Cicero Jugend-Serie „Contra Woke” - Gender-Ideologie: Warum wir ein klares Männlichkeitsideal brauchen

Unter Gender-Aktivisten wird seit Jahren eifrig über die Auflösung des männlichen Geschlechts fantasiert – doch lassen sich biologische Unterschiede nicht wegdiskutieren. Es braucht daher einen neuen, selbstbewussten Umgang mit der eigenen Männlichkeit.

James Dean in „Jenseits von Eden“ (1955) / picture alliance
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Autoreninfo

Felix Huber studiert Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin.

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Die Medien sind in den letzten Jahren daran gescheitert, ein Bild der jungen Generation zu zeichnen, das mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Wir möchten die Debatte über die Generation Z daher nicht länger identitätspolitisch motivierten Redaktionen überlassen. Denn junge Menschen bewegt mehr als Fridays for Future, Body Shaming und Black Lives Matter.

Die Cicero Jugend-Serie „Contra Woke“ möchte all jenen jungen Menschen eine Stimme geben, die dem vorherrschenden woken Zeitgeist nicht entsprechen, aber gehört werden müssen, um die echte Lebensrealität und die wahren Sorgen der jungen Generation zu verstehen. Sie möchten selbst einen Artikel einreichen? Gerne, schreiben Sie uns hierfür eine Mail an: redaktion@cicero.de.

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Seit geraumer Zeit wird in den Medien immer häufiger von toxischer Männlichkeit gesprochen. Der Begriff selbst wurde in den 1980er Jahren von Frauenrechtlerinnen geprägt und bezog sich in seiner Urform vor allem auf die Steven Segals und Dolph Lundgrens dieser Zeit. Steinharte Männer, die emotional kalt, gewaltbereit und Frauen gegenüber extrem dominant waren. Männer, die einen solch starken Hang zu Aggressionen und derartige emotionale Kälte ausstrahlen, sind 2024 verständlicherweise keine passenden Leitfiguren mehr und haben es daher im öffentlichen wie auch im privaten Leben recht schwer. 

Denn Männlichkeit ist keine Karikatur eines Actionhelden oder eine abgeschlossene Checkliste, sondern ein weitaus komplexeres Konstrukt. Kein Mann sollte emotional verkümmert oder übermäßig aggressiv sein, das ist damals wie heute zu Recht Konsens. Die alten Ideale sind in der Mitte der Gesellschaft also schon lange kein Thema mehr.  

Der falsche Blick auf Ideale und Rollenbilder

Trotzdem werden dieser Tage alle jemals akzeptierten und tradierten Rollenbilder auf den Prüfstand gestellt. Es scheint mehr und mehr zur vorherrschenden Meinung zu werden, dass Geschlechteridentitäten und -ideale aus der Zeit gefallen und Gedankengefängnisse sonst freier Menschen sind. Sogar die biologischen Voraussetzungen, die einen zum Mann machen, werden weiter angesägt. Dass einen die eigenen Chromosomen und Keimzellen zum Mann machen, ist trotz aller anderen Vorstellungen immer noch wahr und richtig. Allerdings schränkt es niemanden ein, wenn ihn Penis, Hoden und XY-Chromosomen automatisch dem männlichen Geschlecht zuordnen. Doch in Zeiten, in denen jemand angeblich bereits ein Mann ist, sobald er oder sie sich wie ein Mann fühlt, ist ein sozial anerkanntes, grundlegendes Männlichkeitsideal genau so dringend notwendig wie biologische Merkmale.  

Überhaupt sind Ideale keine Schablonen, die man ohne Abweichung oder Spielraum auf eine Person anwenden können muss, um ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder einem Geschlecht nachzuweisen. Schon der deutsche Philosoph und Mathematiker Paul Lorenzen war der Meinung, dass ein Ideal als eine Art Leitlinie für Verhalten zu betrachten sei, die allerdings nicht erreicht werden müsse. Vielmehr ist das Ideal in seiner Grundform ein gesellschaftliches Übereinkommen bezüglich eines allgemeinen akzeptierten Vergleichsmusters.

Ideale sind Leitlinien, keine Diktate

Vielen Argumentationen, die gewisse Werte wie emotionale oder körperliche Stärke, Dominanz und Wettbewerbseifer als toxisch männlich abstrafen, liegt dieser Trugschluss zugrunde. Nur weil ein generelles Männlichkeitsideal vorsieht, in Stresssituationen und bei Problemen emotional ruhig zu bleiben, dürfen Männer immer noch weinen oder traurig sein. Bei Schicksalsschlägen und in schweren Phasen Emotionen zu zeigen, ist sogar anerkannt und gesund. Trotzdem ist es nicht erstrebenswert, dass Männer ganztägig in Tränen ausbrechen, weil der Computer nicht startet. 

Weiter wird auch kein abwertendes Verhalten gegenüber Mitmenschen oder gar Aggression vorausgesetzt, wenn davon gesprochen wird, dass Männer grundlegend entscheidungsfreudig und meinungsstark sind. Männer sollen und können weiter in sozialen wie beruflichen Kontexten führen und Entschlüsse treffen. 

Die Grenzen von Männlichkeit haben sich zum Glück vom Stereotyp des harten Kerls entfernt. Das heißt aber nicht, dass beispielsweise die grundsätzlichen biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen keine Rolle mehr für die Bewertung der geschlechterbezogenen Idealbilder spielen sollten.

