Extremismus an Hochschulen - „Die Universitäten sind ein Ort der Radikalisierung“

Universitäten sind eine eigene Welt. Im Interview erklärt Lukas Honemann, Vorsitzender des Rings Christlich-Demokratischer Studenten, wie innerhalb dieser Welt Politik gemacht wird – und warnt vor Weimarer Verhältnissen an den deutschen Hochschulen.

Personen gehen über das Universitätswappen in der Philologischen Bibliothek der Freien Universität Berlin / dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Lukas Honemann ist Vorsitzender des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS). Aktuell schreibt der 23-Jährige an seiner Doktorarbeit im Bereich der Extremismus- und Terrorismusforschung.

Herr Honemann, Sie sind Vorsitzender des RCDS und forschen zugleich zu Extremismus und Terrorismus. Nach dem schrecklichen Angriff der Hamas auf Israel und dem nun tobendem Krieg gibt es auch in Deutschland antisemitische Ausschreitungen und Solidarisierungen mit dem palästinensischen Terror. Was ist davon an Deutschlands Unis zu sehen?

Die Auseinandersetzung ist auch an den Universitäten angekommen. In der Unipolitik sind der SDS sowie die Jusos die dominierenden Kräfte; sie haben beide bislang wenig Berührungsängste zu palästinensischen Organisationen gehabt, die teilweise die terroristischen Angriffe verharmlosen. Außerdem nehmen immer wieder Vertreter von Studentenparlamenten an fragwürdigen Palästina-Demos teil.

Wir haben den Fall in Kassel zum Beispiel, wo sich jemand für den AStA aufstellen wollte. Zu der Frage, ob er an einer dieser Palästina-Demos teilgenommen habe, gab er eine ausweichende Antwort. Schließlich warf er den Fragenden vor, rassistisch zu sein, weil sie ihn das aufgrund seines Aussehens fragen würden. Aber auch beim Lehrpersonal gibt es immer wieder antisemitische Vorfälle. Jüngst gab es eine Debatte über einen Dozenten an der Universität Bayreuth. Er hatte auf seiner Website geschrieben, nicht die Hamas sei die Terrororganisation, sondern Israel. Und zu dieser Aussage steht er.

Es gibt also an den Universitäten auch diesen sogenannten zugewanderten Antisemitismus. Welche Formen von Judenfeindschaft nehmen Sie insgesamt wahr?

Der links ausgerichtete Antisemitismus folgt diesem sogenannten postkolonialen Denkmuster, Amerika würde als Schutzmacht von Israel seine kolonialen Interessen im Nahen Osten durchsetzen. Zudem könnten Juden ja auch eigentlich gar nicht von Diskriminierung betroffen sein, weil sie zur „weißen“ Machtelite gehören würden. Solche Denkmuster sind auch an den deutschen Hochschulen verbreitet.

Und dann haben wir natürlich auch, keine Frage, den rechten Antisemitismus an den Universitäten, der in teilweise rechtsextremen Burschenschaften verankert ist. Und den darf man eben auch nicht verharmlosen; der ist ähnlich problematisch. Und das mischt sich, wie auch beim linksextremen Antisemitismus, oftmals auch mit den entsprechenden Verschwörungstheorien.

Wie politisiert sind die Hochschulen heute insgesamt?

Lukas Honemann. /Foto: Clemens Hutengs

Vor allem sind die Universitäten stark zu einer eigenen, in sich geschlossenen Welt geworden. Die Uni ist eine Art Blackbox. Man muss sich das, salopp gesagt, so vorstellen: Man schickt sein Kind in eine fremde Stadt, in die Obhut von sozusagen fremden Personen, die dann besonders in den Politikwissenschaften ohne jeglichen Beutelsbacher Konsens und ohne Kontrolle eigentlich das lehren können, was sie wollen.

Was ist der Beutelsbacher Konsens?

