Manuela Schwesig und die Gazprom-Millionen - Grünen-Politiker Volker Beck erstattet Strafanzeige wegen „Klimastiftung“

Sind die Steuererklärungen der Nord-Stream-2-Stiftung in Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich verschwunden? Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) fordert, dass die Staatsanwaltschaft den Fall unter die Lupe nimmt und hat Strafanzeige erstattet. Anlass dafür war ein Cicero-Bericht. Im Interview erklärt Beck, was er sich von der Anzeige verspricht.

Volker Beck / dpa
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Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Am Mittwoch berichtete Cicero, dass das zuständige Finanzamt angeblich die Steuererklärungen der von Manuela Schwesig und ihrer Landesregierung gegründeten Stiftung Klima- und Umweltschutz MV verloren haben soll. Der Artikel löste viel Wirbel aus; der ehemalige Grünen-Politiker Volker Beck verkündete noch am Abend via Twitter, Strafanzeige eingereicht zu haben. Die Anzeige liegt Cicero vor. Volker Beck war von 1994 bis 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags. Zeitweise war er rechtspolitischer, menschenrechtspolitischer, innenpolitischer, religionspolitischer sowie migrationspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Von 2014 bis zu seinem Ausscheiden war er zudem Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages.

Herr Beck, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie vorgestern Abend beschlossen, spontan Strafanzeige wegen der Affäre um die „Klimaschutzstiftung“ zu erstatten?

Ich dachte: „Wie? Das jetzt auch noch. Unterlagen verschwunden? Da ist doch bestimmt etwas faul.“

Ihre Anzeige richtet sich gegen die Verantwortlichen beim zuständigen Finanzamt und bei der Stiftungsbehörde. Gibt’s da keine konkreten Personen?

Ich habe Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich das nicht näher konkretisieren. Das müssen die Ermittlungen zeigen. Was gesichert ist, ist, dass behauptet wird, dass die Steuerunterlagen der „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ verschwunden sind. Bei diesem hochbrisanten Fall fragt man sich, wie das sein kann. Das bedarf der Aufklärung, und die ist am besten durch die Staatsanwaltschaft zu erreichen.

Welche Namen haben Sie denn im Kopf?

Tut mir leid, dazu sage ich nichts. Ich will, dass die Angelegenheit aufgeklärt wird und nicht mit Vorverurteilungen oder Mutmaßungen auf den Markt gehen.

Welchen Straftatbestand machen Sie geltend?

Es kommen verschiedene Sachen in Frage, weswegen ich Strafanzeige aus allen rechtlich ersichtlichen Gesichtspunkten erstattet habe, es geht womöglich eben um verschiedene Tatbestände des Steuerstrafrechts. Vielleicht sind die Steuererklärungen aber tatsächlich verloren gegangen, auch wenn es eher wie eine Schutzbehauptung klingen mag. Das können nur staatsanwaltliche Ermittlungen aufklären, und ein Anfangsverdacht ist hinreichend begründet, der die Ermittlungen sachgerecht erscheinen lässt.

Was genau kann nur die Staatsanwaltschaft ermitteln?

Sie kann prüfen, ob die Steuererklärung tatsächlich verschwunden ist. Journalisten kommen da oft nicht weiter, weil das Finanzamt auf das Steuergeheimnis verweist. Für die Staatsanwaltschaft gilt diese Schranke nicht.

Tatsächlich sollen ja gleich zwei Schenkungssteuererklärungen verloren gegangen sein, ehe die Stiftung laut Angaben Kopien nachgereicht habe.

Das wäre mehr als erstaunlich bei einer Behörde. Aber nichts ist unmöglich, man darf da jetzt auch nicht vorverurteilen. Aber ungewöhnlich ist das schon. Die Frage ist: Gibt es denn irgendwie Hinweise in den Akten darauf, dass die Bescheide überhaupt irgendwo mal eingegangen sind? Und ob und wann Kopien nachgereicht wurden, dürfte für die Staatsanwaltschaft auch überprüfbar sein.

Allerdings beruht der Verdacht erstmal nur auf einer Behauptung einer Seite – aus Kreisen der Stiftung –, die offenbar im Zwist mit einer anderen Seite, der Landesregierung, ist.

