Nebelschwaden im Tölzer Land (Bayern) / dpa

Erinnerungskultur - Keimfreie Geschichte

Ein destruktiver Umgang mit unserer Geschichte und der Erinnerung an selbige greift immer stärker und radikaler um sich. Doch Umbenennen, Abhängen und Verstecken ist nicht Erinnern und Aufarbeiten, es ist Tilgen und Zerstören.

Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Die Vergangenheit ist ein Kompass, der uns hilft, in der Gegenwart kluge Entscheidungen zu treffen für eine lebenswerte Zukunft. Doch in einer Welt, die stetig im Wandel ist, können wir die Bedeutung der Vergangenheit manchmal aus den Augen verlieren.

Dabei liegt dort die Magie – in unserer Geschichte, der guten wie der schlechten. Sie hat uns geformt als Mensch, als Gesellschaft, als Nation. Sie beschreibt, woher wir kommen. Sie schenkt uns Ideen, wohin wir gehen können – und sie warnt, und idealerweise schützt sie uns auch vor Fehlern, die andere Generationen vor unserer bereits gemacht haben.

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Albert Schultheis | So., 17. September 2023 - 17:57

Sie war immer Mittel zum Zweck für totalitäre, menschenverachtende Regime. Das emblematischste Mittel war die Bücherverbrennung oder die Verbrennung ganzer Bibliotheken wie zB die der Nationalbibliothek von Sarajevo oder die Zerschießung der Buddhastatuen in Afghanistan durch die Taliban, die Sprengung der Tempelanlage in der syrischen Ruinenstadt Palmyra durch Terrorgruppen des IS, die "Kulturrevolution" der Mao-Witwe. Es waren immer unglaublich dumme und extrem fanatisierte Menschen, die so etwas getan haben. Warum? Ihr Ziel war nichts Geringeres als die Auslöschung der Erinnerung! Da durfte nichts anderes, evtl sogar Besseres, Friedlicheres, Wohlhabenderes, Liberaleres, gewesen sein vor dem Islam, vor dem Goldenen Zeitalter des 1000-jährigen Reiches, vor der Endzeit des Paradieses des Maoismus, Stalinismus, Honecker-ismus. So auch heute: das Goldene Zeitalter, das beste Deutschland, das es je gab. Endlich haben wir weniger Messermorde und Vergewaltigungen in D als in der alten BRD!

Christa Wallau | So., 17. September 2023 - 18:12

ist in Deutschland von einer Arroganz und Ignoranz gekennzeichnet, die weltweit ihresgleichen suchen. Viele Politiker und Historiker bilden sich bei uns allen Ernstes ein, daß ihre Sicht auf die Welt bzw. ihre Maßstäbe die einzig richtigen seien, und so legen sie denn an sämtliche Ereignisse und Personen der Geschichte ihre Meßlatten an.
Der Gedanke, daß man alles aus seiner Zeit heraus betrachten muß, um darüber ein objektives Urteil fällen zu können, kommt ihnen nicht. Daß sich die heutigen Maßstäbe auch in Zukunft verschieben können bzw. auch werden, interessiert sie ebenfalls nicht.
Also gehen sie rigoros gegen das ehrende Gedenken bei jeder Persönlichkeit der Geschichte vor, die ihre Anforderungen gemäß heute gültiger, "politisch korrekter" Maßstäbe nicht erfüllt.

Wie kann man dabei etwas lernen?
Angeblich soll man das doch können, wenn man sich mit Geschichte befaßt.

Nein, die Heutigen wollen nicht lernen, sondern
nur urteilen, und zwar rigoros - wie mit dem Fallbeil!

