SPD im Umfragetief - So wird das nichts mehr, Genossen!

Die SPD befindet sich im Niedergang, und auch ihr wackerer „Kampf gegen rechts“ ändert daran nichts. Anstatt soziale Wohltaten an alle und jeden zu verteilen, bräuchte sie eine mutige Reform-Agenda. Doch dazu scheinen ihr Kraft, Mut und Willen zu fehlen.

Olaf Scholz demonstriert am 14. Januar in Potsdam gegen rechts / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Das ist die wohl bizarrste Nachricht des Tages: Wie die Bild-Zeitung unter Berufung auf das „Kanzler-Umfeld“ vermeldet, hofft Olaf Scholz insgeheim auf einen Wahlsieg Donald Trumps. Das Kalkül dahinter: Würde Trump die US-Präsidentschaftswahl gegen Joe Biden im November gewinnen, käme es umso mehr auf einen erfahrenen Bundeskanzler an. Bild wörtlich: „Scholz könnte sich als Retter Europas gegen den ,Feind‘ Trump-USA darstellen“ – und damit seine eigenen Aussichten auf eine Wiederwahl im nächsten Jahr verbessern. Anders gesagt: Der deutsche Kanzler hofft auf den „Merkel-Bonus“ seiner Amtsvorgängerin, die sich bekanntlich während Trumps Zeit im Weißen Haus als eine Art „Anführerin des liberalen Westens“ verstand beziehungsweise diese Zuschreibung gern akzeptierte.

Komplette Selbstüberschätzung

Ob an der Bild-Story etwas dran ist, sei einmal dahingestellt – zumal Scholz natürlich keineswegs über das internationale Renommee verfügt, welches ihm eine Rolle als „Leader of the Free World“ ermöglichen würde. Sollte das zitierte „Kanzler-Umfeld“ dennoch eine entsprechende Chance sehen, spräche das eher für eine komplette Selbstüberschätzung: Warum sollte ein deutscher Regierungschef, der bei seiner eigenen Bevölkerung die Beliebtheitsskala von unten anführt, plötzlich zur globalen Lichtgestalt werden? Ein Aspekt macht die Sache dann allerdings doch wieder halbwegs plausibel: Die SPD scheint vor dem Hintergrund desaströser Umfragewerte ihr Heil im ubiquitären „Kampf gegen rechts“ zu suchen. Man beachte aufmerksam, wie sich die meisten Spitzengenossen nach dem Skandal um die vermeintliche „Wannseekonferenz 2.0“ in Position gebracht haben.

Das Problem ist halt nur: Gebracht hat ihnen das Getöse um das Potsdamer „Geheimtreffen“ bisher gar nichts – allen Aufmärschen hunderttausender besorgter Bürger vom Wochenende zum Trotz. Einer aktuellen Umfrage zufolge (INSA von diesem Montag) liegen die Sozialdemokraten derzeit bei 13,5 Prozent – und damit mehr als zwölf Punkte hinter ihrem letzten Bundestagswahlergebnis. 

Mit anderen Worten: Die Zustimmung für die SPD hat sich seit Bestehen der Ampelkoalition beinahe halbiert. Das ist eine ganz bittere Erkenntnis – zumal sich die Mobilisierung gegen die AfD eben keineswegs auszahlt. Eher scheint sogar das Gegenteil der Fall zu sein. Und auch die merkelhafte Nichtkommunikation des Olaf Scholz kann unmöglich der einzige Grund für die Misere der Sozialdemokraten sein. Vielmehr sind es wohl eher seine Politik beziehungsweise seine nichtausgeübte Richtlinienkompetenz, die einstige SPD-Wähler verprellt haben. Aber genau daran scheinen die Parteigranden nichts ändern zu wollen.

Nicht fordern, sondern „fördern“

In den Jahren nach der Amtszeit von Gerhard Schröder war die sozialdemokratische Funktionselite immer mehr auf die Idee verfallen, man müsse die vom SPD-Kanzler in Gang gesetzten Sozialreformen rückabwickeln („Hartz IV überwinden“), um an einstige Wahlerfolge anknüpfen zu können. Der damalige Juso-Chef Kevin Kühnert vollbrachte gar das Kunststück, auf dem Weg dorthin mit Saskia Esken (und dem inzwischen wieder vergessenen Norbert Walter-Borjans) eine Person an der Parteispitze zu installieren, die geradezu paradigmatisch für eine sozialpolitische Rolle rückwärts stand (und weiterhin steht). Nicht fordern, sondern „fördern“: Das von der Ampel eingeführte Bürgergeld ist gewissermaßen gesetzgewordenes Anti-Schröder-Programm; dass Esken sich in völliger Verkennung der wirtschaftlichen Gegebenheiten auch noch für eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich ausspricht, zeigt das ganze Ausmaß der Realitätsverweigerung.

