Benin-Bronzen
Die Benin-Bronzen wurden im vergangenen Jahr von Deutschland an Nigeria zurückgegeben / dpa

Man sieht nur, was man sucht - Blut und Schweiß vom Stamm der Igbo

Die Benin-Bronzen, die von der Bundesregierung an Nigeria zurückgegeben werden, zeugen weniger von Kolonialismus denn vom Menschenhandel des kleinen afrikanischen Königreichs.

Autoreninfo

Beat Wyss hat an zahlreichen internationalen Universitäten gelehrt. Er hat kontinuierlich Schriften zur Kulturkritik, Mediengeschichte und Kunst veröffentlicht. Beat Wyss ist Professor an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.

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Im Kunstdiskurs hat sich der Kanon eingestimmt, wonach der arme globale Süden vom reichen Westen kolonisiert und versklavt worden sei. Die viel diskutierten Benin-Bronzen belegen allerdings, dass sich die Beziehungsgeschichte zwischen Afrika und Europa doch ein bisschen anders angeleiert hatte. 

Auf unserer Bronze-Tafel (s.u.) steht Oba im Vordergrund, der König von Benin; Brustpanzer und Helm aus kostbaren Blutkorallen trägt er, vor ihm knien zwei ebenso behelmte Wachen, alle drei tragen den landesüblichen Kinnschutz aus Korallen. Im Hintergrund, ganz klein, hampeln scharwenzelnd zwei krummnasige Gestalten, beide langhaarig mit merkwürdig gefiedertem Helm: Portugiesen sind’s. Der eine hält einen Krummstab aus Bronze, dem Material, aus dem die Tafeln kunstfertig gegossen wurden, zum Herrscherlob und dem Königspalast zum Schmuck. 

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Markus Michaelis | Di., 7. Februar 2023 - 12:37

Danke für den Artikel. Es sei auch gesagt, dass ein offener Blick in die Welt, auch die Schandtaten der eigenen Vergangenheit sehr gut ist. In politisch bestimmenden Teilen des Westens ist das aber ein wenig in blinde Besserwisserei gekippt, die wieder nur die eigene aktuelle Weltsicht und den eigenen Beitrag verklärt und überhöht (mal positiv, mal negativ).

Eine von vielen Ungereimtheiten dabei ist für mich, dass man einerseits betont, dass es soetwas wie Völker und andere feste Identitäten nicht gibt (alles ist immer im Austausch), andererseits soll über Jahrhunderte ganz klar sein, wer heute Täter-zugehörig oder Opfer-zugehörig ist.

Mag sein, dass sich daraus auch Verbesserungen ergeben, aber auch aus vielen anderen Sichtweisen könnten sich Verbesserungen ergeben. Als Basis für eine zukünftige, buntere Gesellschaft halte ich die heutige Sicht für zu einseitig und untauglich.

"Eine von vielen Ungereimtheiten dabei ist für mich, dass man einerseits betont, dass es so etwas wie Völker und andere feste Identitäten nicht gibt (alles ist immer im Austausch), andererseits soll über Jahrhunderte [hinweg immer] ganz klar sein, wer heute Täter-zugehörig oder Opfer-zugehörig ist."

Stimmt.

Ideologen können ohne Teufel und ohne gottgleiche Helden (bzw. Übermenschen) nicht leben. Da es diese in der passenden Gestalt und Anzahl unter uns Menschen nur selten gibt, blasen die Kinder von Karl Marx und Karl May ihre (Alp-)Träume ((a) vom tapferen Revolutionär/Aktivisten bzw. (b) vom urbösen Tyrannen/Scheusal) solange auf, bis sie für sie die Wirklichkeit ersetzen.

Politische Ideologien wollen aber immer eine wissenschaftliche Tarnkappe aufsetzen. Nicht nur willige Journalisten, sondern auch wohlbestallte Wissenschaftler helfen ihnen dabei, jedenfalls bei all den unterschiedlichen rot-grünen Ideologie-Fragmenten.

Logische Widersprüche sind da unvermeidbar

Karl-Heinz Weiß | Di., 7. Februar 2023 - 13:00

Ein wichtiger Beitrag, der beweist, dass das Studium des Völkerrechts nicht vor gravierenden Irrtümern schützt. Und der historische Hintergrund unserer Kulturstaatsministerin endet erkennbar kurz vor der Kultband "Ton, Steine, Scherben".