Ich kann nur zustimmen. Aber ich stoße auch immer wieder auf die Erkenntnis: wir sind die Alten - das sind unsere Kinder. Sie und ich sind sogar ausgebildete, gebildete Lehrer. Was haben wir falsch gemacht? Das wirft auch einen Schatten zurück auf uns. In unseren Familien, mit unseren Kindern haben wir bestimmt vieles richtig gemacht - aber da draußen in der Gesellschaft? Haben wir den Lenzens, den Hügles, den laportas nicht entschieden genug Paroli geboten? Waren wir zu feige, sie rechtzeitig zu konfrontieren? - Nein, die tragen auch eine Verantwortung, wir sitzen alle im gleichen Boot. Soll man die, die das Boot aufschaukeln über Bord werfen? Ja, vielleicht. Ich habe es vorgezogen aus diesem bescheuerten Boot auszusteigen. Schon ganz früh, weil ich denen nie getraut habe. Sollen sie doch ihr Boot Deutschland weiter aufschaukeln. Am Ende herrschen immer die Fallbeile. Sie sind die besseren Lehrer als wir. Kultur, das Schöne? Das verspürt jeder nur in sich selbst. - Oder halt Krieg!

Nägel mit Köpfen: Es ist autoritäre Arroganz. Sie war es schon immer. Geschichte wird umgeschrieben, uminterpretiert, gesäubert. Die Nazis haben Bücher verbrannt, in "1984" wird die Geschichte, der jeweiligen Macht angepasst und dazu kontinuierlich umgeschrieben.

Das sehe ich auch heute wieder an vielen Beispielen. Man schaut nicht mehr hin, nimmt nicht mehr zur Kenntnis, sondern man hat bereits am Anfang einen einseitigen Blick und unter diesem Bias wird die, Wirklichkeit sofort gefiltert und uminterpretiert. Wer die Geschichte nicht annimmt, sich nicht damit auseinandersetzt, der ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.

Beurteilung von einem eindimensionalen heutigen Standpunkt aus perpetuiert nur, was an Einstellungen bereits vorhanden ist. Das bringt keine neuen Erkenntnisse, geschweige denn eine gerechte Beurteilung früherer Vorgänge, sondern führt in eine Sackgasse verfestigter Vorurteile.

Man muss alles im Kontext der damaligen Zeit sehen - oder man sieht gar nichts.

Jens Böhme | So., 17. September 2023 - 18:55

Mit der Löschung von Erinnerungen, Geschichte und Sprache werden einhergehend auch Meinungen und Wahlentscheidungen gelöscht. Ersteres ist Merkmal autoritärer Gesellschaftsformen. Beides sind Merkmale moderner, demokratisch-freier Gesellschaftsformen. Wir sind auf dem besten Weg in autoritäre, unfreie Gesellschaftsordnung. Wir merken es nicht (sofort), weil die Autoritären als Freiheits- und Demokratieverteidiger gewählt werden.

Henri Lassalle | So., 17. September 2023 - 19:23

Einerseits werden die historisch einmaligen Verbrechen des Nazi-Regimes von der Welt nicht vergessen.; das wird den Deutschen noch lange anhaften. Was durchaus nachvollziehbar ist: Hitler war nur eine Person, seine Kernbande bestand vielleicht aus ein paar Dutzend - den Rest machte das Deutsche Volk, aktiv, als Mitläufer, Zuarbeiter oder passiver Zuschauer und Erdulder. Der Widerstand organisierte sich erst wirklich im Sommer 1944, nach der Landung der Alliierten. Andererseits meine ich, dass die Kollektivschuld nicht vererbar ist. Was haben die heutigen Deutschen mit den Verbrechen der Nazis zu tun? Erinnern, nie vergessen und mahnen ja, aber die Deutschen sollten endlich ! das Kreuz ablegen, das sie seit 1945 tragen. Das ewige Selbstkasteien nützt niemanden etwas, allenfalls solchen, die versuchen, Schuldgefühle auszunutzen - das gibt es und nicht zu knapp.

Helmut Bachmann | So., 17. September 2023 - 19:58

Ja, es geht um „Reinheit“, die erzeugt werden soll, hohl wie ne Nuss, aber zunächst außen „glänzend“. Und ganz nebenbei soll uns ausgetrieben werden, unsere Geschichte, unsere Kultur und unsere Sprache zu lieben. Doch ohne die Liebe geht das Gemeinwesen kaputt, das ist das Ziel.

