Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes - „Eine Einbürgerung ist kein rein bürokratischer Akt“

Die Ampel-Regierung reformiert das Staatsangehörigkeitsgesetz. Hans Vorländer, Vorsitzender des Sachverständigenrats für Integration und Migration, erklärt im Interview, was er davon hält.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser / dpa
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Shantanu Patni studiert Osteuropa-Studien an der Freien Universität Berlin. 

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Hans Vorländer ist der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR). Das unabhängige Gremium ist dafür zuständig, die integrations- und migrationspolitisch verantwortlichen Instanzen zu beraten. Im November hatte der SVR ein Positionspapier zum Gesetzesvorhaben der Ampel-Regierung veröffentlicht, das Staatsangehörigkeitsgesetz zu reformieren. Hier spricht Vorländer mit uns über die Einschätzung dieses Vorhabens durch den Sachverständigenrat.

Herr Vorländer, es gibt in Deutschland zurzeit etwa fünf Millionen Ausländer, die seit zehn Jahren oder länger im Land sind. Im Jahr 2022 haben rund 160.000 von ihnen einen deutschen Pass erhalten. Das entspricht einer Einbürgerungsquote von gerade einmal drei Prozent. Woran liegt diese Diskrepanz? Wollen diese fünf Millionen Ausländer keine Deutschen werden, oder macht der deutsche Staat es ihnen so schwer, das Verfahren durchzuziehen?

Es liegt daran, dass die Einbürgerungsverfahren sehr langwierig und kompliziert sind und es ganz bestimmte Voraussetzungen gibt, die erfüllt sein müssen. Zweitens wissen viele der in Deutschland lebenden Ausländer mit entsprechender Voraufenthaltszeit – also mindestens acht Jahren – oft nicht, dass sie eine Einbürgerung beantragen können. Ein dritter Grund mag sein, dass viele, die ein Aufenthaltsrecht haben, sich aus verschiedenen Gründen nicht einbürgern lassen wollen. Das gilt zum Beispiel für viele EU-Bürger, die durch ihre Unionsbürgerschaft Deutschen gegenüber rechtlich weitgehend gleichgestellt sind, wenngleich ihr Wahlrecht auf die kommunale Ebene beschränkt ist.

Ich bin selbst Ausländer und seit knapp fünfeinhalb Jahren im Lande. Wenn ich berechtigt wäre, diesen Antrag zu stellen, würde ich das machen. Denn die deutsche Staatsbürgerschaft ist mit vielen Vorteilen verbunden. Daher: Von fünf Millionen gerade mal 160.000? Da läuft doch was schief.

In der Tat ist das, was wir „Ausschöpfungsquote“ nennen, in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sehr gering. Was Ihre Person angeht, kenne ich die genauen Umstände nicht, aber Sie hätten schon nach jetzigem Recht die Möglichkeit, in einem sogenannten „Turboverfahren“ eine schnelle Einbürgerung nach sechs Jahren zu erwirken. Dafür müssen Sie besondere Integrationsleistungen nachweisen, beispielsweise in einem Ehrenamt oder im Beruf, die Sprache schnell und gut erlernt haben und sich untadelig, also strafunauffällig, verhalten haben. Aber das Verfahren ist ein Ermessensverfahren und deshalb nicht ganz einfach.

Gar nicht zu reden von den Wartezeiten! Allein die Verlängerung des Aufenthaltstitels ist jedesmal ein Kampf. Eine „Einbürgerungsoffensive“ erscheint mir geradezu lächerlich. Ein zentraler Grund, der im Positionspapier des Sachverständigenrats erwähnt wird, um das Einbürgerungspotential besser auszuschöpfen, ist die Kluft zwischen der Wohnbevölkerung und der wahlberechtigten Bevölkerung. Ist es zwangsläufig so, dass das Wahlrecht an die Staatsangehörigkeit gekoppelt sein muss? Oder gibt es auch andere Konzepte, nach denen man langjährigen Einwohnern ohne deutsche Staatsangehörigkeit ein gewisses Maß an politischer Teilhabe ermöglichen könnte?