Es gab in der Bundesrepublik längere Diskussionen darüber, welcher Inhalt wie im Politikunterricht und in der politischen Bildung vermittelt werden soll und darf. Man hat sich darauf geeinigt, dass Schüler nicht „überwältigt“ werden dürfen mit bestimmten politischen Positionen, das heißt, nicht indoktriniert werden dürfen. An den Universitäten aber herrscht Lehrfreiheit. Diese Lehrfreiheit wird letztendlich oft missbraucht, um die Studenten eben durchaus zu überwältigen. Dafür gibt es immer wieder Beispiele.

In Kassel hat eine Politikwissenschaftlerin ihre Einführung in die Kritische Theorie quasi für alle verpflichtend gemacht, als ob es nichts dagegen zu sagen gäbe. Erstaunlich, dass Vertreter der Kritischen Theorie, die ja eigentlich Machtverhältnisse aufzeigen wollen und auch Macht beseitigen wollen, ihre Macht nutzen, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Vor der Bologna-Reform hätte man einen anderen Kurs belegen können – im verschulten System sind solche Ausweichmöglichkeiten schwieriger geworden. Deshalb braucht es ein Überwältigungsverbot an den Universitäten. Das bedeutet nicht, Wissenschaftsfreiheit oder Lehrfreiheit einzuschränken, sondern ungefilterter Beeinflussung Einhalt zu gebieten.

Vielleicht sind die Studenten ja auch in der Lage, sich selbst Ideologisierungen zu widersetzen. Gibt es kein breites Meinungsspektrum?

Tatsächlich erleben wir, dass sich viele Studenten zurückziehen, vielleicht sogar entpolitisieren. Zumindest was die Hochschulpolitik im Besonderen angeht, da macht nur ein sehr geringer Teil mit und bringt sich mit seinen Positionen ein. Ein Großteil der Studenten der Wirtschaftswissenschaften und der Naturwissenschaften wollen von der Hochschulpolitik nichts wissen. Es sind eigentlich hauptsächlich Studierende der Politik- und Sozialwissenschaften, die sich einbringen. Das schlägt sich in der geringen Wahlbeteiligung nieder. Das heißt auch, dass die AStAs, also die Allgemeinen Studierendenausschüsse, praktisch demokratisch kaum legitimiert sind. Man muss eigentlich das komplette Konstrukt der Hochschulpolitik hinterfragen, wenn letztendlich eine kleine Minderheit das ganze Bild der Studenten prägt.

Wie sind denn die Mehrheitsverhältnisse in den Uni-Parlamenten? Kann man das grob sagen?

Grob gesagt, sind die Jusos, die Grüne Jugend und der SDS die tonangebenden Kräfte. Also eher Linksaußen bis Linksextrem bestimmen das Bild. Darüber hinaus gibt es kleinere Splitterparteien wie die Marxistisch-Leninistische Studenten-Partei. Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) versucht, an vielen Stellen pragmatisch zu arbeiten, aber außerhalb von Bayern leider selten in der Führungsrolle.

Welche Folgen hat diese Mehrheitsverteilung Ihrer Meinung nach?

Mein Vorwurf ist, dass diese verfestigten linken Strukturen an den Universitäten immer wieder zu Missbrauch von Macht und Geld führen. Die berühmten Hamburger G20-Proteste wurden teilweise mit studentischen Geldern finanziert. Die Proteste wurden vom AStA unterstützt, Busse haben die Demonstranten von der Universität zu den Protestorten gebracht. Das geht zu weit. Der durchschnittliche Student unterstützt mit seinem Semesterbeitrag extremistische Bestrebungen, denn ein teil des Beitrags fließt an die AStAs. Und er kann sich dem nicht entziehen. Öffentliche Gelder fließen zu Gruppen mit absoluten Partikularinteressen, die unsere Demokratie gefährden. Außerdem werden Gremien, wie in den Studentenwerken, einseitig besetzt und dies quasi demokratisch bemäntelt.

Wie positioniert sich denn der RCDS in dem Spektrum?

Wir werden von anderen Hochschulparteien als „rechts“ bezeichnet. Und weil Grüne und SPD keine „Brandmauer“ nach Links haben und mit marxistisch-leninistischen Studentenbünden koalieren, werden wir sozusagen naheliegenderweise als rechts wahrgenommen. Tatsächlich sind wir die einzige konstant demokratische Kraft an den Hochschulen, die eben das scharfe und sich vielleicht auch verschärfende Klima durchaus immer noch aushält.