Biologische Unterschiede als Grundlage sozialer Normen

Da Männer durch ihre Knochendichte, ihren Muskeltonus und das Sexualhormon Testosteron im Durchschnitt deutlich stärker als Frauen sind, ist es nicht rückständig, physische Stärke und gewisse Beschützerinstinkte einem männlichen Leitbild zuzuschreiben. Deswegen muss niemand professioneller Kampfsportler werden, doch der Grundgedanke bleibt bestehen. Biologische Voraussetzungen und Unterschiede, die Männer und Frauen kennzeichnen, lassen sich eben nicht wegdiskutieren. 

 

Zuletzt in der Jugend-Serie „Contra Woke“ erschienen:

 

Östrogen sorgt bei Frauen für eine höhere emotionale Intelligenz und größeres Einfühlungsvermögen, während Männer durch den Einfluss von Testosteron ein größeres Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen entwickeln. Frauen interessieren sich mehr für Menschen, Männer dagegen mehr für Dinge. Diese und andere Merkmale der Geschlechter können und sollten in unsere Vorstellungen der Geschlechter miteinfließen. Denn die sozialen Geschlechterrollen haben sich an unsere ursprünglichen, natürlichen Ausgangsvoraussetzungen angeschmiegt.

Wir brauchen ein ungefähres Männlichkeitsideal

Nur weil es keine hundertprozentig genaue, wasserdichte Definition von Männlichkeit gibt, der jeder Mann jederzeit entsprechen kann, gibt es trotzdem gewisse männliche Eigenschaften und eine ungefähre Vorstellung von Männlichkeit. Besonders für die Entwicklung junger Männer sind Idealbilder unumgänglich. Dieser ungefähren Richtung können Heranwachsende natürlich auch widersprechen, sich von ihr abgrenzen und alternativ einen eigenen Weg einschlagen. Wichtig ist nur, dass es überhaupt eine Grundlage gibt. Damit junge Männer eine entspannte, gesunde Männlichkeit entwickeln können, darf nicht auch noch das Konzept der Männlichkeit bis hin zur völligen Beliebigkeit verwässert werden. Die Folgen sind entweder beliebiges, androgynes, selbstdestruktives Verhalten, das sich zwar gut in den aktuell glorifizierten Hedonismus einpflegen lässt, aber nicht als Ideal taugt.

Ebensowenig wie der komplette Gegensatz. Denn in ihrer Haltlosigkeit suchen immer mehr junge Männer ihr Heil in veralteten, teils karikaturhaften Rollenbildern und entwickeln eine höchst ungesunde Obsession mit ihrem Idealbild. Für sie wird Männlichkeit zum Selbstzweck: 18-jährige Jungs, die über den „Platz von Frauen“ und „starke Männer“ reden und dabei wirken, als wären sie geradewegs den eingangs angesprochenen B-Movie Actionfilmen entsprungen. Diese Vorbilder sind ohne Frage manchmal rückständig, frauenfeindlich und ganz sicher nicht besonders erstrebenswert. 

Ein Mann muss eben in der heutigen Zeit nicht nur stark sein, sich auf die eigene Alphamännchen-Brust trommeln und potentielle Konkurrenten ausschalten. Heutzutage werden von Männern andere Qualitäten verlangt. In partnerschaftlichen Beziehungen wird emotionale Offenheit und Unterstützung gebraucht, und auch die Väter der 2020er Jahre haben wenig mit denen von vor vier Generationen zu tun. Sich von Internetpersönlichkeiten wie dem ehemaligen Webcamstudio-Betreiber und Kickboxer Andrew Tate über „richtige Männlichkeit“ aufklären zu lassen, ist eher ein Ausdruck verzweifelter Vorbildersuche als der einer neuen selbstsicheren Männlichkeit. 

Die Flucht in die Extreme lässt sich in vielen Bereichen mit dem Fehlen einer gesunden Mitte erklären. So auch beim Thema Männlichkeit. Ein völlig überzeichnetes, altertümliches Männer- und Frauenbild ist so oftmals der Wunsch nach Zugehörigkeit zu irgendeinem Ideal – sei es noch so fragwürdig oder überspitzt.

Die totale Auflösung der Geschlechterunterschiede

Immer mehr Männlichkeit anzuhäufen, nur um männlich zu sein, ist vor allem aber eine Reaktion auf das Vakuum, das sich seit geraumer Zeit gesellschaftlich ausdehnt. Denn dem Wunsch nach immer mehr und immer männlicherer Männlichkeit steht die totale Auflösung jeder Vorstellung von Geschlechteridealen gegenüber. Ganz besonders die Auflösung von Männlichkeit. So stellen öffentlich-rechtlich finanzierte Video-Formate die Frage „Brauchen wir überhaupt noch Männlichkeit?“, und Aktivisten erklären Geschlechterrollen zu bloßen Luftschlössern.

Dabei stellt sich die Frage nach Männlichkeit in einem optimalen Umfeld überhaupt nicht. Männlichkeit und Weiblichkeit sind intuitiv besetzte Felder, deren gesellschaftliche Komponente man bestimmt liberal betrachten, aber keinesfalls wegdiskutieren kann. 

Extreme Auswüchse von Männlichkeit, in die eine oder die andere Richtung, sind direkte Folgen einer Umwelt samt Ideologie, die männliche Werte und Charaktereigenschaften am liebsten gar nicht mehr benötigen würde. Doch Ideale bieten die Chance zur Orientierung und ein Spektrum, auf dem sich Männer selbst finden und einordnen können. Nur so können sie zu gelassenen, ausgeglichenen Mitgliedern der Gesellschaft heranwachsen und ihren Teil zu deren Fortbestehen beitragen.

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