Queer-Plan der Bundesregierung - „Als Bürger habe ich Angst, was Sie mit meinen Kindern vorhaben“

Vor wenigen Wochen beschloss die Bundesregierung den sogenannten Aktionsplan „Queer leben“. Doch nicht etwa der Abbau der Diskriminierung steht darin im Vordergrund, sondern die umfassende Durchdringung der Gender-Ideologie in allen gesellschaftlichen Bereichen.

Eine wehende Regenbogenflagge vor dem Reichstagsgebäude in Berlin / picture alliance
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Autoreninfo

Rieke Hümpel ist Biologin, Publizistin und Betreiberin einer Werbeagentur.

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Sehr geehrte Frau Stark-Watzinger, ich sitze gerade vor dem Queer-Plan des Queer-Beauftragten und frage mich: Was heißt eigentlich „queer“? Sie haben diesen Plan unterzeichnet, und mir fehlt eine Definition. Das Büro von Herrn Lehmann gab auf Nachfrage unumwunden zu, dass man den Begriff weder definieren könne noch wolle – er sei im Fluss. Die FDP schrieb mir, queer sei eine „sexuelle oder geschlechtliche Identität fernab von Heteronormativität“. Doch erklärt diese Formulierung leider nichts. Denn was soll eine „sexuelle und geschlechtliche Identität“ oder „Heteronormativität“ sein? 

Schaut man auf die öffentliche Debatte, distanzieren sich immer mehr Homosexuelle von dem Begriff und betonen, dass sie nicht „queer“ seien, sondern „gay“. Sie verweisen auf den ideologischen Sound. Auch mir scheint der Bezug von queer zur Queer-Theorie der Philosophin Judith Butler recht offensichtlich. Butler bezeichnet darin das biologisch definierte Geschlecht als Konstrukt. Stattdessen gäbe es viele „Gender“. Anhänger der Gender-Ideologie glauben, dass diese in Körper schlüpfen, erfühlt werden und als „das wahre Geschlecht“ von allen anerkannt werden müssten. 

Umfassender Aktionsplan der Gender-Ideologie

Die Gender-Ideologie widerspricht damit der gesicherten Erkenntnis der Zweigeschlechtlichkeit. Renommierte Wissenschaftler wie Richard Dawkins, Axel Meyer oder die Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard haben in der Presse – über die Banalität der Frage ächzend – wiederholt erklärt, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Nun stoße ich in diesem Aktionsplan der Bundesregierung immer wieder auf den Begriff der „Vielgeschlechtlichkeit“, womit wohl kaum die Zweigeschlechtlichkeit gemeint ist, sondern die vielen angeblichen „Geschlechter“ der Gender-Ideologie. Ich komme also zu dem Schluss, dass vor mir ein sämtliche Bereiche unserer Gesellschaft umfassender Aktionsplan der Gender-Ideologie liegt. 

Es ist ein Gedanke, der nur langsam sackt. Ich überlege, wie in diesem Licht betrachtet die umfangreiche „Sensibilisierung“ aussehen wird, die vom Sportverein über das Statistische Bundesamt bis zur Schule geplant ist? Wird an den Schulen künftig Biologie oder Gender-Ideologie unterrichtet, Frau Stark-Watzinger? Und wissen Sie, was ich mich noch frage: Wie konnten Sie, als Bundesforschungs- und Bildungsministerin, dieses Papier überhaupt unterschreiben? Sind Sie nicht dafür verantwortlich, Wissenschaft und Schulen vor genau solchen Übergriffen durch Ideologien zu schützen? 

Unfassbarer Geldsegen: 70 Millionen stehen zur Verfügung

Gender-Ideologie ist Ihnen, sehr geehrter Herr Lindner, ein Begriff; ich las es in einem Interview, in dem Sie sagten, sie hielten die Überwindung von „Geschlechteridentitäten“ (gemeint war wohl eher „der Zweigeschlechtlichkeit“) für übertriebene Gender-Ideologie. Nun findet sich Ihre Unterschrift unter diesem Plan, der den Anhängern eben dieser Ideologie einen Goldregen beschert. Der „LSBTIQ*-Community“ sollen die Strukturen gestärkt werden. Haben Sie hinterfragt, ob es so eine Gemeinschaft überhaupt gibt, und warum sie gestärkt gehört? Für mich klingt es nach einer Abspaltung, und ich für meinen Teil würde lieber mit allen LSBTI in einer gemeinsamen Gesellschaft verbleiben. 
 

