Protest gegen die Ampelregierung - Ist es das alles wirklich wert, Frau Gruber? (Teil 1)

Die Kabarettistin und Schauspielern Monika Gruber macht mit ihrem Protest gegen die Politik der Ampelregierung Schlagzeilen. Im Interview spricht sie über pointenfreies Kabarett, politische Verhältnismäßigkeit und ihre Demonstration in Erding.

Die Kabarettistin und Schauspielerin Monika Gruber während der „Stoppt die Heizungsideologie“-Demo in Erding / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Monika Gruber ist eine bayerische Kabarettistin, Schauspielerin und Aktivistin. Sie war Mitorganisatorin der „Stoppt die Heizungsideologie“-Demonstration in Erding am 10. Juni 2023. Cicero-Redakteur Ben Krischke trifft sie wenige Tage später zum Interview in einem Hotel in Innsbruck, wo sie am Vorabend einen Auftritt mit ihrem Programm „Ohne Worte“ hatte. Das Gespräch dauert fast drei Stunden. Den zweiten Teil des Interviews lesen Sie hier.  

Frau Gruber, welche Pronomen hätten Sie denn gerne? 

Die Frage überfordert mich schon. Ich entscheide mich für weiblich, was auch immer das jetzt eigentlich noch ist – und ob ich die Gruberin noch sagen darf.  

Woher wissen Sie, dass Sie eine Frau sind? 

Weil ich mich so fühle, seit ziemlich langer Zeit. Obwohl: Mein bester schwuler Freund behauptet immer, wenn ich über Beziehungen rede, dass ich eigentlich ein schwuler Mann, gefangen im Körper einer Frau bin. Und ich glaube, er hat Recht.

Damit würden Ihnen heute alle Türen offen stehen.

Mag sein, aber ich bin ein Gewohnheitstier: Frau, Bayerin, Sternzeichen Krebs. Never Change a Winning Team. 

Sie sind in der Nähe von Erding auf einem Bauernhof aufgewachsen. Gibt es diesen noch als landwirtschaftlichen Betrieb? 

Ja, aber ohne Tiere. Mein Bruder betreibt die Landwirtschaft mittlerweile im Nebenerwerb. Hauptberuflich ist er Gas-Wasser-Installateur und Energieberater. 

Wie waren Sie als Kind? 

Ich war vor allem ein braves und, man glaubt es kaum, eher schüchternes Mädchen. Als älteste Tochter auf einem Bauernhof war ich ja quasi der erste Fehlversuch. In Ermangelung von Geschwistern habe ich in den ersten Jahren viel Zeit mit den älteren Nachbarskindern verbracht. Dafür bin ich auch gerne mal ausgebüxt. Meine Mutter hat dann den Hof eingezäunt, weil sie Angst hatte, mir könnte etwas passieren. Abgehauen bin ich trotzdem, weil die Mama der Nachbarskinder, die Königseder Rosa, den besten Kirschstreuselkuchen der Welt gemacht hat. Und Spinat, der damals mein Leibgericht war. 

Als Kabarettist muss man nicht unbedingt ein witziger Mensch sein, bisweilen reicht ja auch, wenn die Pointen, die man sich überlegt, lustig sind. Sind Sie aber witzig? 

Die einen sagen so, die anderen sagen so. Das ist Geschmackssache. Ich glaube, ich bin auch kein klassischer Kabarettist, ich bin eher ein Geschichtenerzähler. 

Wo ziehen Sie die Grenzen?   

Es gibt keine Grenzen. Das ist alles fließend. Die Grenzen ziehen ja immer nur wir Deutschen. Die Amis sagen nicht: „Du bist politischer Kabarettist, Du bist Komiker, Du bist Satiriker.“ Die sagen nur: „Du bist ein Comedian.“ Es ist ganz klassisch, was ich mache. Ich erzähle unterhaltsame Geschichten aus dem Leben und bin dabei wenig politisch. Wobei Geschichten aus dem Leben auch häufig politisch sind. 

Wie hat sich die Humorbranche in den vergangenen Jahren verändert? 

Die hat sich ganz stark verändert seit 2015 …

… im Zuge der Flüchtlingskrise?

