Streit um Aiwanger-Rede in Erding - Grüner Gouvernantenpopulismus

Nach der Rede von Hubert Aiwanger auf der „Heizungsideologie“-Demonstration in Erding stellen die Grünen einen Dringlichkeitsantrag gegen den Chef der Freien Wähler im Bayerischen Landtag. Söder soll ihn feuern, fordert die Partei – und macht sich damit lächerlich.

Katharina Schulze (l.), Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. Hinter ihr Hubert Aiwanger, rechts von ihm Roland Weigert, Staatssekretär für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

So erreichen Sie Ben Krischke:

Anzeige

„Der Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger distanziert sich nicht von seiner demokratiefeindlichen Aussage in #Erding. Markus Söder muss jetzt handeln und ihn aus dem Dienst entlassen! Die politischen Spitzen des Freistaats haben die Aufgabe, unsere Gesellschaft zusammenzuhalten“, twitterte am Dienstag Grünen-Politikerin Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende ihrer Partei im Bayerischen Landtag, mit zwei Ausrufezeichen. Wahrscheinlich, um den Ernst der Lage zu unterstreichen, damit auch niemand auf die Idee kommen konnte, es handle sich hier um reines Parteiengeplänkel in Standardausführung, weil in Bayern im Herbst gewählt wird. 

Tags darauf, am Mittwoch, stellen die Grünen dann einen Dringlichkeitsantrag im Bayerischen Landtag, weil Aiwanger jetzt ein „geistiger Brandstifter“ (Schulze) sein soll. Der Antrag enthält drei Punkte:

1. Die Staatsregierung wird aufgefordert, in Öffentlichkeit und politischen Debatten eine besondere Verantwortung für ihren Umgang mit Sprache und Fakten zu tragen. Die Mitglieder der Staatsregierung werden aufgefordert, sich zum Respekt vor demokratischen Institutionen und den Prinzipien der repräsentativen Demokratie zu bekennen.

2. Der Landtag stellt fest, dass bewusste Falschaussagen sowie das Verbreiten von nachweislich und eindeutig falschen Meldungen, Zitaten und Behauptungen entschieden abgelehnt werden. Diese haben in der demokratischen Auseinandersetzung nichts zu suchen und sind nicht Teil einer von Respekt getragenen politischen Debatte.

3. Ministerpräsident Dr. Markus Söder wird aufgefordert, den Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie Hubert Aiwanger aufgrund seiner mit demokratischen Prinzipien unvereinbaren Entgleisungen mit Zustimmung des Landtags zu entlassen.

Unterm Strich lässt sich das derzeitige Tohuwabohu um den Heizungsprotest in Erding vom vergangenen Samstag und insbesondere um Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der dort in bester Bierzeltmanier auf die Grünen schimpfte und etwa forderte, man müsse sich die Demokratie zurückholen, folgendermaßen zusammenfassen.

Die Grünen sind nicht nur sehr sensibel, wenn es um ihre Partei geht, sondern auch hochgradig kritikunfähig. Nein, tatsächlich sind es sogar die Grünen selbst, deren Vertreter immer wieder mit einem überaus laissez-fairen Umgang mit Sprache (Punkt 1), eindeutig falschen Behauptungen (Punkt 2) und Verstößen gegen demokratische Prinzipien (Punkt 3) auffallen. Auch in den Diskussionen um die Anti-Grünen-Demo in Erding wieder. Denn das Credo der Partei der Bessermeinenden lautet eben: Unterstütze unsere Vorstellungen von Politik, denn sie sind sehr gut – oder du bist ein *Hier bitte bevorzugten Diffamierungsbegriff für Andersdenkende einfügen*

So gewinnt man keinen Blumentopf

Blöd nur für die Grünen, dass immer mehr Leute verstanden haben, dass grüne Politik, wie sie derzeit gemacht wird, womöglich mehr schadet als nutzt. Blöd auch, dass die überaus anstrengende Schubladensteckerei und Pathologisierung durch die Grünen, wenn irgendwer nicht auf Linie ist, immer mehr Menschen im Land auf den Zeiger geht; und ihr unbändiger Paternalismus sowieso, der sich verlässlich in einer regelrechten Regulierungswut niederschlägt.

Womit wir wieder in Erding wären. Glaubt man grünen Politikern – und damit sollte man nicht erst seit Annalena Baerbocks Buchkatastrophe und dem grünen Filz im Wirtschaftsministerium vorsichtig sein, wie man grundsätzlich vorsichtig sein sollte, Parteien alles zu glauben –, demonstrierten in der bayerischen Stadt am Samstag „Verschwörungsideologen“ und „Rechtsextremisten“. Das ließ etwa Jamila Schäfer, Bundestagsabgeordnete der Grünen, verlauten.