Generell ist es so, dass das vollständige Portfolio an politischen Rechten an die Staatsangehörigkeit gebunden ist. Nur wenn Sie deutscher Staatsbürger sind, haben Sie alle politischen Rechte. Sie können als EU-Bürger, der in Deutschland lebt, an Kommunalwahlen teilnehmen. Für Landtags- oder Bundestagswahlen gilt das nicht.

Immerhin haben Ausländer die Möglichkeit, sich politisch zu beteiligen, beispielsweise in Ausländerräten oder in Migrationsbeiräten. Sie können auch in der Zivilgesellschaft tätig sein. Sie können sich politisch organisieren, um dadurch auf ihre Interessen und Belange aufmerksam zu machen. Sie haben aber nicht das aktive oder passive Wahlrecht. Es wird diskutiert, ob in Deutschland wohnende Ausländer ohne deutsche Staatsbürgerschaft wie die EU-Bürger zumindest auf kommunaler Ebene wählen dürfen. Eine solche Ausweitung der Partizipationsrechte bei Wahlen hat das Bundesverfassungsgericht aber mit einer seiner Entscheidungen erst einmal gestoppt. Es hat deutlich gemacht, dass die politischen Aktivrechte an die Staatsangehörigkeit gekoppelt sind. Insofern steht die Verfassungsrechtsprechung einem solchen Ansinnen bislang im Wege.

Das Verfassungsgericht verlangt dafür vermutlich eine Grundgesetzänderung …

Das Bundesverfassungsgericht kann das so nicht fordern – das ist Sache der verfassungsändernden Gesetzgebung und könnte demnach mit einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat seinerseits nur festgestellt, dass das aktive Wahlrecht von Ausländern nicht verfassungsgemäß ist. Die Begründung: Es ist „das deutsche Volk“, so steht es im Grundgesetz, das seine Souveränität durch Wahlen und Abstimmungen zum Ausdruck bringt. Das Wahlrecht ist demnach ein „Deutschenrecht“, welches nur von deutschen Staatsangehörigen wahrgenommen werden kann. Will der Bundesgesetzgeber das ändern, ist es seine Aufgabe, das Grundgesetz diesbezüglich zu ändern. Aber eine solche Initiative hat es auf Bundesebene bislang noch nicht gegeben – und der Versuch auf Landesebene hat dazu geführt, dass das Bundesverfassungsgericht das Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer untersagt hat.

Hans Vorländer / SVR

Kümmert sich der Sachverständigenrat für Integration und Migration darum, das mögliche Wahlverhalten der in Deutschland lebenden Ausländer zu erforschen? Was wissen wir über dieses Thema?

Wir wissen aus unterschiedlichen Studien, dass es keine klar erkennbaren Muster gibt. Man hat früher immer gesagt, dass Eingebürgerte tendenziell links wählen würden, also in Richtung SPD oder Grüne. Aber es gibt auch einige Studien, nach denen viele CDU bzw. CSU wählen würden. Es gibt an dieser Stelle wirklich keine klaren Prognosen. Ganz abgesehen davon, ist auch unklar, ob Eingebürgerte überhaupt von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen würden. Es gibt ja auch viele Deutsche, die ihr Wahlrecht nicht ausüben. Die Partei der Nichtwähler ist auf Landes- und Kommunalebene in den letzten Jahren recht groß geworden. Insofern gibt es hier keine verlässlichen, robusten Einschätzungen dazu.

Parteien versprechen sich manchmal eine gewisse Zustimmung, wie man es etwa in der Debatte um das Absenken des Wahlalters sehen kann. Diese Erwartung steht auf sehr wackligen Füßen. Wir haben gesehen, dass junge Leute bzw. Erstwähler bei den Bundes- und Landtagswahlen relativ stark AfD gewählt haben. Bei der letzten Bundestagswahl hat ein großer Teil von ihnen für die FDP gestimmt. Beim wissenschaftlichen Umgang mit dem Thema Wahlrecht geht es um grundsätzliche Überlegungen, wie hier seit langem lebende Ausländer stärker in politische Entscheidungsprozesse eingebunden werden können.