Wir kämpfen für die Wissenschaftsfreiheit, die wir als gefährdet ansehen. Wir stehen auch für das Leistungsprinzip und sind der festen Überzeugung, dass Deutschland mehr Ressourcen für die Forschung bereitstellen sollte. Wir kämpfen für die Begabtenförderung, denn wir brauchen weiterhin Exzellenz. Und wir brauchen vielleicht auch besonders intelligente Köpfe für disruptive Innovationen.

Wie verändert sich die Lage? Taucht die AfD an den Unis auf?

Die AfD ist noch nicht wirklich an den Hochschulen aktiv. Aktuell klagt die AfD, dass sie in die Studienförderung einsteigen kann. Spätestens nach der nächsten Bundestagswahl werden sie mit der Desiderius-Erasmus-Stiftung Studienförderung betreiben. Dann werden sich Hochschulgruppen bilden und die AfD wird in der Hochschulpolitik auftauchen.

Was wird das für den RCDS bedeuten?

Tatsächlich wird sich etwas verschieben. Bislang war unser Ansatz: Alles, was links von uns war, haben wir opponiert. Und vielleicht manches, was noch konservativer war, als wir es sind, haben wir mitgenommen. Wenn sich jetzt aber eine AfD-Hochschulgruppe bildet, dann würde sich das Klima verschärfen und sich die Ordnung weiter verschieben, weil dann die demokratischen Kräfte weiter aufgerieben werden. Die Desiderius-Erasmus-Stiftung wird garantiert rechtsextreme Burschenschaften besser ansprechen können als wir moderaten, teilweise konservativen, teilweise sozialen RCDSler. Und dann blühen uns an den Unis vermutlich Weimarer Verhältnisse.

Bisher konnte der RCDS also rechte Strömungen integrieren?

Wir sind für viele konservative Studenten, wenn sie sich überhaupt für Hochschulpolitik interessieren, die einzige demokratisch wählbare Alternative. Wir sind auch die einzigen, die einen halbwegs vernünftigen Umgang mit dem Geld wollen. Deswegen ist es nur natürlich, dass Verbindungsstudenten uns eher wählen als irgendwelche grünen Gruppen. Und deswegen ist es auch so, dass wir wohl bisher die Stimmen von rechten Burschenschaften bekommen haben. Wenn jetzt aber natürlich jemand entsteht, der rechts von uns ist, dann würde er diese Stimmen abgreifen können.
 

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Wie werden Sie sich positionieren? Keine Zusammenarbeit mit AfD-Studentengruppen?

Der RCDS hat ein sehr genaues Verständnis davon, was Extremismus ist und was nicht. Extremismus ist alles, was unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, der Gleichheit der Menschen und der Menschenwürde entgegensteht. Und solange die AfD das missachtet, wird es gewiss keine Zusammenarbeit mit einer AfD-Hochschulgruppe geben und auch nicht mit möglichen Desiderius-Erasmus-Hochschulgruppen.

Gibt es darüber im RCDS Streit?

Wir sind uns einig, der RCDS steht sehr, sehr klar gegen die AfD. In den Bundesländern fürchten sich unsere Studentenvertreter teilweise vor einer starken AfD. Wir werden im nächsten Jahr dafür kämpfen, dass die AfD an den Universitäten im Osten nicht die stärkste Kraft wird.

Wie ist denn die Stimmung allgemein unter den Studenten?

Wir sind mit immer komplexeren Problemen konfrontiert, viele davon kann die Hochschulpolitik gar nicht alleine lösen. Deshalb ist es besonders bedauernswert, dass Studenten in der aktuellen Bundesregierung keine Lobby haben. Vor allem finanziell fehlt Unterstützung. Die Einmalzahlung als Inflationsausgleich kam viel zu spät, beim KfW-Studienkredit ist der Zinssatz inzwischen viel zu hoch. Es gibt viele Themen: Die Studenten finden kein Gehör.

Ich wollte noch auf eine Gruppe zu sprechen kommen, die wir noch nicht oder nur kurz angesprochen haben. Das sind migrantische Gruppen an den Unis. Wie organisieren sich diese an der Uni?