Aber es gibt mehrere Ungereimtheiten und widersprüchliche Aussagen, die zwar nicht für eine Anklage reichen, aber auf jeden Fall dazu, dass sich die Staatsanwaltschaft auf den Weg macht, die Sache aufzuklären. Eine Aufklärung kann ja immer auch mit einer Einstellung wegen fehlender Schuld enden – Hauptsache ist, dass das Ergebnis der Wahrheitsfindung dient.

Wie blicken Sie auf die Behauptung, das Finanzamt habe der Stiftung eine Befreiung von der Schenkungssteuerpflicht angekündigt – obwohl dies rechtlich wohl keine Grundlage hätte?

Das müssen Sie das Finanzamt und die Landesregierung fragen. Ich kann das nicht erklären.

 

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Sie mutmaßen außerdem, dass es sich bei der Stiftungsgründung insgesamt um einen feindlichen Akt handeln könnte. Können Sie das erläutern?

Wenn es stimmt, dass Nord Stream 2 versucht hat, der Landesregierung Weisungen zu erteilen, dann kann es sein, dass vorsätzlich Dinge forciert wurden, die nicht im Interesse Deutschlands und seiner Verbündeten sind. Denn Nord Stream 2 ist Gazprom, und Gazprom ist faktisch der russische Staat. Es wäre also eine Operation der Russischen Föderation, ihrer Unternehmen und Agenturen, wie eben Gazprom und Nord Stream 2, gegen die Bundesrepublik Deutschland, die Ukraine, die Nato oder die Europäische Union oder den Europarat. Das begründet für mich den Verdacht auf vorsätzliches Handeln.

Rechnen Sie mit einer positiven Reaktion auf Ihre Anzeige?

Meines Erachtens muss es Ermittlungen geben. Weil ganz schnell geklärt werden muss, was da genau vorgefallen ist und ob die Verdachtsfälle sich bewahrheiten oder nicht.

Wie bewerten Sie den ganzen Fall der Stiftung politisch?

Mich erstaunt, was der Innenminister Christian Pegel gerade ganz unverhohlen im Interview mit dem Nordkurier gesagt hat: „Die Stiftung sollte ja ein Schutzschirm für Unternehmen aus MV werden und wir wollten nicht, dass sich der amerikanische Sanktionszorn nun auf das Land umschlägt.“ Er sagt damit offen, dass die Landesregierung Neben-Außenpolitik gegen das Votum der Bundesregierung betrieben hat. Das finde ich schon ein starkes Stück. Aber es gibt gute Gründe dafür, dass wir in unserem verfassungsrechtlichen Gefüge nicht 16 Außenminister in den Ländern haben, sondern eine Bundesaußenministerin in Berlin.

Warum gegen das Votum der Bundesregierung? Teile der damaligen Bundesregierung, auch Angela Merkel und Olaf Scholz, haben doch selbst den Bau der Nord Stream 2 Pipeline gewollt und vorangetrieben.

Richtig, aber Herr Pegel sagt selbst: „Wir hätten uns aber sicher sehr gefreut, wenn die Bundesregierung ihre Möglichkeiten genutzt hätte. Wir haben darum gebeten, das ist aber nicht gelungen.“ Dann habe man zum Instrument dieser Stiftungsgründung gegriffen. Das zeigt doch, dass die Bundesregierung so weit nicht gehen wollte.

Wie schätzen Sie die ganze Affäre ein in Hinsicht auf ein möglicherweise nachhaltig angeknackstes Vertrauen in die Seriosität und Integrität von Politikern?

Ich muss sagen, ich fand die ganze Konstruktion dieser Stiftung von Anfang an abenteuerlich, und ich bin mir auch gar nicht sicher, ob sie rechtlich so überhaupt Bestand hat. Ich glaube, wenn man da genauer hinschaut, findet man da womöglich auch Rechtswidriges in Hinblick auf die Geschäftsbetriebe, die ja offensichtlich der eigentliche Anlass der Stiftung waren. Das hat mehr als ein Geschmäckle.

Die Fragen stellte Ulrich Thiele.

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