Laut bisherigem Gesetz kann man im Regelfall erst nach acht Jahren einen Antrag auf Einbürgerung stellen. Im Fall besonderer Integrationsleistungen könnte man das nach sechs Jahren machen. Beide dieser Fristen werden verkürzt, auf fünf bzw. drei Jahre. Wo man bisher selbst bei besonderen Leistungen sechs Jahre warten musste, kann man jetzt selbst im Normalfall bereits nach fünf Jahren einen Antrag stellen. Das klingt ein wenig radikal.

Das ist ein Angebot an diejenigen, die sich einbürgern lassen wollen. Es ist auch ein klares Signal, dass man sie als deutscher Staatsbürger aufnimmt und wertschätzt. Denn ein Voraufenthalt von acht Jahren plus ein anderthalb- oder sogar zweijähriges Einbürgerungsverfahren – das ist einfach zu lange. Insofern zielt das Gesetz darauf ab, die Voraufenthaltszeiten zu verringern. Einbürgerungswillige sollen dazu ermuntert werden, die Staatsangehörigkeit des Landes zu beantragen, in dem sie ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben. Gleichzeitig sind die Voraussetzungen, an die der Erwerb der Staatsangehörigkeit gebunden ist, sehr klar und deutlich benannt.

In der Regel erhalten Zugewanderte zunächst eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die in eine Daueraufenthalts- bzw. eine Niederlassungserlaubnis überführt wird, und an diese schließt sich eventuell die Einbürgerung an. Der SVR schreibt in diesem Zusammenhang, dass mit dem neuen Gesetz „die bislang im deutschen Migrationsrecht angelegte Abfolge durcheinandergebracht“ wird. Können Sie das genauer erläutern?

Das Problem ergäbe sich bei einer „Turbo-Einbürgerung“, für die die Voraufenthaltszeit dem Vorschlag nach auf drei Jahre herabgesenkt werden soll. Das ist in der Tat ein Widerspruch im System der Aufenthaltszeiten. Hier regen wir eine Vereinheitlichung an, das heißt entweder wird auf der aufenthaltsrechtlichen Seite angepasst oder – und das ist unsere Empfehlung – die „Turbo-Einbürgerung“ wird erst nach vier Jahren ermöglicht. Den Widerspruch in der Systematik haben die Gesetzgeber anscheinend übersehen. Das kann im Rahmen der Beratung im Deutschen Bundestag aber geändert werden.

Für die bis 1974 in die Bundesrepublik angeworbenen „Gastarbeiter“ sowie für die bis 1990 in die DDR eingewanderten „Vertragsarbeiter“ plant das Gesetz einige Sonderregelungen. Die Anforderungen an die Sprachkenntnisse sollen abgesenkt werden und auch der Einbürgerungstest soll entfallen. Warum?

Das ist eine Anerkennung für die Leistungen, die die Gastarbeiter und Vertragsarbeiter jeweils in West- und Ostdeutschland erbracht haben. Die Sonderregelung ist nur auf diese Gruppe beschränkt. Für ihre Anwerbung gab es entsprechende Abkommen mit einzelnen Ländern, um Gastarbeiter oder Vertragsarbeiter aus Italien oder Spanien bzw. aus Ländern, die dem sozialistischen Block angehörten, in die beiden deutschen Staaten zu holen. Hier geht es um die Anerkennung einer Lebensleistung – zumal die Zugewanderten damals keine Integrationsleistungen, wie etwa Unterstützung beim Spracherwerb, erhalten haben.

Die Erfordernis, die bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben, soll ersatzlos entfallen. Der SVR beschreibt das als begrüßenswerten „Paradigmenwechsel“ – allerdings mit Nebenfolgen. Denn ein „Zuviel an politischer Mitsprache“ kann dazu führen, dass „innenpolitische Konflikte aus dem Herkunftsland hierzulande zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen gemacht werden und Wahlkampfveranstaltungen ausländischer Parteien in Deutschland stattfinden“. Sie schlagen daher einen „Doppelpass mit Generationenschnitt“ vor. Können Sie das Konzept erläutern?

