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Liebe in TV-Serien - Hauptsache monogam und institutionalisiert

Welche Rolle die Liebe in TV-Serien spielt, erzählt Tanja Weber vom Institut für Medienkultur und Theater an der Universität Köln

Autoreninfo

Vinzenz Greiner hat Slawistik und Politikwissenschaften in Passau und Bratislava studiert und danach bei Cicero volontiert. 2013 ist sein Buch „Politische Kultur: Tschechien und Slowakei im Vergleich“ im Münchener AVM-Verlag erschienen.

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Dr. Tanja Weber forscht unter anderem zu Fernsehen und Serealiät in kulturell vergleichender, historischer und medienübergreifender Perspektive. Sie hat zahlreiche wissenschaftliche Beiträge zu Fernsehserien veröffentlicht.

Das große Thema der Literatur ist Liebe. Wenn man nun sagt, dass Serien die Bücher von heute sind, muss man fragen: Welche Rolle spielt Liebe in gegenwärtigen Fernsehserien?
Liebe spielt zu allen Zeiten in Serien wie in allen Texten eine große Rolle. Es ist ein Bedürfnis der Menschen, Liebe zu erleben.

In „Breaking Bad“ fängt die Hauptperson Walter White an, Crystal Meth zu kochen – aus Liebe zu seiner Familie. Ist Liebe immer noch das Momentum, das alles in Gang setzt?
Bei Breaking Bad ist das ein unterschwelliges Grundkonzept, das Handlungen rechtfertigt. „Forsthaus Falkenau“ oder „Um Himmels Willen“ machen auch nichts anderes. Liebe kann ein Motor für Handlungen sein und vieles rechtfertigen.

Liebe wird zum Vehikel für andere Handlungen?
Liebe kann, dramaturgisch betrachtet, eine Handlung anders und überraschend machen. Denken Sie mal an „24“, wo alles auf einen Anschlag hinläuft, und sich doch Nebenhandlungen um die Tochter oder die Frau der Hauptperson Jack Bauer drehen. Auch der gefühllose „Dexter“ macht plötzlich etwas aus Liebe zu seiner Schwester. Aber auch bei „CSI“ haben sie die Beziehungen zwischen Personen, obwohl es in dem Format ja eigentlich nicht um Liebe geht. Es haben sich mit den Soap Operas aber auch eigene Formate für Liebe und Leid herausgebildet.

Es gibt ganze Serien, die um dieses Thema gestrickt werden. „How I Met Your Mother“ zum Beispiel handelt vom langen Weg des Ted Mosby zur Frau seiner Kinder, denen er die Geschichte erzählt. Was soll mir da als Zuschauer vermittelt werden?
Dramaturgisch gesehen ist das interessant. Man setzt etwas voraus, was passieren wird, was aber bis in die neunte Staffel immer noch nicht eingetroffen ist. Das hat was von „Columbo“-Fällen. Damit kann man immer weiter fortgesetzt erzählen, man zeigt aber: das wird ein Ende haben und dieses Ende wird gut sein, denn jeder Topf wird sein Deckelchen gefunden haben. Das ist ein Heilsversprechen. Für den Zuschauer ist das ein sehr befriedigendes Konzept. Weil wir bei aller Liebe am fortgesetzten Erzählen doch eine gewisse Geschlossenheit irgendwann brauchen.

Ist das nicht Neo-Romantik?
Ich würde nicht Neo sagen. Liebe und Ehe waren lange Zeit getrennt. Das wird in der Romantik erst zusammengebracht, erst seit dem 18. Jahrhundert also.

Spielt aber nicht zumindest amerikanischer Protestantismus in die Serien hinein?
Es hat was davon. Es ist auf jeden Fall Konservativismus. Es reicht nicht, dass die Figuren sich haben, sondern es muss auch institutionell festgezurrt werden. Das finden wir auch schon bei Sex And the City. Auch der Bestseller Shades of Grey gelangt zu einem konservativen Ende. In der Mitte geht es zwar spektakulär zu. Aber letztendlich gelangt man dahin zurück, dass Liebe monogam ist und am besten institutionalisiert. Das ist insofern etwas Religiöses.

In Zeiten der Debatte um Gender und neue Beziehungskonzepte ist das doch reaktionär.
Ich glaube nicht, dass wir uns in einer Diskussion um neue Beziehungskonzepte befinden, sondern dass dies genau unser Beziehungskonzept ist. Man braucht sich nur die Gleichstellungsdebatte ansehen. Da wird ja – zu Recht – die Ehe für Homosexuelle gefordert. Aber eben eine Ehe,  also eine Institutionalisierung der Liebe. Es geht kein bisschen um freie Liebe. Gerade aber dieses Konzept scheitert, wie man an Patchwork-Familien und den hohen Scheidungsraten sieht.  Je unwahrscheinlicher es also ist, desto mehr wird es erhofft und ersehnt.

