Berichterstattung über „Döpfner-Leaks“ - Tage der Abrechnung

Die „Döpfner-Leaks“ wachsen sich zur großangelegten Anti-Springer-Kampagne aus. Mit Fackeln und Mistgabeln wird zum Angriff auf Mathias Döpfner und ein Medienhaus geblasen, das gewissen Journalistenmilieus schlicht ein Dorn im Auge ist.

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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Man muss schon ziemlich schräg drauf sein, um sich in eine Talkshow zu setzen und in aller Öffentlichkeit dazu aufzurufen, Produkte der Konkurrenz zu boykottieren. Und sogar noch schräger, wenn es sich bei der Konkurrenz um ein freies und privates Medienhaus handelt, das einen völlig legitimen Platz im medienpluralistischen Deutschland hat. Spiegel-Kolumnistin Sabine Rennefanz findet das aber offensichtlich total normal, weshalb sie sich bei Maischberger zu dem Satz hinreißen ließ: „Ich kann nur sagen: Keine Springer-Produkte kaufen!“

Rennefanz wirft Mathias Döpfner im Zuge der Debatte um die „Döpfner-Leaks“ unter anderem „absolute Unflätigkeit“, einen „herablassenden Ton“ und seine Aussagen über „die Ossis“ vor. Zur Erinnerung: Der Spiegel ist jenes Nachrichtenmagazin, das Ostdeutschland einst als „Dunkeldeutschland“ markierte, Geld von Bill Gates erhält und mit der Relotius-Affäre einen der größten Medienskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte produziert hat. Man stelle sich vor, ein Welt-Kolumnist hätte damals dazu aufgerufen, keine Spiegel-Produkte mehr zu kaufen: Da wäre die Hölle losgewesen. 

Die eine oder andere offene Rechnung

Gleichwohl reiht sich Rennefanz mit ihrer selbst grob unflätigen und herablassenden Aussage sehr gut ein in einen Medienmob aus Journalisten links der Mitte, der derzeit mit Fackeln und Mistgabeln Jagd auf Mathias Döpfner und den Springer-Konzern macht. Die Zeit hat mit ihren umstrittenen „Döpfner-Leaks“ – umstritten deshalb, weil private Korrespondenz, die aus dem Zusammenhang gerissen wurde – die Flanke durchbrochen. Und zahlreiche „Kollegen“ wollen die Gunst der Stunde nun nutzen, um in einem fast orchestriert wirkenden Angriff auf den Springer-Verlag die eine oder andere offene Rechnung zu begleichen.

Das geht so weit – das ist derart obsessiv –, dass sich die Redaktion von t-online.de nicht zu blöde war, eine Umfrage zu machen, ob Döpfner als CEO der Konkurrenz zurücktreten sollte. Das Ergebnis: Die „Mehrheit der Deutschen“ ist dafür. Wahrscheinlich derart, möchte ich anmerken, wie sich die „Mehrheit der Deutschen“ regelmäßig auf t-online.de verirrt, weil sie glaubt, dort Mobilfunktarife vergleichen zu können. Wie schräg muss ein Medienhaus eigentlich drauf sein, um über den Rücktritt eines Vorstandsvorsitzenden der Konkurrenz abstimmen zu lassen? Man stelle sich vor, die Bild würde das andersherum genauso machen. Auch da wäre die Hölle los.  

Der Zweck heiligt die Mittel

Nun kann man die Nachrichten, die Döpfner verschickt hat, freilich als geschmacklos empfinden. Das wars im Prinzip aber auch schon, weshalb die Fortführung dieser Anti-Springer-Kampagne maßgeblich davon abhängt, einzelne private Nachrichten küchenpsychologisch überzudeuten und möglichst viel herumzuraunen, weil es sonst schlicht nichts mehr zu berichten gäbe. Damit bedient sich gleich eine ganze Reihe Medienhäuser, in denen sonst gerne auf den Boulevard und insbesondere die Bild-Zeitung geschimpft wird, exakt jener Methoden, die sie anderen vorwerfen. Der Zweck heiligt dann offenbar doch die Mittel. Und wenn es gegen Springer geht, scheint jedes Mittel recht. 