Thorwald Franke | So., 17. September 2023 - 20:15

Wenn man bedenkt, dass alles (!) aus der Vergangenheit kommt, und alles zu Vergangenheit wird, ist das verständnislose Abräumen aller Vergangenheit einfach dieses: Unvernünftig.

Und das ist der Kern der Hysterien. Es geht nicht um vernünftiges Handeln, sondern gerade, dass es eben nicht vernünftig ist, ist das Ziel. Im Grunde ist es eine Art Selbstaufgabe, eine Art "erweiterter Suizid", wie der Flugzeugkapitän von GermanWings, der seine Passigiere mit in seinen Tod nahm.

Ben Krischke zeigt auch schön einen der Unterschiede von Mensch und Tier: Die Kuh auf der Weide ist glücklich. Nur den Menschen schmerzt, dass er gefangen ist, und dass er geschlachtet wird. Die Vermenschlichung der Tiere ist im Grunde eher eine Vertierung des Menschen: Seine Reduktion auf aktuelle Gefühle.

Markus Michaelis | So., 17. September 2023 - 21:16

Geschichte wird heute oft so erzählt, dass man die bisherige als Konstruktion entlarvt hat (konstruierte europäisch-weiße-völkische Weltsicht), die in Bezug auf Klima und Diskriminierung zu viel Unheil geführt hat. Jetzt erzähle man die wahre Menschheitsgeschichte, die offen und gerecht für alle Menschen sei.

Ich halte dieses Denken selber für gefährlich. Geschichte ist immer Konstruktion - man kann als Mensch nicht alles erfassen. Wir ordnen immer zu und diese Bezüge geben Orientierung. Es ist gut zu wissen, dass das auch konstruiert ist, aber das scheinen gerade die Progressiven zu vergessen, die ihre Sicht für absolut halten.

Das zerschlägt viel Möglichkeit, verhindert Verständigung und man übernimmt sich, weil wir bis jetzt noch kein Konstrukt gefunden haben, das alle Menschen einschließt. Vielleicht ist es auch besser anderen einfach Raum zu lassen, als die Idee unbedingt alle in das eigene Konstrukt einzuschließen.

Stefan Jarzombek | So., 17. September 2023 - 22:00

Zerstörung im Irak
IS-Milizen sprengen antike Königsresidenz der Assyrer

08.03.2015, 18.32 Uhr
Mossul - Am Sonntag hätten die IS-Kämpfer damit begonnen, die Ruinen der Festungsanlage Dur Scharrukin im heutigen Chorsabad zu sprengen. Das berichteten Mitarbeiter der Altertumsbehörde in Ninive der Nachrichtenagentur dpa.

Im März 2001 sprengten die Taliban, die in Afghanistan die Macht übernommen hatten, die Statuen in die Luft, obwohl sie längst nicht mehr religiös verehrt wurden. Im Furor der radikal-islamischen Taliban gegen jegliche Kultgegenstände wurde auch das Nationalmuseum in Kabul verwüstet.

Keimfreie Geschichte endet wahrscheinlich so wie in den oben genannten Berichten.
Die Roten Khmer, Mao Zedong oder Stalin waren vom gleichen Typus.
Hier sollen statt echter Vergangenheitsbewältigung nun solche Methoden zum Tragen gebracht werden? 🤔
Wer denkt sich sowas aus Herr Krischke? Die Leute von denen Grünen, die SPD ???

Jürgen Rachow | So., 17. September 2023 - 22:37

Diese schönen Worte werden die geschichtslosen, ja nihilistischen Banausen, die mit Deutschland und erst recht mit deutscher Geschichte nichts anfangen können, nie erreichen.

