Geochemiker Klaus Wallmann - „Wir müssen ins Handeln kommen“

Der Geochemiker Klaus Wallmann erforscht seit Jahren die Speicherung von CO2 unter dem Meeresboden – eine Technologie, die beim Klimaschutz von zentraler Bedeutung ist.

Klaus Wallmann ist einer der gefragtesten Experten fürs Verpressen von CO2/ Paula Markert
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Deike Uhtenwoldt ist Wissenschaftsjournalistin in Hamburg.

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Jeder neuen Idee stehen ihre Skeptiker gegenüber – aber auch Wissenschaftler, die unabhängig prüfen und abwägen. Bedenklich wird es allerdings, wenn am Ende niemand deren Empfehlungen folgen mag. So erging es Klaus Wallmann vor zehn Jahren. Damals leitete der Geochemiker ein großes europäisches Projekt namens ECO2, ein Kunstwort aus ecology und CO2. Es sollte die Risiken der von Norwegen praktizierten Kohlendioxid-Speicherung unter dem Meeresboden bewerten, wurde von der EU teuer finanziert und beschäftigte an die 100 Wissenschaftler. Die Ergebnisse allerdings ließen Brüssel kalt: „Das hat keinen interessiert, in Deutschland erst recht nicht“, sagt Wallmann.

Auf seiner Homepage beim Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel stehen viele weitere Funktionen, die der 63-Jährige schon innegehabt hat. Manche Forschungsprojekte erinnern an Agentenaufträge („SFB 574 A7“), andere an einen Kindergeburtstag („Sugar“). In jedem Fall machen sie deutlich, dass der einstige Abiturient aus Lüchow-Dannenberg es weit gebracht hat, und zwar fern jeder Provinzialität, wie Wallmann betont: „Die Meeresforschung ist international, wir untersuchen den Weltozean.“ 

Für das Chemiestudium motivierte ihn das heimatliche Wendland allerdings durchaus, genauer gesagt die Diskussion um das Atommülllager Gorleben. Damals regierte Ministerpräsident Ernst Albrecht in Hannover und lud Experten zum Wissens- und Erfahrungsaustausch. Sie wurden Wallmanns Vorbilder: „Ich wollte bewerten, was wir da eigentlich anrichten – und wie wir damit umgehen können.“

Ein gefragter Experte

Heute ist Albrechts Tochter Ursula von der Leyen EU-Kommissionspräsidentin in Brüssel, und die Zeiten sind andere. Die Klimakrise flacht nicht ab, das Restbudget bis zum Erreichen der Pariser Klimaziele ist bald verbraucht – und „Netto Null“ soll es bis zur Jahrhundertmitte richten. Aber ohne klimaschädliche Gase aus Müllverbrennung, Zementherstellung und Landwirtschaft wird es auch nicht gehen. „Wir benötigen deshalb negative Emissionen“, sagt Wallmann. Der Atmosphäre CO2 wieder zu entziehen und im großen Stil zu speichern, genau das verspricht die Technologie „Carbon Capture and Storage“, kurz CCS, für die der Professor Experte ist.

Bei seiner Promotion an der TU Hamburg ging es noch um den Nachweis giftiger Schwermetalle in der Elbe. Die Kombination aus Chemie, Geologie und Ingenieurwesen machte Wallmann zum gefragten Experten: „CCS ist ein Feld, auf dem ich mit meinem Background gut arbeiten kann.“ Irgendwann hatte man das auch in Brüssel verstanden, und mit ECO2 landeten zwei Aufträge in Kiel: Erstens zu untersuchen, wie dicht die norwegischen Speicherstätten in der Nord- und Barentssee tatsächlich sind. Zweitens, welche Folgen Lecks haben könnten. 

 

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CO2-Leckagen haben die Forscher nicht gefunden, Erdgasleckagen im Umkreis von zehn Kilometern hingegen schon. „Eines der Hauptprobleme bei CCS ist, dass es rund 15.000 Bohrlöcher in der Nordsee gibt und zu viele Durchlässigkeiten“, sagt Wallmann. Der Befund nährte Zweifel, andererseits stimmte die Folgenabschätzung in einem Feldversuch vor der norwegischen Küste zuversichtlich: Die Artenvielfalt ging nur bei einer sehr kleinen Fläche zurück, obwohl die künstlich erzeugte Leckage 30 Tonnen CO2 pro Jahr freigab. „Wahrscheinlich müssen wir das doch machen mit dem CCS“, konstatierte der Projektleiter. 

„Das wird ein teurer Spaß“

Wallmann lehnt sich entspannt zurück. Dass nicht nur die Politik, sondern auch Industrie und Umweltorganisationen seine Expertise inzwischen wieder nachfragen, freut ihn. „Wir wollen Wissen produzieren, das auch genutzt wird“, sagt er. Etwa die Kenntnisse über geeignete Speicherstandorte, die unten poröse Sandsteinschichten und darüber undurchlässige Tondeckel benötigen. Denn das CO2 wird mit hohem Druck ins Gestein gepresst, was im ungünstigsten Fall Erdbeben auslösen und Windkraftanlagen gefährden kann. Das geht in keinem Fall lautlos und kann Schweinswalen schaden.

Es reiche daher nicht, Grenzwerte festzulegen. Diese müssen durch ein sicheres Monitoring und neue Geräte überprüft, die Kosten abgeschätzt werden. „Das wird ein teurer Spaß, bis zu 150 Euro pro Tonne CO2“, schätzt Wallmann. In seinem jüngsten und wohl auch letzten Projekt als aktiver Professor beschäftigt er sich mit genau diesen Fragen bei den identifizierten Standorten 100 und 300 Kilometer vor der deutschen Nordseeküste. „Wir haben hier das Glück, dass der deutsche Meeresboden nicht so durchlöchert ist, weil wir kaum Öl und Gas gefördert haben“, sagt er.

„Wir müssen ins Handeln kommen, Energie sparen und schon mal alles ändern, was uns leichtfällt“, unterstreicht er. Für den Rest gibt es Technologie mit Fehlertoleranz – wie CCS.

 

Dieser Text stammt aus der Oktober-Ausgabe von Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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