Ich kenne keinen Studiengang, bei dem 2 Semester jemand als ernst zu nehmenden Vertreter des Fachs ausweisen. Auch das zuvor von unserer süßen kleinen "Ministerin des Äußersten" nach dem Vordiplom abgebrochene Studium der Politikwissenschaft mit ein bißchen Öffentliches Recht als Beimengung qualifiziert doch eigentlich zu nichts, wofür man irgendwo ein Gehalt bekommt, von dem man ohne Zuschüsse von Papi, Staat oder Ehemann leben kann. Aber im besten Deutschland aller Zeiten reicht das allemal für Außenminister. Da beide Damen sich ihre Aufgaben-Schwerpunkte vor allem unter dem Gesichtspunkt Außenwirkung aussuchen, kommt es auf die von Beat Wyss aufgezeigten Hintergünde aber sowieso nicht an. Hauptsache die Tagesschau ist dabei, man hat mal wieder einen ergreifenden Beweis seiner moralischen Vortrefflichkeit geliefert und hauptberuflich Diskriminierte werden in ihrer Opferrolle gewürdigt. Wer will denn da mit Fakten stören...

Wolfgang Tröbner | Di., 7. Februar 2023 - 13:45

Wenn schon die Damen Baerbock und Roth über keinerlei Kenntnisse in Kultur oder Geschichte verfügen, so "herrschen" sie doch über zwei Ministerien mit sicher tausenden hochbezahlten Beamten. Ist da nicht ein einziger darunter, der sie vor ihrer Reise nach Nigeria darüber aufklären konnte, dass die verschenkten Bronzestatuen eben keine Raubkunst nach westlicher Lesart sind? Und dass sie die Bronzen ausgerechnet dem Volk der schwarzen Täter schenkten, die die Schöpfer dieser großartigen Kunst, den Stamm der Igbo, einst versklavten und ausbeuteten? Moralisch betrachtet ist das ein erneutes Verbrechen an den Igbo, für das es keinerlei Entschuldigung gibt! Dumm und peinlich

Dorothee Sehrt-Irrek | Di., 7. Februar 2023 - 13:46

Europa, der "kleine" Osten und Afrika und es griff ineinander.
Dann kann man es - ohne einseitige! Schuldzuweisungen - ein bisschen wieder auseinanderklamüsern?
Wenn in Afrika ein "Lack of Identity" gegeben wäre, dann kann man daran mitwirken, es wieder aufzubauen oder es zu stabilisieren.
Gleiches gilt für den Nahen, den Mittleren und Fernen Osten.
Ich persönlich bin nicht dafür, dass Europa diesbezüglich zur Ersatzmutter* werden sollte.
Es scheint noch vorhandene, sagen wir kulturelle Identität von Zugereisten relativ schnell aufzulösen, ohne dass für manche/viele? die Möglichkeit oder der Wille bestünde, sich in europäischen Gegebenheiten verträglich entwickeln zu können?
Keine Gesellschaft kann einen Großteil ihrer Energie in permanente Integrationsleistungen für Hinzukommende stecken, auch nicht beim guten Willen, den ich bei vielen Menschen hier vermute?
Deshalb ist mir der kulturelle ff. Wiederaufbau AUCH vor Ort wichtig.
Wenn die Bronzefiguren oder die Nofretete helfen: ZURÜCK

Ernst-Günther Konrad | Di., 7. Februar 2023 - 13:59

Uih Herr Wyss, ist das schon islamophobisch? Mit diesen ihren Ausführungen entlasten sie ein stückweit, natürlich nicht vollständig, die Staaten des alten Europas, oder? Die Sklaverei wurde also in BENIN "erfunden" und praktiziert und die Europäer später haben es für ihre Zwecke mit anderen Zielen übernommen. Das dürfte den vielen links-grünen Verfolger der Kolonialisten aber nicht gefallen. Es gibt also eine Geschichte vor der Geschichte. Nein, das macht die europäische Sklaverei keinen Deut besser, aber er erklärt die Herkunft dieser menschenunwürdigen Sklaverei. Und Hintergründe Evidenz basierte Wissenschaft und Geschichte ist derzeit nicht angesagt. Am Ende landen sie im Rassistenkarton und man will sie aussondern. Für mich war das ein sehr erhellender Artikel und ich bin immer offen, aus der Geschichte zu lernen. Das können links-grüne Bildungsspastiker nicht von sich sagen. Die wollen ideologisch eingefärbt behaupten und brauchen dafür ein sklavisch ergebenes Volk.

