Erste Weltsynode in Rom - Revolution nicht ausgeschlossen

Im Vatikan beginnt heute die von Papst Franziskus einberufene Weltsynode. Die Katholische Kirche muss dabei auch eine Antwort auf die Kulturkämpfe der westlichen Welt finden. Und eine kleine Gemeinheit hat der Papst für die Deutschen parat.

Prälaten kommen an zu einer von Papst Franziskus geleiteten und von den neuen Kardinälen konzelebrierten Messe zum Beginn der XVI. Generalversammlung der Bischofssynode auf dem Petersplatz / dpa
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Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Heute beginnt in Rom ein Weltereignis, doch kaum einer hat es bislang mitbekommen. Und das ist auch schon Teil des Problems. Die „Weltsynode“, die Papst Franziskus ausgerufen hat, wartet mit einigen nie da gewesenen Neuerungen und Überraschungen auf. Tatsächlich könnte sie zu gravierenden Veränderungen in der katholischen Kirche und im Leben der Gläubigen führen, die so weitgehend sind, wie seit 60 Jahren nicht mehr. Nur Aufbruchsstimmung oder Euphorie fehlen noch.

Vier Wochen lang beraten nun im Vatikan 464 Teilnehmer aus aller Welt über die Zukunft der Kirche. Davon haben 364 ein Stimmrecht. Erstmals gehören dem Forum einfache Kirchenmitglieder, also nicht geweihte Katholiken, und darunter auch Frauen mit Stimmrecht an. Zwar sind es nur rund 35 Frauen, die in der Synodenaula mit abstimmen dürfen. Beobachterinnen sprechen jetzt nach den Vorbereitungstagen immerhin schon von einer neuen Atmosphäre unter den Synodalen.

Große Veränderungen im Kleinen versteckt

Papst Franziskus ist ein Meister der Verpackung. Die großen Veränderungen versteckt er im Kleinen und seine Vorliebe für die kleinen Zeichen vollzieht er oft auf großer Bühne. Die Katholische Kirche kannte seit 1800 Jahren, grob gesagt, als oberste Instanzen neben dem Pontifex Maximus nur Synoden und Konzilien, auf denen (männliche) Bischöfe und Priester über die Geschicke der Kirche entschieden. In den ersten zwei Jahrhunderten waren auch Laien dabei. Nun also zurück auf Anfang, es wird mit der Jahrhunderte langen Praxis gebrochen. 

Beteiligung von Frauen, Zugang zu den Sakramenten, Auslegung der Glaubenslehre, Umgang mit Macht und Regeln: Es steht mehr zur Debatte, als es zunächst den Anschein hat. Tatsächlich ist aber zugleich die Zerstrittenheit und Verbissenheit unter den katholischen Akteuren auf einem mitunter geradezu feindseligen Niveau angelangt. Kirchenspaltung lautet das Teufelswort, das keiner ausspricht und doch nicht völlig wegzudenken ist. 

Längst ist der gesellschaftliche Kulturkampf auch in der katholischen Kirche angekommen. Der Ausgangspunkt waren theologische Fragen und innerkirchliche Reformideen, doch tatsächlich werden inzwischen offen oder verdeckt Streitfragen verhandelt, die auch sonst weltweit die Gesellschaften entzweiten.

Die einen sprechen von Gerechtigkeitsfragen, wenn es um die Anerkennung von Minderheiten geht, die sich unter der Abkürzung LGBTQ+ subsumieren, die anderen prangern eine angebliche oder tatsächliche Genderideologie an. Der Erfolg der Weltsynode wird sich auch daran entscheiden, ob hier überhaupt eine globale Einheitsformel, ein globaler Zusammenhalt, noch zu finden ist, auf den die Katholische Kirche seit jeher so stolz ist und ihr Selbstverständnis gründet.

Eine hierarchisch gedachte Kirche

Die Aufmerksamkeit vor allem in Deutschland und der westlichen Hemisphäre für die Weltsynode ist bislang auf eine kirchen-interne Öffentlichkeit beschränkt. Anders als noch bei der Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils 1962 ist die katholische Kirche in Europa massiv geschrumpft und durch massive Vertrauenskrisen geschüttelt. Das Leben der Menschen ist weitaus weniger von religiöser Praxis und kirchlicher Präsenz geprägt. Deswegen betrifft das Weltereignis nicht mehr so viele. Stell Dir vor, es ist Revolution und es interessiert keinen mehr! Aber vielleicht trügt die mediale Realität auch. Die katholische Kirche ist in Deutschland die weiterhin größte Konfession und weltweit mit Abstand die größte und prosperiendste Glaubensgemeinschaft überhaupt.

Offizielles Thema der Weltsynode ist die „Synodalität“ selbst, also die Frage, wie Entscheidungsprozesse und Partizipation in der bislang vor allem hierarchisch gedachten Kirche künftig aussehen sollen. Auch hier sendet der Papst mehrdeutige Botschaften. Natürlich wird über viel mehr gesprochen werden. Die Weltsynode selbst hat er in zwei Teile gegliedert. In den kommenden vier Wochen wird in einer ersten Runde beraten, kommendes Jahr im Oktober findet dann ein erneutes Treffen statt – und der Abschluss. Spannend wird erst dann sein, wie und ob sich die unterschiedlichen Lager und Fraktionen auf ein Abschlussdokument einigen können. Die endgültige Entscheidung über Veränderungen und Kontinuitäten in der katholischen Kirche obliegt dann 2024 wiederum allein dem Papst. Revolutionäre brauchen also Geduld.

