Aus der „White Trash“-Küche - Cola-Hähnchen

Unser Genusskolumnist hat eine tiefe Abneigung gegen Cola und andere süße Softdrinks. Von alleine wäre er wohl nie auf die Idee gekommen, eine Mahlzeit mit Cola zuzubereiten. Doch dann bekam er einen Tipp und probierte es mit einem Cola-Hähnchen. Das hat ihn durchaus überzeugt.

Fehlt nur noch die Cola-Marinade / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Es war eine launige Bemerkung des Ernährungssoziologen Daniel Kofahl, die mich auf die Idee brachte. Denn Hähnchen mit einer Cola-Soße zuzubereiten, wäre mir bis dahin wohl nicht im Traum eingefallen. Doch dann stellte sich die Frage, ob das überhaupt Sinn macht.

Erste Recherchen ergaben, dass der Gedanke anscheinend gar nicht so abseitig ist, wie ich zunächst vermutete, denn es finden sich unzählige Rezepte. Allerdings galt es noch, eine innere Sperre zu überwinden, denn als Getränk finde ich Cola und auch die meisten anderen Softdrinks schon seit Jahrzehnten ziemlich widerlich.

Kein „postmoderner Quatsch“

Auch Kofahl kann diese Skepsis auf Nachfrage nachvollziehen, denn Cola-Hähnchen sei „ein Gericht, das wohl bei jedem in der Tradition traditioneller bürgerlicher Küche sozialisierten Koch im Erstkontakt die Kinnladen runterklappen lässt“. Denn schließlich handele es sich bei Cola um ein Getränk, „dessen schlechter Ruf in der Gourmet-Szene wohl mit dem von Crystal Meth oder Til-Schweiger-Filmen vergleichbar ist“. Auch der über allem schwebende Gesundheitsdiskurs trage dazu bei, „dass sich hier erst einmal alle erlernten kulinaredukativen Nackenhaare aufstellen“.

Dennoch lohne es sich, die „puritanischen Mauern zu überwinden“ und es auszuprobieren. Denn, so Kofahl: „Cola-Chicken ist nämlich gar kein postmoderner Quatsch, sondern es ist ein Gericht, das besonders in der Küche des sogenannten ,White Trash‘, der weißen Unterschicht der USA, entwickelt wurde und Bedeutung genießt.“

Nichts für den rundum „optimierten“ Esser

Der Soziologe verweist auf Autoren wie Ernest Matthew Mickler, dessen Standardwerk „White Trash Cooking“ entsprechende Rezepte enthält, die „von bestechend niedriger Komplexität, süß und fleischlastig sind und sich den Ernährungsratschlägen von Diätaposteln und Umerziehungsinitiativen widersetzen“. Sie seien geschmacklich jedoch auf „ihre Art bestechend besonders, sie orientieren sich am Geschmack des realen, einfachen Menschen und nicht an der Gestalt eines fiktiven Essers in der Zukunft, der dereinst Gesundheit, Genuss, ökologische Nachhaltigkeit und einen stets prall gefüllten Geldbeutel, um all das bezahlen zu können, unter einen Hut bringt“.

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Freilich sei Cola-Hähnchen kein Gericht für jeden Tag, sondern „eine kleine, überschaubare Genusseskapade, die man sich dennoch von Zeit zu Zeit leisten kann. Es ist kurzum ein einfacher und guter Spaß, der sättigt und schmeckt. Und das ist an für sich schon ziemlich viel“.

Lange marinieren und dann in die Röhre

Mit so viel ernährungssoziologischer Rückendeckung und Ermutigung ausgestattet, ging es also ans Werk. In diesem Fall entschied ich mich für ein Crossover aus diversen Rezepten. Frische Hähnchenschenkel mit Brustanteil kamen dafür über Nacht in eine Marinade aus Cola, Sweet-Chili-Soße (gibt’s in jedem Asia-Laden), Sambal Oelek, Knoblauch, Ingwer und Zitronenzesten. Richtig, gut im Blitzhacker durchgeschreddert, dann wird die Marinade etwas sämig. Ein Tipp, der mir möglicherweise Ärger mit meinen Vorgesetzten bei der Geschmackspolizei einbringt. Aber da voraussichtlich bereits das Rezept für ein hochnotpeinliches Disziplinarverfahren sorgen wird, ist das dann auch schon egal. Ich werde ohnehin alle Schuld auf Daniel Kofahl schieben.

Die Hähnchenteile nach 12 bis 18 Stunden aus der Marinade nehmen, abtupfen und mit Salz und Pfeffer einreiben. Den Backofen auf 200 Grad Ober- und Unterhitze vorheizen, einen Bräter mit Pflanzenöl einpinseln, die Schenkel mit der Hautseite nach oben drauflegen, mit etwas Marinade übergießen und dann ab in die Röhre. Drei bis vier mal etwas Marinade auf die Haut nachgießen, und nach 40 Minuten den Ofen auf Grillfunktion umstellen, damit die Haut schön knusprig wird. Nach weiteren zehn Minuten sollten wir dann das perfekte Cola-Hähnchen auf den Teller packen können. Bei mir war es jedenfalls so. Und tatsächlich gibt die Cola diesem Gericht in Kombination mit den anderen Zutaten der Marinade eine ganz eigene, spannende Würze. Als Beilagen eignen sich unter anderem geschmorte Gemüsepaprika und Süßkartoffeln. Wie gesagt: bestimmt kein Gericht für jeden Tag, aber eine hochinteressante Geschmackserfahrung. An meiner Abneigung gegen Cola als Getränk wird das allerdings nicht das Geringste ändern.

 

Cola-Hähnchen

Zutaten für 4 Personen

4 Hähnchenschenkel mit Brustanteil

0,5l Cola (Sorte egal, aber keine Zero-Cola oder Cola light)

2 El Sambal Oelek

2 El Sweet Chili-Soße

3 Knoblauchzehen

10g frischer Ingwer

Zitronenzesten von einer Zitrone

Salz, Pfeffer, Öl zum braten

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