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Joko & Klaas - Regression in den Bereich pubertärer Gehässigkeit

Sie nerven, sind kindisch, quälen sich und bergen einen Traum: Neues vom Klamaukduo Joko und Klaas 

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Daniel Haas lebt als freier Autor in Hamburg. Zuletzt war er Kulturkorrespondent der NZZ in Berlin.

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Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er sich wünschen, er wäre Friseur geblieben“, sagt der junge Mann und lacht. Dann kommt sein Mitspieler, der ebenfalls gluckst, obwohl ihm das Lachen doch gleich vergehen soll, und beide betreten einen mit Plastikplanen ausgeschlagenen Raum. Hier soll der Mann, der früher tatsächlich einmal Friseur gewesen und nun im Fernsehen ein Star geworden ist, hier soll Klaas Heufer-Umlauf Brechmittel trinken, möglichst viel. Das Spiel heißt „Aushalten“. Und so trinken der ehemals als Coiffeur tätige Umlauf und sein Kollege Joko Winterscheidt, der sich in einem früheren, weniger amüsanten Leben als Werbekaufmann versuchte, aus einer Flasche Brechmittel.

So sieht die vermeintliche Avantgarde der deutschen Fernsehunterhaltung aus. Joko, 34, und Klaas, 29, gelten als die großen Gewinner der Ironisierungswelle, wie sie seit Jahren unaufhaltsam durch die deutschen Medien rollt. Was Stefan Raab mit den mittlerweile schwächelnden Formaten „Schlag den Raab“ und „Wok-WM“ begann, setzen die beiden Moderatoren brachial fort. Es gibt so ziemlich keine Geschmacklosigkeit, die sich hier nicht mit einem Augenzwinkern als Entertainment verwerten ließe, und wenn das Zwinkern zur epileptischen Zuckung wird, umso besser. Umlauf und Winterscheidt haben den Körper zur Kampf- und Spaßzone erklärt. Bei MTV waren sie nur bessere Pausenclowns, aber dann kam, nach einem Boxenstopp bei ZDFneo, Pro Sieben und erkannte in ihnen Quotenbringer.

Nun wird in wechselnden Formaten Flatulenzspray eingeatmet, man zerschlägt sich Eier am Kopf („Russisch Omelette“), lässt sich von einem Eishockeyspieler in voller Montur umrennen. Gehirnerschütterung auf beiden Seiten des Bildschirms: Eine Klaas- und Joko-Sendung bedeutet Ad-hoc-Regression in den Bereich pubertärer Gehässigkeit. Was dir wehtut, macht mir Spaß und umgekehrt; der Witz ist unmittelbar an die Physis gekoppelt. Zerebral verrenken sollen sich die Leute bei Harald Schmidt, der bei Sky jedoch fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit witzelt.

Für Kulturbürger ist diese Art der Komödie bestenfalls irrelevant, schlimmstenfalls sozial flurschädigend. Konventionelle Witzdramaturgie sieht eine Geschichte vor und am Ende Erkenntnisgewinn, Pointe genannt. Diese Showmaster aber sind keine Erzähler, ihr Humor zerstreut sich in klamaukigen Momentaufnahmen: Klaas bei der Karussellfahrt in einer Zentrifuge für Raumfahrttraining; Joko, der einen Alligator am Schwanz zieht.

Das Prinzip ist nicht neu, es hat im angelsächsischen Raum sogar eine eminente Tradition. Slapstick war eine der Grundlagen des Vaudeville-Theaters. Joe Keaton, der Vater von Buster, bekämpfte bereits 1895 einen Tisch, mit Hechtsprüngen, Fausthieben und Rempeleien. Der Kampf mit der Dingwelt zeigte den Zivilisationsbewohner als paradoxen Akteur, der sich mit den von ihm geschaffenen Sachen überwerfen muss. Eine späte Blütezeit erreichte die Pein- und Peinlichkeitsartistik dann bei der Künstlertruppe „Jackass“. Ehemalige Skateboarder pervertierten Ende der neunziger Jahre die Happening-Idee zur Sadismussause. Man schnupfte Wasabi, inhalierte Pfefferspray oder legte sich mit Steaks behängt auf einen Grill.

Und nun Klaas und Joko. Auch in der aktuellen Sendung „Circus Halligalli“, der „Manege des Wahnsinns“ von Pro Sieben, greift die bewährte Methode: Schmerzsketche, Demütigungsgags, dazwischen ein paar Showgäste. Sido war schon da, Lena, Detlev Buck. Die Gespräche sind wirre Simulationen von Unterhaltung. Geistreicher sind die Untertitel zum jeweiligen Gast. Jürgen von der Lippe wird als „Entertainer, Moderator, Hawaiianer“ vorgestellt, weil er vorzugsweise Hawaiihemden trägt. Das bezeichnet exakt die Grundidee dieses Humors: Alles wird mit ironischer Fußnote versehen, eigentliches Sprechen ist etwas für Spießer, Beamte oder Programmchefs, die bei Pro Sieben nicht müde werden, ihre beiden Stars als Wunderwaffe für die ­Rekrutierung junger Zuschauer zu loben.

Nun kann man sich fragen, ob die Generation der unter 40-Jährigen wirklich noch so ironieverliebt ist oder ob sich in diesem Gesellschaftssegment nicht längst ein neuer Lebensernst breitgemacht hat, mit Yogakursen, Bioläden und dem Flirten mit einer schwarz-grünen Koalition. Man kann auch fragen, wie lange Deutsche unter 30 noch fernsehen werden oder ob sie nicht lieber durchs Internet surfen. Eine 60-Minuten-Sendung am Abend muss Smartphone-Junkies wie ein Wachkoma vorkommen.

Die ordentlichen, wenngleich nicht herausragenden Quoten für „Circus Halligalli“ und Artverwandtes haben womöglich einen ganz anderen Grund: Es gibt einen wertkonservativen Zug im ironischen Overdrive von Klaas und Joko. Die beiden sind eine Solidargemeinschaft en miniature. Sie haben sich gegenseitig permanent im Blick, auch wenn er gespielt, hämisch und gehässig ist. Wie bei Dick und Doof, Ernie und Bert, Pat und Patachon setzt sich hier eine Verbindlichkeit in Szene, die in hochflexiblen, konkurrenzverschärften Zeiten nicht selbstverständlich ist.

Klaas und Joko gehören zusammen. Sie sind aneinandergekettet, aufeinander verwiesen. Ihr Spiel ist, so narzisstisch es daherkommt, nicht Ego-Entertainment, sondern der Traum von Kumpelei. Wer seinen Nächsten triezen will, muss erst mal einen haben. Das wissen die Sammler virtueller Friends und Follower nur zu gut. 

Daniel Haas ist Autor und Spezialist für populäre Medien.

 

 

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