Frau Schäfer und ich haben ein, sagen wir, besonderes Verhältnis. Sie ist die direkt gewählte Bundestagsabgeordnete meines Wahlbezirks – und hat mich jetzt auf Twitter geblockt, weil ich darauf hingewiesen hatte, dass die Grünen mit Verschwörungsnarrativen und hanebüchenen Unterstellungen keinen Blumentopf (mehr) gewinnen dürften. Zu groß der Ärger in der Bevölkerung um das Heizungsverbot, zu groß das Misstrauen in eine Partei, die sich gerne liberal gibt, aber im Kern autoritär ist, weil überzeugt, dass es dringend geboten sei, mündige Bürger notfalls zu ihrem Klima- und Gender-Glück zu zwingen.

Es ist die gleiche Jamila Schäfer, die Aiwanger bei anderer Gelegenheit schon Antisemitismus unterstellte (er forderte mehr Transparenz über die Geldgeber der „Letzten Generation“) und dem Focus-Kolumnisten Jan Fleischhauer, er würde Kolonialverbrechen verharmlosen (er hatte sich kritisch zur tatsächlich sehr diskussionswürdigen Rückgabe der Benin-Bronzen geäußert). Ja, so geht Demokratieverteidigung in der fabelhaften Welt der Jamila, die für ihren Mut freilich gerne mehr Applaus bekommen hätte, aber lieber Türen knallt, statt sich einer Debatte in den sozialen Netzwerken zu stellen, die sie selbst angestoßen hat.

Demokratische Prinzipien

Vielsagend war rund um Erding auch die Einlassung von Thomas von Sarnowski, Parteivorsitzender der bayerischen Grünen. Der behauptete nämlich, Markus Söder (CSU) und Hubert Aiwanger hätten in Erding auf einer Demo gesprochen, zu der die AfD aufgerufen habe. Die Wahrheit ist: Es fanden zeitgleich mehrere Demonstrationen in Erding statt. Söder und Aiwanger sprachen auf jener Demo, die von der Kabarettistin Monika Gruber und einer weiteren Person organisiert wurde. Die AfD hatte ihre eigene Demo.

Zudem hatten sich die Redner der Gruber-Veranstaltung gleich mehrfach von Rechtsaußen distanziert, was zum einen den Vorwurf des „Rechtsextremismus“ dann doch ein bisschen sehr relativiert. Und was uns zum anderen zu Punkt 3 des grünen Dringlichkeitsantrags im Bayerischen Landtag zurückbringt: also zu den demokratischen Prinzipien, die die Grünen durch Aiwanger in Gefahr sehen, während sie selbst nicht müde werden, ihre Kritiker zu diffamieren und Demonstrationen, die ihnen nicht passen, als undemokratisch zu framen. Ebenso wie legitime Meinungsäußerungen, wenn zum Beispiel jemand findet, eine Frau sei eine Frau, eine Transfrau nicht. 

Vielleicht sogar den „Oarsch offen“

Sagen wir so: Wenn sich eine Regierungspartei jedwede Kritik an der eigenen Politik und an ihrem Personal verbittet und ihre Vertreter andere Menschen, die jedes demokratische Recht haben, ihre Wut auf diese Partei öffentlich zu artikulieren, per se zu Extremisten erklären, hat diese Partei womöglich selbst ein ganz gewaltiges Demokratieproblem. Oder, um Hubert Aiwanger zu zitieren, vielleicht sogar den „Oarsch offen“, was man in Bayern halt noch so sagt, weil die Schneeflockendichte zwischen Coburg und Garmisch-Partenkirchen sehr gering ist – und man bei uns lieber auf den Tisch haut, statt sich zu fragen, wo das Holz für selbigen wohl geschlagen wurde.

Mit ihrem Gouvernantenpopulismus – wer nicht folgt, wird ausgeschimpft – machen sich die Grünen jedenfalls weder in Bayern noch bundesweit auch nur einen Deut beliebter. Eher im Gegenteil. Denn die allermeisten Leute können das „Eau de Orwell“, das die Grünen mittlerweile verlässlich versprühen, sehr gut riechen: Extrem ist bei den Grünen heute normal, normal ist bei den Grünen heute extrem. 

Weshalb aus grüner Sicht – jedenfalls bei nicht wenigen Grünen – auch nicht derjenige extrem ist, der echte und vermeintliche Nazis mit Hammer und Schlagstock halbtot prügelt, behauptet, es gebe mindestens 59 Geschlechter, obwohl das kompletter Unfug ist, oder dass wir kurz vor der Klimaapokalypse stehen. Sondern derjenige, der sich demokratisch versammelt, weil er die Schnauze voll hat von einer Politik der Bevormundung. Davon, dass alles immer teurer wird – und deshalb auf die Grünen schimpft, die in Regierungsverantwortung am Reißbrett in der Theorie entwerfen, was andere in der Praxis langsam, aber stetig in den Ruin treibt. Die bayerischen Grünen und ihr Dringlichkeitsantrag: zum Totlachen.
 

Das könnte Sie auch interessieren:

Anzeige