Kulinarischer Start in den November - Wildsuppe

Unser Genusskolumnist fürchtet sich in diesem November nicht nur vor Kriegs- und Krisenfolgen, sondern auch vor zwei saisonalen Seuchen: Glühwein und Beaujolais Primeur. Er setzt dem Irrsinn saisonale Genüsse entgegen, zum Beispiel eine einfache Wildsuppe.

Es geht aber auch ohne Einlage: Wildsuppe / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Nun haben wir also November. So allmählich könnte ja die Vorfreude beginnen. Diesmal vielleicht weniger auf die nahende Adventszeit und das Weihnachtsfest, sondern auf die erste Stufe der „Gaspreisbremse“, mit der im Dezember die komplette monatliche Abschlagszahlung für Gas nicht aus der eigenen Geldbörse, sondern mit dem von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigten „Doppelwumms“ bezahlt werden soll. Und Rentner können sich auf eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 300 Euro freuen.

Aber der November hat – ganz unabhängig von Krieg, Inflation und Krise – auch stets erhebliche Schattenseiten, vor allem aus kulinarästhetischer Sicht. Trotz mehrerer, regelmäßig bekräftigter Fatwas der Geschmackspolizei ist dieser Monat stets von zwei saisonalen Epidemien geprägt, die nicht auszurotten sind und gegen die auch keine Impfung hilft. Denn in diesem Monat sind Millionen Deutsche nicht davon abzuhalten, zwei der schrecklichsten Getränke zu sich zu nehmen, die die Evolution auf einem ihrer zahlreichen Irrwege hervorgebracht hat.

Glühwein sollte verboten werden

Da wäre zum einen der Glühwein. Jedem Freund leiblicher Genüsse muss es wehtun, dass ausgerechnet eines der edelsten Getränke der Kulturgeschichte für diesen Irrsinn missbraucht wird. Denn „was muss ein Wein verbrochen haben, damit man ihn auf 75 Grad erhitzt, Zucker und Gewürze reinkippt und mittelalterliche Stadtsilhouetten aufs Etikett knallt“, fragte nicht zu Unrecht die Süddeutsche Zeitung schon vor Jahren in einer Wochenendausgabe. Und der Münchner Barkeeper Stefan Gabany empfahl in einem Interview, statt Glühwein doch lieber gleich Motoröl zu trinken. Früher ging dieser Irrsinn ja zumeist erst im Dezember los, aber heutzutage steht die Glühweinmafia schon ab Mitte Oktober in den Startlöchern, wobei das Wetter ihnen diesmal einen dicken Strich durch die Rechnung machte. Manchmal hat der Klimawandel eben auch gute Seiten.

Beaujolais Primeur macht Aua im Kopf

Der Start einer weiteren November-Seuche ist dagegen terminlich streng geregelt. Ab dem dritten Donnerstag im Monat werden wieder frankophil gestylte Plakate und Tischkärtchen an jeder Ecke ankündigen: „Voilà, Le Beaujolais Primeur est arrivé“. Dieses im Schnellgang vergorene weinähnliche Getränk, das sich vor der Abfüllung auch reichlicher Kohlensäurezufuhr und Erhitzung  erfreuen durfte, schmeckt bestenfalls nach nichts, aber in den meisten Fällen ziemlich eklig. Jede Menge scharfer Zitrusnoten und Bitterstoffe, manchmal gar beißende Noten von Schwefel und unreifer Banane oder ein deutlicher Essigstich. Ein Glas Abwaschwasser dürfte da wesentlich bekömmlicher sein. Ohnehin besteht bei beiden November-Seuchen die Gefahr, dass sie ganz doll Aua im Kopf machen.

Der November hat auch schöne Seiten

Jetzt aber genug der Tiraden, der November hat für Genießer schließlich auch sehr schöne Seiten. In der Gastronomie und auch im Handel nähert sich die jährliche Wild-Saison ihrem Höhepunkt. Auch Rosenkohl, Grünkohl und Schwarzwurzeln sollten jetzt bald verstärkt angeboten werden. Ein spannendes kulinarisches Thema sind sicherlich auch Quitten, aus denen man keineswegs nur Gelee oder Marmelade machen kann. Und für viele Weinfreunde beginnt spätestens jetzt der Umstieg vom Riesling auf der Terrasse oder dem Balkon auf gehaltvolle Rotweine im geheizten Wohnzimmer, Sofern man sich das noch leisten kann, also das Heizen, nicht den Rotwein.

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Begrüßen wir also den November mit einem schönen, runden saisonalen Mix-Menü. Und das starten wir mit einer einfachen Wildsuppe. Für die müssen Wildknochen besorgt werden. Die gibt’s natürlich nicht in jedem Supermarkt, aber jeder Fleischer und jede Fleischabteilung, die Wild anbietet, hat in der Regel auch Knochen, wenn man nachfragt. An denen sind in der Regel auch noch Parüren, also Fleischreste. Wer zu Hause kein Fleischbeil hat, lässt sich die Knochen vom Fleischer in handliche Stücke hacken.

Die Suppe keinesfalls andicken

Los geht’s. In einem Topf Pflanzenöl stark erhitzen und die küchenfertigen Knochen und Parüren sowie Tomatenmark und klein geschnittenes Suppengrün zufügen. Alles stetig umrühren, bis eine dunkle Farbe entsteht. Dann mit Rotwein ablöschen und aufkochen lassen. Danach mit Wasser aufgießen, Kräuter und Gewürze hinzufügen, aber noch nicht salzen. Für 2 bis 2,5 Stunden bei kleiner Flamme köcheln lassen, zwischendurch Schaum abschöpfen. Die Suppe dann durch ein grobmaschiges Sieb in einen anderen Topf abgießen. Jetzt salzen und eventuell nachwürzen. Von der Geschmackspolizei ausdrücklich VERBOTEN ist allerdings bei dieser Suppe als Vorspeise das Andicken der Suppe. Und wer unbedingt eine Einlage haben will, sollte es mit Griesnockerln versuchen. Es geht aber auch ohne, schließlich sollen anschließend noch einige gehaltvolle Gänge folgen.

Natürlich trinken wir dazu weder Glühwein noch Beaujolais Primeur. Sondern einen nicht zu schweren Spätburgunder ohne deutlichen Holzgeschmack. Vorzugsweise von der Ahr, denn die sind 1.) in der Regel ziemlich gut und 2.) können die von der Folgen der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr gebeutelten Winzer dieser Region jeden Cent dringend gebrauchen.

 

Wildsuppe

Zutaten für 4 Personen

1,5 kg Wildknochen
1 Bund Suppengrün
0,1l trockener Rotwein
1 El Tomatenmark
2,5 l Wasser
Pflanzenöl (hoch erhitzbar)
Salz, schwarzer Pfeffer, Wacholderbeeren, Piment, Lorbeerblatt, Rosmarin

 

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