 

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Boulevard ist, einen Aspekt respektive einzelne Aspekte aus einer komplexeren Gemengelage herauszulösen und diese maximal aufzublasen. Exakt dies geschieht derzeit in der Berichterstattung über Mathias Döpfner. Und exakt das war auch schon im ursprünglichen Zeit-Artikel der Fall, wie Cicero-Autor Mathias Brodkorb in seinem lesenswerten Text „Tendenzartikel gegen Tendenzvorstand“ kritisiert. Er schreibt: „Gerade wenn man anderen einen Mangel an journalistischer Seriosität vorwirft, sollte man selbst nicht unter der Latte durchlaufen.“

Beispielsweise muss man intellektuell schon ziemlich kleingeistig unterwegs sein, um ernsthaft zu glauben, dass Döpfner wirklich alle Ossis für Faschisten oder Kommunisten hält oder dass seine Nachricht „Please Stärke die FDP“ ein Beweis dafür sei, dass in den Redaktionen von Welt und Bild nicht unabhängig von den Präferenzen des Springer-CEOs gearbeitet werden könnte. Mal abgesehen davon, dass, wenn dem so wäre, nicht Döpfner das Problem wäre, sondern die Chefredaktionen, wenn die sich so etwas gefallen lassen würden. Dafür gibt es mit Blick auf die Berichterstattung von Welt und Bild zur FDP aber überhaupt keine Anzeichen. Im Gegenteil: Während die Springer-Presse regelmäßig auch die FDP kritisiert, trommeln andere Redaktionen unbeirrt weiter für die Grünen.

Ellenlange Geschichte, keine Relevanz

Außerdem muss man schon arg viel Geld und Zeit und wenig Anspruch haben, wenn man beim Spiegel eine ellenlange Geschichte mit dem Titel „Denver, Dallas, Döpfner“ schreibt, in der im Prinzip nichts von öffentlicher Relevanz drinsteht, und die nur deshalb zur Geschichte wird, weil man sie an den richtigen Stellen mit reinen Spekulationen „abrundet“, Döpfner als „vermeintlichen Feingeist“ betitelt, alltägliche Meinungsverschiedenheiten über Personalien zum Kulturkrieg hochstilisiert und Sätze schreibt, für die sich sogar die Regenbogenpresse schämen würde. Zum Beispiel: „Wie wird die Soap weitergehen? Mit dem Abgang des Hauptdarstellers?“ 

Und man muss schon auch arg ideologisch verblendet und von jeder Menge Ressentiments gegen Springer getrieben sein, wenn man Döpfner nun zum „kruden Quer-Denker“ erklärt, wie es der Stern gerade macht, der obendrein noch behauptet, Döpfner wünsche sich ein „radikaleres Deutschland“. Ist das noch Journalismus – oder kann das weg? Zur Erinnerung: Das ist das gleiche Nachrichtenmagazin, das anlässlich des „Weltklimatages“ des Jahres 2020 eine ganze Ausgabe mit den Radikalinskis von Fridays for Future gemacht hat. 

Bezeichnend auch der Umgang der taz mit dem Fall: Dort wird Döpfner als „Unser Trump“ bezeichnet und geurteilt: „Springer-Chef Mathias Döpfner verkörpert ein Großbürgertum im Verfallsstadium – noch dumpfer und bösartiger, als zu befürchten war.“ Wer so schreibt, sollte sich ernsthaft Gedanken machen über die eigene Paranoia und als Teil der linken Medienbourgeoisie dann und wann die eigenen „Privilegien checken“. 

Kindergartige Selbstüberhöhung 

Die breite Beschäftigung mit den „Döpfner-Leaks“ macht auch vor dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht Halt. Dort sieht man die Gunst der Stunde ebenfalls gekommen, einem Verleger eins reinzuwürgen, dessen Medien – namentlich Welt und Bild – das öffentlich-rechtliche System regelmäßig kritisieren.