Ja. Damals hat sich die Branche aufgespalten in vermeintlich links und vermeintlich rechts, in „Willkommenskulturbeklatscher“ und diejenigen, die spätestens nach der Kölner Silvesternacht dachten, dass mit dem unkontrollierten Zuzug von Millionen eventuell auch unkontrollierbare Probleme auf uns zukommen könnten. Da ist heute ein ziemlich großer Graben dazwischen, der unüberwindbar scheint – und der während der Corona-Krise noch tiefer geworden ist. Man gewinnt den Eindruck, dass die klassischen politischen Kabarettisten sich heute eher im Belehrungsmodus befinden, gerne die moralinsaure Keule schwingen, statt sich dem Humor zu widmen. Mehr Erziehung statt Unterhaltung. Ich halte es eher mit denen, die das Handeln der politischen Kaste kritisch hinterfragen – so, wie das früher einmal üblich war. Das kann dann gerne auch mal überzeichnet und sehr gern auch lustig sein. 

Um uns herum geschieht – so nehme ich das jedenfalls wahr – viel Realsatire. Dennoch scheint es bei vielen Kabarettisten heute eine gewisse Beißhemmung zu geben. 

Man kann heute kaum noch unterscheiden zwischen Realität und Satire. Vieles, was Politiker sagen oder vorschlagen, ist Realsatire. Und da muss man nicht mal den Tampon-Automaten auf der Herrentoilette im Stuttgarter Rathaus bemühen. Wenn Robert Habeck sagt, wir müssen unsere Industrie drosseln oder gar abschalten, um der Ukraine zu helfen, dann wundert man sich, dass nicht der 1. April ist. Bis man erschüttert feststellt: Der Mann meint das wirklich ernst. 

Warum lässt das deutsche Kabarett heute allerlei Pointen liegen? 

Wahrscheinlich, weil die meisten Kabarettisten der gleichen Meinung sind. Ich glaube, dass viele einfach so gern auf der vorgeblich richtigen Seite stehen möchten, dass da der Hausverstand – wie der Österreicher sagt – oft im Weg ist. Es gibt inzwischen einige junge „Kolleg*innen“ – wie man heute politisch korrekt sagt –, bei denen ich das Gefühl habe, sie möchten ihr Publikum gar nicht mehr zum Lachen bringen und unterhalten im klassischen Sinne, weil ihnen das zu profan ist. Ein Freund von mir sagt immer: „Manche Menschen üben ihren Beruf nicht für mich aus!“
 

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Ist der Vorteil einer dezidiert bayerischen Kabarettistin, dass die ganze politische Korrektheit vielleicht bei uns noch nicht so fortgeschritten ist wie in, sagen wir, Berlin oder Köln? 

Die Fragen, welche Pronomen jemand hat oder ob ein Frühstück klimaneutral ist, sind sehr urbane Phänomene; auch die ganze Genderei. Das sind auf dem Land keine Themen, die dort interessieren. Die Menschen fernab des Prenzlauer Bergs oder des Hamburger Schanzenviertels nehmen diese Debatten entweder gar nicht wahr oder schauen mit einer Mischung aus Verwunderung, Belustigung und Befremdnis auf Veganismus, Klimaschutz oder Gendern. Vor allem, wenn es, wie heute üblich, mit einem nahezu religiösen Eifer betrieben wird. Ich bin aber überzeugt, dass jene Eiferer selbst in den Städten eine Minderheit sind, die sich halt sehr laut artikuliert. Man glaubt weder an Gott noch an Heimat, also muss eine Ersatzreligion her. Solche Entwicklungen treiben natürlich eine gewisse gesellschaftliche Spaltung voran. Das halte ich für sehr gefährlich. 

Besteht Ihr Publikum vor allem aus Menschen vom Land? 

Ich würde eher sagen, mein Publikum ist sehr bodenständig und kommt in erster Linie aus der Mittelschicht. Obwohl: Wenn ich nach der Vorstellung Autogramme schreibe, empfinde ich mein Publikum als bunt gemischt: Es sind alle Altersgruppen dabei, von 8 bis Mitte 80, von der Damen-Yoga-Gruppe über viele schwule und lesbische Pärchen bis zu ganzen Familien. Es ist wirklich alles vertreten vom mittelständischen Unternehmer bis zur Nagelkosmetikerin, was mich sehr freut. Diese „breite Mitte“ ist zum Glück trotz der Politik der letzten 10, 15 Jahre noch sehr groß – wie man bei der „Heizungsideologie“-Demo in Erding auch gesehen hat. Nur militante Klimakleber und Hardcore-Grüne sind vermutlich bei mir fehl am Platze.