Es geht darum, eine sogenannte Überinklusion zu vermeiden. Doppel- bzw. Mehrstaatigkeit würde dann nicht von Generation zu Generation ungebremst vererbt. Es kann sein, dass sich die Verbindungen zum Herkunftsland in der dritten oder vierten Generation schon sehr gelockert haben. Deshalb hat der SVR bisher argumentiert, dass die Mehrstaatigkeit in der dritten Generation überprüft und dann ggf. auch begrenzt wird. Eine mehrfache Wahlberechtigung darf schließlich nicht zu einem Problem werden – es geht also darum, Überinklusion zu verhindern.

Allerdings geht das manchmal nicht, etwa wenn sich ein Staat dagegen sträubt, seine Landsleute aus der Staatsbürgerschaft zu entlassen. Deshalb prüfen wir derzeit das Modell einer „ruhenden Staatsbürgerschaft“. Das könnte so funktionieren, dass Eingebürgerte ihre bisherige Staatsangehörigkeit zwar behalten, die daraus resultierenden Rechte aber nicht in Anspruch nehmen, solange sie ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben. Sowohl der Generationenschnitt als auch das Modell der „ruhenden Staatsbürgerschaft“ setzen voraus, dass mit dem jeweiligen Herkunftsstaat ein entsprechendes Abkommen geschlossen wird. Das ist die Herausforderung: Man braucht immer eine Abstimmung mit dem Herkunftsstaat.

Was den Bezug von Sozialleistungen angeht, schreibt der SVR, dass der rechtliche Status quo nicht aufgeweicht, sondern verschärft wird. Ich habe diesen Teil des Positionspapiers wirklich nicht verstanden. Inwiefern ist das der Fall?

Generell kann sich nur derjenige einbürgern lassen, der seinen Lebensunterhalt selbst verdient, das heißt sozialversicherungspflichtig tätig ist. Nach geltendem Recht gibt es von dieser Regel bestimmte Ausnahmen, etwa für Kranke oder Alleinerziehende. Wenn also jemand etwa wegen einer Kinderbetreuung nicht vollzeitbeschäftigt sein kann oder aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeitsfähig ist, erhält diese Person bestimmte Zusatzleistungen und erfüllt damit nach dem jetzigen Gesetzentwurf nicht mehr die Voraussetzungen für eine Einbürgerung. Das ist eine Verschärfung des Gesetzes.

Wir plädieren dafür, dass zumindest in Härtefällen diese Möglichkeit offen bleibt. Das wird von der Einbürgerungsbehörde sowieso im Einzelfall geprüft. Insofern sollten diese Menschen, die eine Ausnahme darstellen, nicht schlechter gestellt werden als zuvor.

Es wäre also falsch zu behaupten, dass diese Einbürgerungsoffensive dazu führen wird, dass viele Menschen eingebürgert werden, die von Sozialleistungen leben?

Ja, das ist eindeutig falsch. Die Voraussetzungen sind ganz klar vorgegeben. Es ist zwingend notwendig, dass die einzubürgernde Person sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist und den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie selbst bestreiten kann.

Wenn es darum geht, dass künftige Bürger sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen und, wie zuletzt angesichts der pro-palästinensischen Proteste gefordert, sich auch gegen Antisemitismus bekennen, kritisiert der SVR, dass „für Einzubürgernde damit eine Art unmittelbare Grundrechtswerteverpflichtung festgeschrieben wird, die für deutsche Staatsangehörige so nicht gilt“. Selbst wenn man anerkennt, dass man hier mit unbestimmten Rechtsbegriffen arbeitet und dass solche Bekundungen auch vorgetäuscht werden können – warum ist eine Verpflichtung, sich zu liberalen Werten zu bekennen, ein Problem?

