Fridays for Future - Die imperfekte Welle

Mehrere tausend Menschen kamen am Freitag am Brandenburger Tor zusammen, um für mehr Klimapolitik zu demonstrieren und einer Rede Luisa Neubauers zu lauschen. Doch Fridays for Future selbst wirkt fast schon aus der Zeit gefallen. Mehr Nostalgie als Aufbruch.

Luisa Neubauer auf der Klimademo in Berlin / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Es ist nicht so, als wären die ersten Abgesänge auf die Klimaaktivisten von Fridays for Future nicht schon publiziert worden. Und es stimmt ja auch. Zuletzt ist es ruhig geworden um diese lose Truppe, die vor wenigen Jahren noch fähig war, Hunderttausende zu mobilisieren, und deren Engagement es aus Sicht aller Klimaschützer zu verdanken ist, dass das Thema Klimawandel überhaupt vordringen konnte in die breite Öffentlichkeit und als Mission bis tief hinein ins bürgerliche Milieu. 

Arzttöchter erklären die Welt“ lautet die Überschrift eines Cicero-Beitrags über Fridays for Future aus dem Jahr 2020. Und weil Autor Clemens Traub es damals schon richtig auf den Punkt brachte, wer diese Leute von Fridays for Future eigentlich sind, soll daraus kurz zitiert werden. Traub, damals 23 Jahre alt, schreibt: 

„Das typische Milieu der meisten Fridays-for-Future-Demonstranten kenne ich gut. Es ist in gewisser Weise mein eigenes und das meines jetzigen Freundeskreises: großstädtisch, linksliberal, hip. Arzttöchter treffen darin auf Juristensöhne. Gin-Tasting und Diskussionen über plastikfreies Einkaufen und Zero Waste stehen nebeneinander auf der Tagesordnung. Veganismus zählt ebenso zum unausgesprochenen Kodex des Hip-Seins wie der Einkauf im Secondhand-Laden. Und der Bioladen um die Ecke wertet die Lage der eigenen Wohnung selbstverständlich auf.“

Der personifizierte deutsche Klimakampf

Oben zitierter Text ist, wie geschrieben, vor mittlerweile drei Jahren erschienen. Und in diesen drei Jahren hat sich doch viel getan in der Welt, das dazu führte, dass die Aufmerksamkeit für Fridays for Future am Anfang der Proteste enorm, später groß war, dann mittelgroß und mittlerweile nicht mehr so groß ist. 

FfF-Demonstranten / Autor

Zuerst löste Corona das Thema Klimaschutz als größter Schlagzeilenlieferant ab, während aufgrund der Corona-Politik Aktivismus per se erschwert wurde. Im Anschluss löste der Ukraine-Krieg dann wiederum das Corona-Thema ab. Und noch etwas ist Fridays for Future ins Gehege gekommen; etwas Hausgemachtes. Der Vorwurf aus Teilen der Klimabewegung nämlich, Luisa Neubauer und Co. seien nicht radikal genug, weshalb mittlerweile die selbsternannte „Letzte Generation“ mit ihrer Kleberei und, seit neuestem, ihren besonders langsamen Spaziergängen auf Straßen viel mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als Fridays for Future. 

Anders formuliert: War Luisa Neubauer vor wenigen Jahren noch der personifizierte deutsche Klimakampf, machen ihr andere Aktivisten – wie Carla Hinrichs von der „Letzte Generation“ zum Beispiel – ihre Show und ihre potentielle Sendezeit streitig, während Neubauer selbst zuletzt vor allem wegen ihrer Beziehung zu Moderator Louis Klamroth Schlagzeilen machte. Und weil Fridays for Future in Deutschland sonst niemanden wirklich Populäres zu bieten hat, geht die Popularität von Fridays for Future eben auch parallel mit jener von Luisa Neubauer zurück.   

Pünktlich zum 12-Uhr-Glockenschlag

Das weiß man bei Fridays for Future selbstredend auch, weshalb man derzeit immerhin versucht, die Aufmerksamkeit wieder stärker auf den eigenen Aktivismus zu lenken. Gelingen soll das unter anderem mit dem globalen Klimastreik vom Freitag, was konkret bedeutet, dass Fridays for Future an verschiedensten Orten Deutschlands, von rund 250 ist die Rede, zu Klimaprotesten aufgerufen hat; auch in Berlin, wo die Veranstaltung pünktlich zum 12-Uhr-Glockenschlag startete.

WWF-Protestler mit Barbie-Motto / Autor 

Doch bevor es richtig losging, gab es erstmal noch eine Handvoll Hinweise von zwei jungen Moderatorinnen von Fridays for Future Berlin; darunter, dass die Sonne „mega doll“ vom Himmel brenne, weshalb ein Sonnenschutz auf dem Kopf nicht die schlechteste Idee sei. Und sollte sich, so ein weiterer Hinweis, irgendwer unwohl fühlen, dann stünde ein „Awareness“-Team zur psychischen und physischen Unterstützung bereit. Solche Teams sind der neue heiße Scheiß auf Demos mit Beteiligung aus Wokehausen und quasi die Demo- und Festival-Variante der sogenannten Safe Spaces. Nur für den Fall, dass Sie, liebe Leser, mit dem Begriff bisher noch nichts anfangen konnten. 

Jedenfalls waren einige Tausend Menschen gekommen am Freitag, um an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Und müsste man ein soziologisches Profil der Demonstranten erstellen, dann waren sie in der Regel entweder jung, Schüler bis Student, oder alt, Frührentner und älter, weil die meisten, sagen wir, 35- bis 55-Jährigen am Freitagmittag auf Arbeit waren. Das kann man Fridays for Future natürlich nicht vorwerfen. Es soll nur erwähnt sein. Ebenso wie die sehr geringe Migrantenquote. 