Ist dann dieses konservative Bild von Liebe in Verknüpfung mit Ehe bei „How I Met Your Mother“, also die Erfüllung der Sehnsucht, von der Sie sprechen, das Erfolgsrezept dieser Serie?
Ich glaube, das Erfolgskonzept ist auch, dass es schlaue und witzige Figuren sind. Und dass sie sich auch über viele Sachen lustig machen können – auch über Liebe und Liebesbeziehungen.

Ein selbstironischer Blick.
Auf jeden Fall. Die Serie beleuchtet und reflektiert Liebe auf einer spaßigen Ebene. Ich erinnere mich an eine Folge, in der das langjährige Paar Lilly und Marshall einen Abend gemeinsam mit anderen Paaren verbringen und dann Merlot-trinkend im Apartment sitzen und denken: Oh Gott, wie furchtbar, das wollen wir alles nicht! Darin liegt vielleicht auch der Erfolg: Dass man alles mit einem Augenzwinkern angucken kann. Wir wissen aber nicht, ob die Serie das bis zum Ende beibehält.

Bisher sieht es nicht so aus. Sogar Barney, der halb New York flachlegt, tritt vor den Altar.
Ja. Der, der von Treue nichts hält, bleibt sich selbst nicht treu. Von der Figur her hätte er eigentlich ein anders Konzept wählen müssen. Robin ist eine ähnliche Figur. Die beiden hätten aufgrund ihrer Figurencharakterisierung die Möglichkeit gehabt, nicht zu heiraten, sondern zu sagen: Wir bleiben so beisammen.

Es geht immer gleich um Hochzeit. Drängt die Serie nicht geradezu auf diese klassische Institutionalisierung von Liebe?
Tut sie. Aber sie zeigt auch viele verschiedene Liebeskonzepte. Zum Beispiel die immerwährende Liebe von Lilly und Marshall, den wahnsinnig promiskuitiven Barney, der mit allem schläft, was nicht bei drei auf den Bäumen ist und der nie und nimmer in den Hafen der Ehe möchte – und man zeigt gleichzeitig, dass das nicht sein wahrer Wunsch ist. Denn letztlich will er doch geheiratet werden. Die Serie bringt alle unter die Haube.

Zum Charakter der Hauptperson Ted Mosby passt aber eine Hochzeit.
Ja, bei Ted wundert das nicht. Die Wünsche macht er am Anfang ja auch schon klar. Am Anfang spielt die Serie mit allen möglichen Konzepten von Lieben und zeigt sie uns – auch nebeneinander. Was ich allerdings bemerkenswert finde: Es geht ihm nicht um die Liebe seines Lebens, sondern darum, dass er die Mutter seiner Kinder trifft. Der Titel lautet ja nicht „Wie ich die Liebe meines Lebens traf“. Es geht also auch ums Muttersein.

Die Serie „Friends“ dreht sich auch um Ehe, Familie, monogame Beziehung. Sie ist die Blaupause für „How I Met Your Mother“, deren Witze und Figuren denen des Vorgängers stark ähneln. Warum klappt die Neuauflage?
Die Figuren werden zu „Friends“ des Zuschauers. Man kann zu ihnen sehr gut eine parasoziale Beziehung aufbauen – also so ein bisschen wie bei einem Nachbarn. Man guckt zu, kann mitleiden. Außerdem kennt man diese Paar-Konzepte aus dem eigenen Alltag.

Wenn ich nun mit Ted Mosby mitleide, hat das doch einen Einfluss auf meine persönliche Realität.
Wenn ich mich mit einer Figur identifiziere, beziehe ich sie auf mich. Baue ich eine parasoziale Beziehung auf, habe ich eine andere Art von Freundesclique. Man macht das alles gleichzeitig. Was man nachvollziehen kann, ist die Sehnsucht nach jemand anderem. Dafür stehen auch die anderen Figuren. Denn dadurch, dass es Lilly und Marshall gibt, ist Ted noch viel einsamer, als er wäre, wenn er einfach in einem Single-Club wäre. Man kann sowohl Barneys Wunsch, halb New York flachzulegen folgen, als auch Teds Wunsch, irgendwo anzukommen.

Frau Weber, vielen Dank für das Gespräch.

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