Der deutsche Reformprozess

Vor allem sind es die Deutschen, die bei dem Ruf nach Veränderungen besonders laut sind, so laut, dass Franziskus schon offen und verdeckt verärgert reagiert hat. Der in Deutschland in den zurückliegenden Jahren vollzogene „Synodale Weg“ wurde teilweise in Rom kritisch und als Konkurrenz zum päpstlichen Vorhaben gewertet. Tatsächlich sind die Themen des deutschen Reformprozesses aber auch Teil der inoffiziellen und etwas versteckten Agenda der nun beginnenden Weltsynode.

In entsprechenden Vorbereitungsdokumenten zur katholischen Vollversammlung tauchten auch Themen wie die bekannten Streitfragen wie Frauenpriestertum, Umgang mit LGBTQ+ und Gender und auch grundsätzlich Fragen der Moral und der Partizipation bereits auf. Schon das ist eine Revolution, die so unter den Vorgängerpäpsten kaum denkbar gewesen wäre. Und über allem schwebt die Frage der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, auch da wünschen sich einige ein Signal aus der vatikanischen Synodenaula. 

 

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Wenn es auf der einen Seite vor allem auch die deutschen Bischöfe sind, die Franziskus in vermeintlich progressiver Absicht bedrängen, dann sind es auf der anderen Seite konservative und auch reaktionäre Kräfte, die den Papst auf die ihrer Meinung nach rechte Bahn zurückführen wollen. Vier Kardinäle, darunter auch der deutsche Historiker und Theologe Walter Brandmüller, bereits 94 Jahre alt, haben den Papst in so genannten „Dubia“ um Klärung ihrer grundsätzlichen Zweifel gebeten. In ihrer Anfrage ging es unter anderem um die Segnung homosexueller Paare, Veränderungen der Lehre und die Autorität des Papstes.  

Ausgerechnet am Tag vor der Weltsynode wurden nun die Antworten bekannt und sie mögen ganz franziskanisch als programmatische Richtschnur des Papstes auch für die kommenden Beratungen gelesen werden. Franziskus predigt das ganz entschiedene Sowohl-als-auch. Es ist diese Haltung, die sowohl Revolutionäre als auch die Bewahrer zur Weißglut treiben kann. Theologisch ließe sich sagen, dass das so genannte „katholische et-et“ (sowohl als auch) durchaus ein altes Prinzip der Kirchengeschichte ist. Doch es stößt sowohl den modernen Freiheitskämpfern wie auch den anti-modernen Traditionalisten übel auf. Es wird spannend sein, ob die Synodalen dem Kurs des Papstes einer Art radikalen Mitte folgen.

In seinen Antworten auf die Dubia-Kardinäle sieht das dann knapp zusammengefasst und beispielhaft so aus: Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren kann möglich sein, aber bitte nicht als neue Norm und nicht als Angriff auf die christliche Ehe. Diese Unklarheit ist dann beiden Seiten zu wenig. Reichen solche Kompromissformeln aber, um den großen Kulturkampf um das Katholische zu befrieden? Das werden die Debatten in den kommenden Woche zeigen.

Drang zur Systematik

Besonders die Deutschen und die Deutsche Theologie hat in den zurückliegenden Jahrzehnten auch das römische Denken geprägt, besonders natürlich durch Papst Benedikt XVI., alias Joseph Ratzinger, aber nicht minder auch durch seine liberalen Gegner und Widersacher. Gemeinsam war den deutschen Theologen der letzten 70 Jahre ihr Drang zu Systematik und argumentativer Klarheit, das Gegenteil also von Papst Franziskus‘ Faible für die Offenheit und Uneindeutigkeit. 

Deswegen hat sich das Kirchenoberhaupt für die Deutschen eine kleine Bosheit ausgedacht. 11 stimmberechtigte Mitglieder kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Weltsynode. Weitere deutschsprachige Teilnehmer sind in Rom, wie etwa die Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz, die Ordensfrau Anna Mirijam Kaschner. Doch erstmals seit langem wird es keine deutsche Sprachgruppe mehr geben. Die hat der Papst abgeschafft. 

Das war beim Konzil und auch bei Bischofssynoden üblich gewesen, dass die Deutschsprachigen ihr eigenes Recht hatten. Da konnten dann die Deutschen ihre eigenen Strategien und Ideen erarbeiten. Nun müssen sie sich einer anderen Sprachgruppe unterordnen, englisch, französisch, spanisch oder italienisch. Es scheint eine päpstlich-pädagogische Maßnahme, damit die Deutschen mehr zuhören. Einfach wird das nicht, von manchen deutschen Bischöfen ist bekannt, dass sie das internationale Pflaster nicht so gewohnt sind. Zumindest wird es nicht so einfach werden, in Rom mitreden zu können.

 

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