Natürlich ist das kein Problem. Aber wie will eine Behörde, die die Einbürgerungsvoraussetzungen einer Person überprüft, in Zweifelsfällen diesen Tatbestand feststellen? Ob antisemitische Äußerungen oder Handlungen vorliegen, ist eine Einschätzungsfrage. Wurde eine Straftat begangen, die antisemitisch oder rassistisch motiviert war, dann ist das natürlich ein Ausschlussgrund. In Bezug auf Strafverfahren und Straftatbestände gibt es bereits eine klare Bestimmung. Wenn aber grundsätzlich von antisemitischen Handlungen gesprochen wird, ist das zu vage.

Stellen Sie sich vor, eine Person äußert sich kritisch gegenüber Israel und seiner Politik in Gaza oder im Westjordanland. Ist das noch Israelkritik oder ist es schon Antisemitismus? Wir bewegen uns hier in einer Grauzone. Es ist schwierig, eine Gesinnung zu überprüfen. Wir sollten unsere Meinungsfreiheit wertschätzen. Wenn der Holocaust geleugnet oder Hetze und Hass gegenüber einer Bevölkerungsgruppe ausgesprochen wird – dann ist das Volksverhetzung. Das ist ein Straftatbestand. Wir brauchen hier eine klare Bestimmung, damit die Einbürgerungsbehörden handeln können.  

Sprechen wir kurz über die praktische Umsetzbarkeit der Gesetzesänderungen. Die Behörden sind bereits dermaßen überlastet, dass der Stau an bestehenden Anträgen kaum zu überwältigen ist. Das liegt nicht zuletzt an den komplizierten, und uneinheitlichen Regelungen. Wie sollen die Behörden dann mit dem neuen Gesetz etwas anfangen?

Indem man beispielsweise die Verwaltungspraxis durch Richtlinien vereinheitlicht. Das ist im Augenblick Sache der Länder. Die konkrete Umsetzung findet wiederum in den Kommunen statt. Wenn Verfahren vereinheitlicht und die Behörden mit entsprechenden Anweisungen versehen werden, kann der Prozess ein stückweit beschleunigt werden. Vor allem müssen die Behörden aber personell und finanziell besser ausgestattet werden, damit es diese langen Wartezeiten nicht mehr gibt. Im Augenblick ist es so, dass Antragstellende mitunter ein Jahr lang allein auf einen Beratungstermin warten.

Das kann ich Ihnen auch bestätigen.

(Lacht.) Ja, ich weiß von vielen, wirklich vielen, die mindestens ein Jahr warten müssen. Wenn sie bei der Behörde erscheinen, werden sie abgewiesen. „Kommen Sie in einem Jahr wieder, vorher gibt es keinen Termin“, heißt es dann. Das ist doch kein Empfang. Wir brauchen hier eine bessere Willkommenskultur mit einem Verfahren, das offen, empathisch und zielgerichtet durchführt wird. Am Ende steht eine Einbürgerungsfeier. Durch den festlichen Charakter werden die Entscheidung zur Einbürgerung, die ja oft eine sehr persönliche ist, und die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit aufgewertet. Das sorgt für eine stärkere Identifikation mit Deutschland. Eine Einbürgerung ist kein rein bürokratischer Akt und sollte deshalb auch nicht als ein solcher vollzogen werden. Im Rahmen einer Auswertung durch den SVR haben wir gesehen, wie unterschiedlich einzelne Bundesländer mit dem Prozess umgehen. Es gibt etliche positive Beispiele. In Sachsen oder Bremen etwa stieg die Zahl der Einbürgerungen, nachdem gezielt Einbürgerungskampagnen initiiert und gleichzeitig die Behörden ertüchtigt wurden, solche Einbürgerungsverfahren schnell, effizient und einladend durchzuführen. Das ist der entscheidende Punkt. 

Das Gespräch führte Shantanu Patni. Es ist erstmals im Dezember 2023 erschienen. Wir haben es aus aktuellem Anlass erneut publiziert. 

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