Dieser „Kulturkampf“, wie er genannt wird. Merken Sie den eigentlich in Ihrem direkten Umfeld? Ich nämlich nicht. 

Nein. In meinem direkten Umfeld merke ich den nicht, obwohl mein Freundes- und Bekanntenkreis sehr vielfältig ist. Wir reden hier immer noch von einer Minderheit, die versucht, die große, breite Mehrheit mit ihren Forderungen und Ansichten zu missionieren. Das ist ein Problem. Und dass das einige nicht mit sich machen lassen. Es wird aber so getan – da ist Ihre Branche vielleicht auch ein bisschen Schuld daran –, als ob die Mehrheit das alles möchte, als ob es einen breiten Konsens dafür gibt. Wenn man hört, dass die Öffentlich-Rechtlichen permanent in Gender-Sprache sprechen, obwohl selbst eine WDR-Umfrage ergeben hat, dass dies nur 16 Prozent der Zuschauer möchten, stimmt einfach die Verhältnismäßigkeit nicht mehr. 

Wo stimmt sie noch nicht mehr, die Verhältnismäßigkeit?

Die Mehrheit findet es auch befremdlich, wenn schon Vierjährigen im Kindergarten eingeredet wird, sie könnten später selbst entscheiden, welches Geschlecht sie einmal haben möchten. Das hat übrigens nichts mit Intoleranz zu tun: Jeder soll so leben, wie er/sie/es das möchte. Aber warum muss deshalb eine ganze Gesellschaft unter anderem mit Gendersprech und frühkindlicher Sexualisierung gegängelt werden?

Die Hälfte meines Freundeskreises ist schwul oder lesbisch – und die sehen das interessanterweise genauso. Die sagen zu mir: „Lasst uns so sein, wie wir wollen, aber wenn jetzt jeder Hetero-Spießer anfängt, mit der Regenbogenfahne zu wedeln, dann nervt uns das.“ Die wollen leben, wie sie wollen – und in Ruhe gelassen werden. Was Ideologen aber eint – und das sind solche Leute für mich – ist, dass sie nicht kritikfähig sind, null Selbstreflektion und null Humor haben. Ich erzähle Ihnen dazu gerne eine kurze Geschichte. 

Bitte.  

Mir erzählte neulich eine Mama von ihrem Sohn. Der saß mit nackerten Füßen in seiner WG und es waren vor allem Frauen am Tisch. Irgendwer fragte ihn, ober er ihm Socken bringen solle, damit er nicht friert. Oh ja, meinte er, das sei nett, denn da sei er „ein bisschen ein Mädchen“. Und plötzlich: Eiseskälte im Raum. Die Frauen am Tisch haben direkt ihr Besteck weggelegt. Wie er das denn meine, wollten sie wissen. Eine Stunde dauerte die Diskussion – dann ist er aufgestanden und ins Bett gegangen. Das meine ich damit: null Humor, null Selbstironie. Das sind die wahren neuen Spießer. 

Man soll ja nicht nur nicht das Falsche sagen, sondern bestenfalls auch das Richtige zeigen. Ich finde diesen Zeitgeist-Bekenntnisdrang allerdings ein bisschen gruselig. Wenn man überlegt, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser die erste deutsche Politikerin nach 1945 war, die mit einer politischen Bekenntnisarmbinde ins Ausland geflogen ist … 

… Lalala. Das dürfen Sie doch nicht sagen! 

Ich habe das auch aufgeschrieben und dafür durchaus Schelte bekommen. Aber erstens ist das faktisch korrekt. Und zweitens frage ich mich eben, ob zu viel Bekenntnisdrang zwangsläufig dazu führt, dass man aufhört, zu denken; kritisch zu reflektieren. 

Die WM ist jedenfalls ein gutes Beispiel. Alle Spieler haben ihre Regenbogenbinde dabei, aber keiner ist aufgestanden und hat gesagt: „Ich bin schwul und das ist auch gut so“. Mich nervt dieser Gratismut.  

Welches Gefühl haben Sie da genau? Genervt? Wütend? Gefrustet? 

Das schwankt, je nach Tagesform, zwischen Frust, Wut, Lethargie und Resignation. Nach dem Motto: Ich gebe auf, ich wandere aus. 

Das überlegen derzeit nicht wenige Menschen.  