Rednerpult mit dem Logo

Interessanter ist aber eine andere Diskussion: nämlich, wer Fridays for Future eigentlich ist. Hier eine Reihe von Organisationen und Gruppierungen, die ebenfalls vor Ort waren, und zwar chronologisch geordnet entlang des Spaziergang des Autors dieser Zeilen vom Berliner Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor: Fridays for Future, Vier Pfoten, Antifa, Naturstrom, Bund Jugend, Nabu, WWF, Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend, Diakonie, Brot für die Welt, „Omas gegen Rechts“, die „Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges“ und noch einige mehr, die ich mir dann nicht mehr notiert habe. 

Diese Liste zeigt zweierlei: erstens, dass Fridays for Future es immer noch schafft, zu mobilisieren. Wenn auch in deutlich kleinerem Umfang als früher. Am Freitag sind es mehrere Tausend Menschen, was beeindruckend wirkt, wenn man mittendrin steht, aber dann doch wieder etwas weniger beeindruckend ist, wenn man sich vor Augen führt, dass die Demonstrantenschar am Freitag nicht bis zur Skulptur „Der Rufer“ gereicht hat (ca. 300 Meter vom Brandenburger Tor entfernt).

Pop-Band Juli / Autor

Und zweitens, dass Fridays for Future zwar Veranstaltungen organisieren kann, viele Teilnehmer aber als eigene Formation kommen und nicht unter der FfF-Flagge demonstrieren. Für eine Gruppierung, die zurück möchte in die Schlagzeilen, ist das schwierig, weil sie eben nicht sprechen kann für unzählige Organisationen, die sich zwar in Sachen Klimaschutz mehr oder weniger einig sind, aber die alle im Detail ihre eigene Agenda mit dem Etikett Klimaschutz verfolgen; von Abrüstung über Tierschutz bis Sozialismus. Dass das Rednerpult mit dem Logo von Fridays for Future bedruckt war, änderte daran freilich nichts. 

Ist Fridays for Future also überhaupt noch eine Gruppierung im Wortsinn? Oder nur noch eine Gastgeberin mit im linksgrünen Milieu sauberen Ruf, die zig Organisationen mit unterschiedlichen Partikularinteressen zusammenbringt, weil man im Prinzip alles fordern kann, solange man sich dabei nur laut genug auf das Klima beruft? Und wenn Luisa Neubauer quasi nur noch als Schirmherrin für den ganzen Weltverbesserungszirkus herhält, wäre es da nicht zielführender für das große Ganze, sie würde in die Politik gehen, statt Gefahr zu laufen, zur Berufsjugendlichen zu werden? 

Ein nostalgisches Anknüpfen

Auf mich jedenfalls wirkte die Veranstaltung am Freitag eher wie ein nostalgisches Anknüpfen an die gute alte Zeit, als die Demonstrantenschar noch viel weiter reichte als nur bis zum „Rufer“. Als Greta Thunberg noch eingeladen wurde in die großen Parlamente der westlichen Welt und nicht – wie heute über den Nachrichtenticker lief – mal wieder zum Gerichtsprozess gegen sie. Und auch die Rede von Luisa Neubauer, die als letzte Sprecherin am Freitag die Bühne betrat, hatte was von der sprichwörtlich hängenden Schallplatte, wonach das Gute gegen das Böse triumphieren müsse, um die Welt zu retten. Kleiner Auszug: 

„Womit ich nicht leben kann, wäre das Gefühl, dass wir rückblickend nicht alles gegeben haben. Womit ich nicht leben könnte, wäre das Gefühl, dass wir aus unseren Privilegien hier im globalen Norden nicht alles rausgeholt haben mit den Menschen im Herzen, die viel weniger glücklich, viel weniger wohlständig in dieser Welt stehen. Womit ich nicht leben könnte, wäre, den größten Traum der Rechten zu erfüllen. Der Zyniker, der Gestrigen, der fossilen Lobbys. Womit ich nicht leben könnte, wäre, deren größten Traum zu erfüllen, nämlich aufzugeben und ihnen das Feld zu überlassen. Damit könnte ich nicht leben.“ 

Schauen, wo sie bleiben 

Quo vadis, Fridays for Future? Das lässt sich fragen. Und auch, was insbesondere Neubauer, die mittlerweile auch schon 27 Jahre alt ist, künftig eigentlich vorhat mit ihrem Klimaaktivismus? Denn eingeklemmt zwischen auf der einen Seite einer grünen Partei, die zwar in der Regierung sitzt, aber nicht das radikale Klimaprogramm durchziehen kann, das sich die Aktivisten wünschen, und deutlich radikaleren Klimaaktivisten auf der anderen Seite, müssen Fridays for Future und damit auch Neubauer schauen, wo sie bleiben – und welche Rolle sie langfristig in ihrem Kampf gegen die „Klimakatastrophe“ spielen wollen. 

Insofern hat es an diesem Freitag am Brandenburger Tor auch exzellent gepasst, dass ausgerechnet die Pop-Band Juli, deren größte Hits auch schon länger zurück liegen, den musikalischen Abschluss der Kundgebung bildete, bevor aus selbiger ein Demonstrationszug wurde. Mit im Gepäck hatten Juli auch ihren wohl größten Hit, „Die perfekte Welle“, der mittlerweile fast 20 Jahre alt ist. Kein Wunder also, dass da manch demonstrierender Schüler am Freitag nicht mehr mitsingen konnte. Alles hat eben seine Zeit.

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