In einem „Tagesthemen“-Kommentar wird Döpfner „Kampagnenjournalismus“ vorgeworfen und Springer als „Medienunternehmen mit einer vollkommen ungesunden Machtkonzentration“ bezeichnet. Im Deutschlandfunk wird derweil spekuliert, ob die Springer-Berichterstattung schuld sein könnte, wenn demnächst ein Klimakleber von einem aufgebrachten Autofahrer überfahren wird. Zur Erinnerung: Die ARD steht für ihre politische Einseitigkeit immer wieder in der Kritik, auch antisemitische Ausfälle kommen hin und wieder vor, und nicht wenige ARD-Redaktionen haben sich während der Corona-Pandemie als verlängerte Pressestelle der Bundesregierung blamiert. Und von einer gesunden Machtkonzentration war zuletzt mindestens der RBB meilenweit entfernt. 

Ein superduperguter Influencer-Award

Obendrauf kommt dann noch die kindergartige Selbstüberhöhung des eigenen Anti-Springer-Standpunktes in den sozialen Medien. Der Chef der Sonntagsausgabe der taz, Felix Zimmermann, bezeichnet Springer-Journalisten auf Twitter als „Freiheits-Schnuckis“ und „Befehlsempfänger“. Der Blogger Thomas Knüwer schreibt: „Und auch weiterhin gilt: Wer für Axel Springer arbeitet hat entweder kein Interesse am Fortbestand der Demokratie (was OK ist) oder er ist ein Feind der Demokratie.“ Knüwer ist übrigens Mitgründer des Influencer-Awards „Goldene Blogger“, der in meiner Zunft superdupergut ankommt. 

Und WDR-Journalist Lorenz Beckhardt twittert: „Helft der Demokratie! Abonniert die deutschen Qualitätszeitungen! BILD und Welt gehören nicht dazu. … Auch deshalb übrigens gibt es ARD und ZDF und den Deutschlandfunk.“ Beckhardt arbeitet übrigens für „Quarks“, deren Social-Media-Abteilung so viele hanebüchene Grafiken veröffentlicht, dass irgendwann ein von „Quarks“ inspirierter Satire-Account namens „Quark“ entstanden ist, dem mittlerweile über 40.000 Nutzer folgen. Inwiefern es außerdem der Demokratie helfen soll, wenn mit der Hilfe von Zwangsgebühren identitätspolitische Verhaltensweisen propagiert werden, der Begriff Mutter durch „gebärende Person“ ersetzt und das Kopftuch als Ausdruck des Feminismus gefeiert wird, wäre weiter zu diskutieren.

Ganz viel Geschwurbel

Für den Springer-Chef sind die „Döpfner-Leaks“ zweifellos unangenehm, ja, blamabel vielleicht. Aber zum Fremdschämen ist der Umgang vieler Redaktionen mit den Enthüllungen der Zeit, sind die eigenen „Recherchen“ der Trittbrettfahrer, deren Ergebnisse so gähnend langweilig sind, dass es ohne Etikettierungen, Spekulationen und ganz viel Geschwurbel nicht reicht für eine halbwegs taugliche Veröffentlichung.  

Zum Fremdschämen ist aber auch der simple Umstand, dass man bei der Causa Döpfner ganz erpicht darauf scheint, immer neue Details zu publizieren, immer noch eins drauf zu setzen, während es dort, wo es wirklich eine gesellschaftliche Relevanz geben würde für kritischen Journalismus, an Engagement mangelt. Etwa bei der Frage, ob die Ampelkoalition uns gerade ideologiegetrieben in den Abgrund führt. Oder bei der Aufarbeitung der Corona-Pandemie.

Was das Corona-Thema betrifft, hat bisher insbesondere die Welt einen vorbildlichen Job gemacht. Gut möglich also, dass die Pro-Maßnahmen-Front von Spiegel bis t-online.de dem Springer-Verlag partout nicht verzeihen kann, dass dort in der Pandemie kritischer Journalismus gemacht wurde, während man selbst die Welt unbedingt vor Viren und Leugnern retten wollte. Das würde auch erklären, warum man im Fall Döpfner derart die Contenance verliert: Es plagt das schlechte Gewissen, also projiziert man seinen Selbsthass auf andere. Aber das, sollten Sie wissen, ist freilich nur reine Spekulation. 

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