Schlagabtausch im Bundestag - „Wir haben mit Ihnen nichts zu tun“

Olaf Scholz schaltet mitten in der Legislaturperiode in den Wahlkampfmodus. Beim Schlagabtausch im Bundestag ätzt der Kanzler gegen den CDU-Chef und redet sich die Lage schön. Friedrich Merz hingegen hält die Ampel nicht mal mehr der Attacke für würdig.

Kanzler und Oppositionsführer beim Schlagabtausch im Bundestag /dpa
Anzeige

Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

So erreichen Sie Volker Resing:

Anzeige

Hört man sich die gestrigen Reden im Bundestag an, könnte man den Eindruck bekommen, dass bald Bundestagswahlen sind. Zumindest Bundeskanzler Olaf Scholz ist in der Haushaltsdebatte in den Wahlkampf-Modus gefallen. Statt einen Plan vorzulegen, wie er das Land aus der Krise führen will, dominierten Eigenlob und Attacke.

In dem traditionellen Schlagabtausch von Oppositionsführer Friedrich Merz und dem Kanzler führte diesmal Scholz den Angriff. In den zurückliegenden zwei Jahren hatte der neue Oppositionsführer gerade dieses Format für sich genutzt. Merz hatte mit fulminanten Reden den Kanzler gestellt. Nun hat Scholz zurückgeschlagen. Und vielleicht erinnern sich einige nun an seinen Überraschungssieg von 2021. Scholz kann Wahlkampf. Das war der Ausblick heute auf das kommende Wahljahr 2025.

Kanzler nennt Merz Mimose

Merz Absage an eine Zusammenarbeit mit der Regierung konterte Scholz schlicht mit Beleidigungen. Merz sei eine „Mimose“, der austeilen könne und nicht einstecken. Seine Rede habe schlicht mit der gegenwärtigen Lage nichts zu tun. „So eine Hasenfüßigkeit“ sei schlimm, poltert der Kanzler, als ob er auf einem Parteitag spräche. „So viel Feigheit vor der Verantwortung habe ich noch nicht erlebt.“ Und dann zaubert Scholz sein Gram-Schwert hervor, mit dem er den Drachen Oppositionsführer erlegen will: „Sie wollen keine Lösung der Probleme, damit Sie weiter gegen uns schimpfen können.“ 

Die Wende in der Migrationspolitik habe man mit den CDU-Ministerpräsidenten hinbekommen, das passe ihm, Merz, wohl nicht, so Scholz. Tatsächlich konnte der Bundeskanzler darauf verweisen, dass nun die Bezahlkarte für Asylbewerber komme. Merz hingegen hatte noch dessen Fehlen beklagt. „Lesen Sie keine Zeitung, Herr Merz?“, spottete Scholz.

 

Mehr zum Thema:

 

Der Unionsfraktionschef hatte sich für seine Rede heute eine andere Strategie zurechtgelegt. Nicht Wahlkampfmodus, sondern staatstragend. Nach dem Motto: Die Lage ist zu ernst für persönliche Pöbeleien. Er spreche nicht über den Haushalt, es gebe auch keine Änderungsanträge, weil das alles keinen Zweck mehr habe, so Merz. „Wir sind in allen wesentlichen Fragen vollkommen anderer Meinung als Sie.“ Das war doch vergleichsweise höflich formuliert. „Wir haben mit Ihnen nichts zu tun“, erklärte Merz und machte dann unter anderem in der Sozial-, Migrations- und Energiepolitik Unterschiede deutlich. „Wenn Sie unten die Jacke falsch zuknöpfen, diskutieren wir auch nicht mehr mit Ihnen darüber, wie groß der oberste Knopf sein muss.“ Verglichen mit früheren Reden waren das dann aber noch sehr freundliche Sprachbilder. 

Merz kündigt Zusammenarbeit auf

Klar grenzte sich Merz vom Konzept des Bürgergeldes ab und kritisierte die SPD scharf. Sozialleistungen müssten getrennt gesehen werden von beitragsfinanzierten Lohnersatzleistungen. Falsch sei eine durch das Bürgergeld „subventionierte Arbeitslosigkeit“. Die Sozialdemokratie sei keine Partei der Arbeiter mehr, sondern der Transferempfänger. Auch die Ampel-Strategie in der Klimapolitik führe in die Irre; es brauche mehr Realismus. „Alle anderen Belehren und immer einen deutschen Sonderweg suchen“, das sei die falsche Haltung, so der CDU-Chef. 