Ich kenne jedenfalls niemanden in meinem Freundeskreis, der noch nicht darüber nachgedacht hätte. Aber Flucht kann doch nicht die Lösung sein: Das ist meine Heimat, an der ich hänge. Meine Familie lebt seit zig Generationen hier. Ich liebe den Dialekt, die Landschaft, die Bräuche. Aber ich glaube, wer das sagt, ist bereits rechts, oder?

Ich hatte mal die Idee – sollte alles endgültig den Bach runtergehen –, politisches Asyl in der Schweiz zu beantragen. Aber bei den Eidgenossen ist es leider sauteuer. 

Erstens das. Und zweitens mögen uns die Schweizer nicht wirklich. Aber ernsthaft: Auswandern ist wirklich das allerletzte Mittel. Bevor ich jetzt einfach abhaue, bleibe ich lieber und kämpfe noch ein bisschen gegen den ganzen Wahnsinn an.  

Mit welchem Ziel? 

Dass es ein bisschen besser wird und dass die Mitte der Gesellschaft eine Stimme kriegt, damit sie sich auch traut, aufzustehen. In der Hoffnung, dass die Vernunft zurückkehrt in die Politik. Vielleicht geht es Ihnen da wie mir: Man geht auf irgendeinen Stammtisch oder ein Treffen unter Freunden, dann wird zwei Minuten über das Wetter geredet – und anschließend spricht man darüber, was jetzt politisch schon wieder los ist, dass zum Beispiel Cem Özdemir jetzt Werbung für Joghurt, Butter und Käse verbieten will. Das war auch der Grund, warum mein Optiker und Nachbar Franz Widmann (Mitorganisator der „Heizungsideologie“-Demo in Erding am 10. Juni; Anm. d. Red.) gesagt hat: So geht es nicht weiter. 

Das ist der Herr, der womöglich als „Greta Thunberg von Erding“ in die Geschichtsbücher eingehen wird. Was hat Herrn Widmann konkret dazu getrieben, sich alleine mit einem Schild „Stoppt die Heizungsideologie!“ auf einen Marktplatz in Erding zu stellen? 

Genau das. Er sagt: „Ich habe drei verschiedene Stammtische, und an jedem sagen unisono alle das Gleiche: Man müsste doch mal dagegen aufstehen.“ Aber wir Deutschen – wir haben es in der Corona-Zeit ja gesehen – lassen sehr viel mit uns machen. Also hat der Franz eines Tages beschlossen, eine Demo für eine Person anzumelden. Das ginge nicht, sagte die Stadt, es müssten mindestens fünf Demonstranten sein. Also hat der Franz eine Demo für fünf Personen angemeldet und sich dennoch alleine hingestellt. Dann kamen zwei Passanten vorbei, die ihn fragten, gegen was er demonstriere. Er hat es ihnen erklärt und sie haben spontan beschlossen, sich dazuzustellen. 

Aber wie wurden aus einer beziehungsweise drei Personen am Ende 13.000?  

Ich habe das Bild vom Franz in der Zeitung gesehen und mir gedacht: „Ausgerechnet der Franz“, der einer der zurückhaltendsten Menschen ist, die ich kenne. Dann war ich auf einer Grillfeier, und ein anderer Kumpel fragte: „Mensch, hast du den Franz gesehen?“ Wir haben direkt beschlossen, dass wir das nächste Mal mitdemonstrieren. Also bin ich am übernächsten Tag zum Franz in den Laden, um ihm das zu sagen. Danach bin ich heim und habe meinen Freundinnen aus meiner Canasta-Gruppe eine WhatsApp-Nachricht geschrieben: „Der Franz macht eine Demo, trommelt ein paar Leute zusammen.“ Tage später habe ich meine eigene WhatsApp-Nachricht dutzendfach weitergeleitet bekommen, sogar aus Österreich. Da haben wir plötzlich gemerkt: Es werden nicht hunderte, sondern tausende Demonstranten kommen, auch mit Bussen. 

Hatten Sie keine Sorge, dass das Ganze ausarten könnte? Als Veranstalter haftet man ja auch, wenn irgendwas passiert. 

Schon. Aber selbst meine 78-jährige Mutter hat gesagt: „Ihr zieht das jetzt durch.“ Also haben wir die Demonstration angemeldet. Und es sind am Ende 13.000 Menschen gekommen. 

Teil 2 des Gesprächs lesen Sie hier

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