 

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Die Leute (zumindest jene, die noch täglich zur Arbeit gehen) merken das – und sind nicht nur verstimmt, sondern wenden sich in Scharen ab. Womöglich hilft insbesondere ein Blick auf die Struktur der Bürgergeld-Empfängerschaft, um zu verstehen, warum die SPD von ihrer Großzügigkeit beim Verteilen von Transferleistungen nicht profitiert: Bei knapp der Hälfte handelt es sich um Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit (Stand Juli 2023, Tendenz steigend), darunter mehr als 700.000 Ukrainerinnen und Ukrainer (von denen wiederum knapp 500.000 als erwerbsfähig gelten). Man muss wahrlich nicht ressentimentgeladen sein, um zu merken, dass hier etwas aus dem Lot geraten ist.

SPD bleibt auf Füllhorn-Kurs

Dennoch beharrt die SPD weiter auf ihrem Füllhorn-Kurs in dem irren Glauben, dass ihr umso mehr die Herzen zufliegen, je mehr Geld sie verteilt. An wen auch immer. Derweil verzeichnet die deutsche Wirtschaft Negativwachstum – was wiederum vor allem den Wohlstand und die Arbeitsplätze der unterprivilegierten Beschäftigten gefährdet, mithin also der klassischen SPD-Klientel. Auch das war von der sozialdemokratisch geführten „Fortschrittskoalition“ anders versprochen worden. Laut IWF war Deutschland im vergangenen Jahr sogar die am schlechtesten abschneidende große Volkswirtschaft der Welt: Während die fortgeschrittenen Volkswirtschaften im Jahr 2023 um durchschnittlich 1,5 Prozent wuchsen und die Schwellen- und Entwicklungsländer um vier Prozent zulegten, ging es in der Bundesrepublik um 0,3 Prozent zurück.

Die SPD scheinen diese desaströsen Zahlen indes nur wenig zu interessieren. Wer sich auf deren Homepage begibt, wird empfangen vom Aufruf „Setze ein Zeichen gegen rechts!“; weiter geht es mit „Gemeinsam für ein starkes Europa!“, gefolgt von diversen Einlassungen der Parteichefin Esken „gegen rechts“, dem Klimaschutz als „Menschheitsaufgabe“ sowie einem Appell für „bezahlbares Wohnen“ und zur Solidarität mit der Ukraine. Das sind gewiss lauter ehrenwerte Ziele. Aber vielleicht stünde es einer klassischen Arbeitnehmerpartei gut zu Gesicht, auch mal jenseits von Umverteilung mögliche Auswege aus der sich verfestigenden Wirtschaftskrise aufzuzeigen. Und vielleicht wäre das sogar ein erfolgversprechenderer Weg beim Kampf gegen die AfD, als eine bevorstehende Machtergreifung sinistrer Faschisten an die Wand zu malen, ein Verbot der AfD zu fordern und deren Wähler zu dämonisieren (von denen ein Gutteil auch noch direkt von der Sozialdemokratie zum Rechtspopulismus übergewechselt sind).

Auf dem falschen Trip

Es ist schon beinahe tragisch, aber die SPD ist auf dem völlig falschen Trip. Und wenn sie so weitermacht, wird sie nicht nur die Anführerschaft im linken Lager an die Grünen verlieren (was sich jetzt bereits vollzieht). Sondern in der Bedeutungslosigkeit verschwinden (was sich derzeit wiederum in Sachsen und Thüringen andeutet, wo es darum geht, ob ihr überhaupt ein Wiedereinzug in die Landtage gelingt). Sollte den Sozialdemokraten die Kraft und der Wille fehlen, nach dem Vorbild Gerhard Schröders eine Agenda 2030 auf den Weg zu bringen, ist es eher früher als später um sie geschehen. Und zwar ganz unabhängig davon, ob Donald Trump wieder zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wird.

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