Im Bundestag sprach heute aber auch ein Oppositionsführer, der über die langen Linien nachdenkt. Er erinnerte an die Ursprünge von Airbus und wie Deutschland und Frankreich in den 1960er und 1970er Jahren eine europäische Luft- und Raumfahrtpolitik entwickelt haben. Er erinnerte an den Weg zur europäischen Währung unter Helmut Kohl. Und er mahnte, wie nötig mehr deutsch-französisch-polnische Initiativen seien, um Europa im internationalen Wettbewerb stärker aufzustellen. Das war alles richtig, aber es erschien einigen angesichts der desolaten Lage des Landes und den Krisen der Ampel-Regierung etwas zu ausgeruht. Merz Rede bewegte sich verstärkt in der Vergangenheit und auch in der Vorausschau auf eine bessere Zukunft, aber weniger in den Untiefen der Ampel-Gegenwart. 

Die CDU/CSU-Opposition befindet sich seit Beginn des Ukraine-Krieges in einer besonderen Situation. Sie will nicht in die Rolle der Totalverweigerin schlüpfen, die angesichts von existentieller Gefahr nicht zur Zusammenarbeit bereit wäre. Auf der anderen Seite will die Union auch, angesichts des so von vielen empfundenen dramatischen Ampel-Versagens, Oppositionsführerin und Gegenpol sein. Beim Schlagabtausch heute im Bundestag wurde diese Zwangslage deutlich. Merz skizzierte, wie die Union mit der Ampel etwa beim Sondervermögen zur Bundeswehr mit der Ampel zusammengearbeitet habe. Doch die Ampel sei kein verlässlicher Partner, so Merz. „Sie halten sich nicht an Vereinbarungen.“ 

Dobrindt: Ampel ist eine Zumutung

Deswegen erteile er nun weiteren Grundgesetzänderungen eine klare Absage. „Eine Aufweichung der Schuldenbremse wird es mit uns nicht geben“, sagt Merz. Die Probleme des Landes ließen sich durchaus ohne neue Steuern und Schulden lösen. Das erklärte er – und ließ diesmal die große Attacke aus, überließ sie anderen. Merz kann auch weniger aggressiv, das war seine Botschaft heute.

Später wies dann CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt noch einmal deutlich auf die schlechten Wirtschaftsprognosen für das Land hin. Und auch darauf, dass die richtigen Apelle des Kanzlers für einen Zusammenhalt in der demokratischen Mitte keineswegs zu verwechseln seien mit Vermeiden von Streit und Konflikt. Die Opposition müsse vielmehr auf die Schwäche der Regierung hinweisen. „Die Ampel ist eine Zumutung für die Menschen im Land“, sagt er dem Kanzler. 

Noch polemischer attackierte die AfD-Vorsitzende die Ampelregierung. Doch schoss die Kritik von Alice Weidel immer wieder übers Ziel hinaus, sodass ihre Angriffe ins Leere liefen. „Diese Regierung hasst Deutschland“, sagte Weidel und forderte Neuwahlen. Mit solchen Volten bespielt Weidel den eignen Freundeskreis, im Parlament richtet sie nichts aus.

Mit den parlamentarischen Sitznachbarn zur Rechten setzte sich auch Friedrich Merz auseinander. Maximale Distanz zeigte er zur Mit-Oppositionspartei. „Sie sind keine Alternative für Deutschland, Sie sind der Abstieg von Deutschland“, so Merz. Antiamerikanismus, Putin-Nähe, Nationalismus und Antisemitismus warf er der Opposition vor. „Mit uns wird es keine Rückkehr zum Nationalismus geben, denn Europa ist die Grundlage unserer Freiheit.“ Und es gab auch einen versteckten Hinweis in Richtung Wagenknecht-Partei. Putin sei der Feind unserer Freiheit, so Merz; bei jeder politischen Bewegung, die das anders sehe, würde die Zusammenarbeit enden.

Die Sitzung des Bundestages hatte am Mittwoch mit einer Gedenkstunde zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 begonnen. Die Holocaust-Überlebende Eva Szepesi und der Sportjournalist Marcel Reif, Sohn eines Holocaust-Überlebenden, sprachen im Bundestag. Da war schon ein beeindruckender und bewegender Ton gesetzt, der die folgende Debatte auch bei einigen Rednern bestimmte. Merz sagte, nach dem Gehörten sei es schwer, zur Tagesordnung überzugehen.  

Anzeige