ist das Instrument für uns Steuerzahler, das darauf achtet, dass Sie (an Klingbeil) in der Politik unser Steuergeld nicht für unnütze Sachen ausgeben. Sie verhindert nicht die wichtigen Ausgaben, sie verhindert die unwichtigen.“

Scheitern auf den ersten Metern

Wo ließe sich also sinnvoll sparen? Bei „klimaschädlichen Subventionen“, findet Büüsker, auch bei Investitionen in die Autobahnen. Beim Bürgergeld, finden Löhr und Haseloff, die freilich nicht meinen – so wurde in der Sendung dann von Klingbeil prompt getan – dass nun bei den Ärmsten der Armen zu sparen wäre, sondern man unter anderem darüber nachdenken sollte, ob es sinnvoll ist, dass Ukrainer direkt ins Bürgergeld kommen. Es könne nicht sein, so Haseloff, dass Deutschland eine Art „weltweites Grundeinkommen“ biete für jeden, der da komme. Für die ukrainischen Flüchtlinge sofort, für andere nach einer Frist. Sparpotenzial gibt es demnach genug. Auch, wenn auf die NGOs am Sonntag niemand gekommen ist. Macht nichts. Die Debatte übers Sparen wird so schnell ohnehin nicht enden. Hoffentlich. 

 

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