Da passiert viel. Also es ist so, dass an den Universitäten verstärkt Gebetsräume eingerichtet werden. Auch muslimische Studenten bilden eigene Parteien, die ihre Interessen vertreten sollen. Grundsätzlich ist das begrüßenswert, weil es Teil der Demokratie ist, dass Gruppen ihre Interessen vertreten.

Sind migrantische Studierende eine Wählergruppe für den RCDS?

Der RCDS sieht sich auch als Anlaufpunkt für Migranten. Wir müssen aber lernen, migrantische Milieus besser anzusprechen. Denn wir haben ein generelles Problem, überhaupt Menschen für Hochschulpolitik zu mobilisieren. Einfach, weil Hochschulpolitik manchmal wenig Spaß macht. Ganz ehrlich gesagt. Man muss jedes Mal mit dem Messer zwischen den Zähnen in die Sitzung gehen, um dann zwölf Stunden Tortur hinter sich zu bringen, nur damit dann am Ende die Sitzung angefochten und für nichtig erklärt wird. Das macht keinen Spaß, und deswegen ist es immer begrüßenswert, wenn sich mehr Gruppen organisieren. Einfach, damit es mehr Vielfalt gibt und das derzeitige System sich ändert.

Sie forschen zu Extremismus und Terrorismus. Wie ist die Lage an den Hochschulen?

Besonders das linksextreme Milieu rekrutiert sich hauptsächlich aus Studenten. Sei es die Letzte Generation, die jetzt immer wieder Anschläge besonders auf Universitäten verübt oder sich, wie bekannt, auf Straßen klebt. Das sind eigentlich alles Leute mit Hochschulabschluss. Es gibt andere linke Gruppen, beispielsweise das Bündnis Krieg und Frieden, ebenfalls aus Kassel. Diese Gruppen werden dann teilweise auch mit Mitteln aus dem Semesterbeitrag finanziert. Es gibt an den Unis einen gewissen Nährboden für Extremismus, ein gewisses Muster. Man kommt als normaler Student an die Universität, wird von einem gewissen Milieu und manchmal auch von Professoren sozusagen umgepolt. Das soziale Umfeld radikalisiert einen – und die prekäre Lage von zum Beispiel BaföG-Empfängern bereitet guten Nährboden dafür.

Geht von den Unis extremistische und terroristische Gefahr aus?

Ja, die Universitäten sind ein Ort der Radikalisierung. Ja, von ihnen geht eine Gefahr für unsere Zivilgesellschaft aus. Und ja, es ist nicht auszuschließen, dass die bis jetzt bestehenden Gruppen nicht noch zu anderen Mitteln greifen. Unsere Veranstaltungen werden jetzt schon gestört und Gewalt angedroht. Neulich wurde eine Diskussionsrunde zum Gesellschaftsjahr quasi unmöglich gemacht. Sie fand statt mit einem Vertreter der Bundeswehr, einer Moderatorin und einer dritten Person, die gegen das Gesellschaftsrecht war. Binnen kürzester Zeit wurde eine Demo organisiert, Aktivisten schlugen gegen die Scheiben, das Gespräch im Inneren wurde durch Musik von außen fast unmöglich. Auch vom Sicherheitsdienst ließen sie sich nicht vertreiben. Das ist noch kein Terror, aber es herrscht ein zermürbendes Klima der Angst.

Was wäre ein Mittel gegen diesen Extremismus an den Unis?

In der Extremismusforschung ist der Blick nach links unterrepräsentiert. Natürlich sind wir historisch verpflichtet, den rechten Rand sehr genau zu beobachten. Dennoch ist es so, dass unterdessen an den Universitäten sehr linke und linksextreme Kräfte auf dem Vormarsch sind. Ganz einfach, weil ihre Ideen dort wie normales Gedankengut gehandhabt werden. Wenn ich offen darüber spreche, dass wir einen Systemwechsel brauchen, ist das Handeln für den Systemwechsel nur noch einen Schritt entfernt.

Das Gespräch führte Volker Resing. 

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