Union verabschiedet „Sauerländer Erklärung“ - Wirtschaft in Schmallenberg

In einem „Romantik- und Wellnesshotel“ im Sauerland hat sich der Fraktionsvorstand von CDU/CSU getroffen und aktuelle Themen beraten. Die politische Botschaft von der Klausurtagung aber geriet zu klein.

Wellness und Wohlstand: Friedrich Merz und Alexander Dobrindt bei der Klausurtagung im Sauerland. /dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Zum Abschluss gab es laut Programm noch eine Wanderung zur Knollenhütte. Mit Warsteiner vom Fass und Vesperteller endete die Klausurtagung des Geschäftsführenden Vorstands der CDU/CSU-Fraktion am Freitagabend. Dort, im sauerländischen Schmallenberg, ist Friedrich Merz daheim. Und auch sonst war das zweitägige Trainingslager für die politische Rückrunde ein Heimspiel für den CDU-Vorsitzenden und Fraktionschef. Es ging hauptsächlich um die Wirtschaft und ein bisschen um Außenpolitik. Das sind die Paradestrecken des Oppositionsführers, in den Themen ist er zuhause. 

Merz, sein Erster Stellvertreter, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, und die weiteren Stellvertreter haben an der Lenne im „Romantik- & Wellnesshotel“ Kraft getankt, doch reicht das Erholungspaket aus, welches sie nun mit nach Berlin bringen, für die lange Strecke durch den politischen Herbst und Winter? „Sauerländische Erklärung“ heißt das verabschiedete Papier, später wurde noch ein PR-wirksamer Titel drüber geschrieben: „Anpacken: Wachstum schaffen, Wohlstand sichern“. Der Name ist so originell, dass ihn gewiss schon Helmut Kohl und Angela Merkel auf Papiere, Plakate und sonstige Denkzettel geschrieben haben. Nur eben noch nicht in Schmallenberg. 

Die größte Oppositionspartei verlangt unter anderem: Bürokratieabbau, billige Energie, mehr Investitionen und mehr Wohnungen. Das war ungefähr auch das, was sich die Ampel-Partner kürzlich auf Schloss Meseberg vorgenommen haben. Na klar: Die Union würde es besser machen. Weniger Ideologie, mehr Leistungsbereitschaft, weniger Staat, weniger Steuern, mehr Freihandel, aber gilt das nicht schon seit 70 Jahren? In der Pressekonferenz betonte Merz, das „Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz“ müsse gestoppt werden. Da hat er sicher Recht. Allein: Die Botschaft war doch etwas klein. 

Wellness für die politische Seele, aber keine politische Ansage

Vielleicht ist es zu viel verlangt: Aber im Sauerland gelang es CDU/CSU nicht, sich als schlagkräftige Alternative für derzeitige Ampel-Misere zu präsentieren. Dies hatte seinen wesentlichen Grund darin, dass das Themenspektrum zu eng gesteckt war. Zur Halbzeit der Legislaturperiode und am bisherigen stimmungsmäßigen Tiefpunkt der Ampel-Regierung hätte der Aufschlag größer sein müssen. Von Renate Köcher, Chefin des Allensbacher Instituts, hatte man sich versichern lassen, in Umfragen bald wieder die Drei vorne zu haben. So ein Aufguss wirkt vitalisierend, Wellness für die politische Seele, aber das ist ja noch keine politische Ansage.

Wo war die Perspektive zur Migrationspolitik, die Debatte dazu hatten Thorsten Frei und Jens Spahn ja bereits erfolgreich eröffnet? Wo war die Ansage zur Gesellschaftspolitik? Ohne Schaum vorm Mund braucht die Union eine Strategie und ein Wording zur Identitätspolitik, zum Selbstbestimmungsgesetz und  zu Lebensschutzthemen. Schließlich wäre die Debatte um die Kindergrundsicherung eine Steilvorlage gewesen, um die CDU wieder als Familienpartei zu profilieren. Es gab da sicher pointierte Anmerkungen von Spahn, aber nun keine ausformulierte Antwort, die nicht aus dem Fokus der Wirtschaftspolitik käme. Familienpolitik ist keine Sozialpolitik, wäre so eine notwendige Formel. Und Sozialpolitik darf keine ideologische Gesellschaftspolitik sein, so hätte es die Union zumindest früher formuliert. Davon alles nichts in Schmallenberg. 

 

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„It’s the economy, stupid!“, würden vielleicht Merz, Linnemann, Dobrindt und Frei entgegnen. Das Land ist einer tiefen wirtschaftlichen Krise, also antworten wir darauf. Doch für die Union als Ganze ist das eine Einengung. Merz muss, gerade nach den Debatten um seine Person im Sommer, sich und die CDU wieder breiter aufstellen. Auf der einen Seite gibt es den schwelenden Streit mit dem Sozialflügel seiner Partei, aber auch mit den sogenannten Merkelianern. Auf der anderen Seite die Enttäuschung der Konservativen darüber, dass die Kulturkämpfe mit den Grünen nicht ausgetragen würden. Beiden Konflikten scheint die Unions-Spitze weitgehend aus dem Weg zu gehen, zumindest in Schmallenberg wurden sie doch ausgeblendet.

Wenig „friendly fire“ wäre schon ein Erfolg

Doch nur wenn Merz Integrationskraft nach allen Seiten der CDU entwickelt, wird die Partei wieder mehr Stärke entwickeln und auch seine Chance auf die Kanzlerkandidatur wieder steigen. Dazu braucht es auch ein breiteres personelles Angebot. Von Sitzungsteilnehmern gab es die Klage, Merz umgebe sich im öffentlichen Auftritt nur mit seinesgleichen, wie etwa Generalsekretär Carsten Linnemann. Wo aber seien die Frauen in seinem engeren Umfeld und Beraterkreis, wo die pointierten Köpfe anderer Flügel der CDU, fragte jemand, der in Schmallenberg dabei war.

Zum Beginn der Sommerpause hatte Merz für Aufsehen gesorgt, weil er sich in einem Sommerinterview missverständlich über den Umgang der CDU mit der AfD geäußert hatte. Das brachte ihm eine unangenehme Debatte über seine Person ein und über seine Chancen, Spitzenmann seiner Partei bei der nächsten Bundestagswahl zu werden. Überraschend wenig öffentliche Unterstützung erhielt er. Sogar die CDU-Länderfürsten Boris Rhein, Hendrik Wüst und Kai Wegner widersprachen Merz und stellten sich so indirekt gegen ihn. Merz dürfte das geschmerzt haben. Insofern kann es auch schon als Erfolg gelten, wenn CDU/CSU ohne „friendly fire“ in die nächste Sitzungswoche und in den politischen Herbst starten. Schmallenberg wäre demnach ein Erfolg, nicht wegen der Offensivkraft, sondern wegen der offensiven Geschlossenheit. Immerhin.

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