Lutz Hofmann | Mo., 18. September 2023 - 05:36

Schon im Deutschunterricht der 1970er Jahre wurde gelehrt, Texte immer im Kontext der Zeit zu betrachten in der sie entstanden sind. Der Leser sollte unterstützt werden sich in die damalige Zeit hinein zu versetzen und damit den Text zu verstehen. Das Beispiel der Mohrenstaße trifft es auf den Punkt.

Brigitte Miller | Mo., 18. September 2023 - 09:03

ein wichtiger richtiger Text, danke dafür.

Wolfgang Borchardt | Mo., 18. September 2023 - 09:24

an DDR-Schulen war es üblich, Unpassendes auszublenden. Und eigentlich fing die wahre Geschichte erst nach 1945 an. Alles Andere war nur ein Daraufhinarbeiten. Eine Besonderheit war die spätere Ausgrabung und Wiederbelebung preußischer Tugenden, als die nützlich erschienen. Die versuchte und teils erfolgreiche Bilderstürmerei löscht Geschicht nicht aus. Im gesunden Fall würde man Geschichte weder zu tilgen versuchen noch sich in unendlicher, heuchlerischer Selbstkasteiung üben, sondern daraus zu lernen versuchen. Aber mit ungewaschenen Gehirnen lässt sich besser umgehen. Und selbständiges Recherchieren liegt den Meisten nicht. GB oder F haben eine wesentlich umfangreichere Kolonialgeschichte als D, ohne an Selbstvorwürfen zu ersticken.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 18. September 2023 - 10:08

Und ich meine nicht mit Gewalt auf der Straße, sondern mit friedlichen Demos gegen diese Politik der Geschichtsvergessenheit, dem Identitätswahn, dem Gender Gaga u.v.m. Die Bürger müssen sich dem Ganzen entziehen, nicht anwenden, wo immer es geht dagegen sprechen, auch auf die Gefahr hin, dass die Moralkeule mit der Aufschrift "Nazi" geschwungen wird. Diese Keule ist inzwischen ein dünnes Zweiglein geworden. Die Menschen sich nicht mehr einreden und einschüchtern, nur weil sie bei bestimmten Themen andere Meinungen vertreten, zu braunem Kaffeesatz gezählt zu werden. Nicht mitmachen ist die Devise. Und wenn man nur gendernden Behördenschreiben entgegenwirkt. Im täglich Sprachumgang hören sie nicht einen Gendersatz, außer er kommt von den Msm und den ÖRR. Da muss es endlich ansetzen und dem ÖRR untersagt werden, uns mit unseren Steuergeldern sprachlich umzuerziehen. So richtig Ihr Artikel ist Herr Krischke, der Inhalt wird nicht von den und ideologiezerfressenen links-grünen verstanden.

Walter Bühler | Mo., 18. September 2023 - 13:18

Berlin-Mitte wird von grünen Bürgermeistern gelenkt, bis 2022 von Herrn von Dassel. Er verlor seinen Posten, weil er seinen Wunschkandidaten für eine Stelle durchmogeln wollte, indem er Mitbewerbern Geld angeboten hat, falls sie ihre Bewerbung zurückziehen.

Im Jahr 2022 habe ich - wegen Götz Aly - einen eigenen Widerspruch gegen die Umbenennung der Mohrenstraße eingelegt.

Es ist richtig, wenn man an den frommen Theologen und Astrologen A. W. Amo erinnert, der als erster Schwarzer an einer deutschen Universität (Halle) studiert hat und dort auch Professor werden konnte. Daher habe ich vorgeschlagen, den Namen ‚Anton-Wilhelm-Amo-Straße‘ für eine neue Straße in unserem Bezirk zu vergeben.

Mein Widerspruch wurde von der zuständigen Stadträtin genau so fehlerhaft und frei von Sachkenntnis abgebürstet, wie sie es mit allen anderen Einsprüchen gemacht hat.

Für die Erstellung der fehlerstrotzenden Ablehnung habe ich 127 Euro bezahlen müssen.

Berliner Dummheit ist manchmal teuer.