Christoph Kuhlmann | Di., 7. Februar 2023 - 21:46

von gut 50 Millionen Sklaven seit dem 16. Jahrhundert aus Afrika blieben in Schwarz Afrika, gut 10 Millionen nach Nord- und Südamerika und ca. 10 Millionen nach Nordafrika. Was ist daran neu? Ich schätze, Sklaverei war eine Frage des Überflusses. In Nordeuropa waren die Winter lang und kalt. Man hatte genug damit zu tun, die eigene Familie durchzubringen. Sklaven wären oft verhungert. In Südeuropa gab es Überfluss und hochzivilisierte Sklavenhaltergesellschaften. Es muss in Afrika möglich gewesen sein, Sklaven preiswert zu ernähren, sodass sich die Sklaverei lohnte. Die einfachen materiellen Erwägungen kommen der Wahrheit meistens wesentlich näher als moralische Werturteile. Sie trüben den Blick und suchen nicht nach Ursachen, sondern nach Schuldigen.

Sabine Lehmann | Mi., 8. Februar 2023 - 04:07

Das schöne an Hohlräumen ist, wer hätte es gedacht, dass sie hohl sind. So dienen sie bestenfalls der Resonanz. Hat sich der Intellekt, speziell der in Berliner Amtsstuben vorherrschende, erstmal dort breit gemacht, hören die Identitätsapologeten dort nur noch ihr eigenes Echo. Der geistige Horizont bleibt also zwangsläufig in sprichwörtlich greifbarer Nähe.
Meine Lieblings-Apologeten dieser Ethnie sind die Damen Roth und Baerbock. Der Intellekt überschaubar, die Bildung übersichtlich u. die rhetorische Fähigkeit einfachste Inhalte zu kommunizieren nur marginal vorhanden. Im Berliner Bälleparadies kein Problem, das Geschlecht weiblich, das Parteibuch rot/ grün(gibt das beim mischen nicht braun?) lässt sich eine Stellenbeschreibung eben auch nur als Vorschlag definieren. Qualifikation wurde schon immer überbewertet, was fehlt, wird kompensiert mit weiblicher Intuition. Und wenn frau dann in Afrika ankommt, hilft ja auch Google Maps, um zu wissen, wo man grad ist u. was „Benin“ bedeutet.

Hans Süßenguth-Großmann | Mi., 8. Februar 2023 - 10:08

"Geschichte wäre so einfach gewesen, gäb es immer nur die Guten und die Bösen"
Ich bin immer schon der Überzeugung gewesen, die Grünen gründen sich auf dem deutschen Idealismus und haben es nicht bis Hegel geschafft. Dialektik ist für sie ein Fremdwort. Oder Goethe zitiert: Ich bin ein Teil von jener Kraft die Böses will und Gutes schafft.. oder wenn man es auf die Grünen umdreht, ...die Gutes will und....... Diese Beispiele sind in der Geschichte auch recht zahlreich.

Hans Page | Mi., 8. Februar 2023 - 11:20

Vielen Dank für diesen Artikel. Ich habe zwar von der Rolle Dahomeys im Sklavenhandel gewusst aber nicht dass man das dann auch noch durch Bronzeplastiken dokumentierte.

Was fehlt ist eine Aufarbeitung der Raubzüge der Sklavenhändler an der Wolga (Ukraine, Russland) und dem gesamten europäischen Mittelmeerküste bis ins 19. Jhd. Die Opfer, meistens Frauen, wurden als Sklaven in die Harems des osmanischen Reiches und Nordafrika verbracht.

Abgesehen davon war Sklaverei in allen Kulturen auf allen Kontinenten der Antike üblich, meistens von Kriegsopfern. Selbst im präkolumbischen Amerika gab es Sklaverei; in einigen Kulturen wurden diese Menschen als Opfer für die Götter ermordet.

Den „globalen Süden“ daher zum Opfer der „weißen Herrschaft“ zu stilisieren ist komplett geschichtsvergessen und historisch falsch.

Ich hoffe dass dieser „woke“ Trend baldigst ein Ende findet und Geschichte faktenbasiert betrieben wird.

Gunther Freiherr von Künsberg | Mi., 8. Februar 2023 - 22:03

Ich bin entrüstet. Deutschland gibt unmoralische Kunstwerke zurück anstatt wegen des unmoralischen Ursprungs dieselben zu vernichten. Ich hätte eine klare Stellungnahme der Bundesregierung zu diesen mittelalterlichen Vorgängen erwartet und im Rahmen ihrer moralischen Verantwortung mehr soziale Gerechtigkeit gefordert. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass am deutschen Wesen die Welt genesen muss. Da kann man sich keine moralischen Ausrutscher wie die kommentarlose Rückgabe sozial ungerechter Kunst erlauben. Um diese Fehlentwicklung zu kompensieren muss selbstverständlich eine größere Summe Geldes mit den Kunstwerken mit übergeben werden, denn schließlich waren diese Kunstwerke jahrelang im ungerechtfertigtem fehlerhaften Besitz der BRD, was entsprechende Nutzungsentschädigungszahlungen gerechtfertigt erscheinen lassen.