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Noch stutziger macht mich dieser unfassbare Geldsegen: Ganze 70 Millionen stehen bereits zur Verfügung, doch auf Seite 16 ist selbst das dem Verfasser noch nicht genug: „Etwaige Mehrbedarfe durch aufgeführte Maßnahmen sind (...) bei der Aufstellung des jeweiligen Bundeshaushalts zu decken“. Ein „fortzuentwickelnder Folgeprozess“ soll implementiert werden. Welche Organisationen von diesem unbegrenzten Budget profitieren, entscheidet Sven Lehmann als Queer-Beauftragter, so ist zu lesen. Mich interessiert an dieser Stelle: Hätten Sie die Unterschrift unter einen Plan, der mit einem ideologischen Begriff titelt und unbegrenzten Etat für Folgeprozesse verlangt, nicht verweigern müssen? 

Der liberale Justizminister und seine übergriffigen Gesetze 

Natürlich möchte niemand, dass Homosexuelle oder Menschen mit Genderdysphorie diskriminiert werden. Einigkeit herrscht: Wer Leid empfindet, dem soll von der Gesellschaft geholfen werden. Doch „Queer Leben“ liest sich für mich eben nicht, als ob der Abbau von Diskriminierung im Vordergrund steht, sondern als ob es um Privilegierung einer ideologischen Gruppe und die vollständige Implementierung ihrer Ideologie in unsere Gesellschaft und in unsere Gesetze geht. 

Wie kann es zum Beispiel sein, dass unter Punkt 1.1 ein derart schwammiger Begriff wie die „sexuelle Identität“ für die Verankerung im Grundgesetz vorgeschlagen wird? Herr Buschmann: Wie begegnen Sie der Kritik, dass damit der Weg zum Schutz der Pädophilie beschritten werden könnte? Ebenfalls zeichneten Sie das Vorhaben eines pauschalen OP-Verbotes für Kinder mit Störungen/Varianten der Geschlechtsentwicklung.

Sämtliche Umgehungsmöglichkeiten sollen laut Punkt 4.4 beseitigt werden. Das ist eine Absage an personalisierte Medizin und ein Alptraum für individuelle Schicksale. Ein Beispiel: Bei dem seltenen klassischen andrenogenitalen Syndrom kann es zu der Bildung eines Pseudopenis bei Mädchen kommen. Dieser dürfte dann nicht mehr im Säuglingsalter operiert werden. Die Mädchen würden gezwungen, bis zu ihrem 18. Lebensjahr mit einem Pseudopenis herumzulaufen. Was ist das für ein grausames Unterfangen?  

Auch darf das so genannte „Selbstbestimmungsgesetz“ nicht in dem Queer-Plan fehlen. In dessen auch aus anderen Gründen unsäglichem Eckpunktepapier soll die Nennung der Wirklichkeit unter Strafe gestellt werden. Wer künftig einen Mann, der sich als Frau identifiziert, als Mann wahrnimmt und ihn so bezeichnet, muss mit 2.500 Euro Strafe rechnen (so die Referentenentwürfe von Die Grünen und FDP). Das ist Orwells 2+2 = 5. Es ist autoritär und verstößt gegen die Gewissens- und Meinungsfreiheit. Wie kann ein sich liberal nennender Justizminister so ein Vorhaben unterstützen? Ich würde wirklich gern verstehen, wie man derartig liberale Werte verraten kann.

Alptraum: Das staatlich verordnete Schweigen der Eltern

Am bedrückendsten empfinde ich Punkt 4.3, der das „Gesetz zum Schutz von Konversionsbehandlungen“ als Maßnahme vorschlägt und tatsächlich ein grausames Unrecht gegen Eltern beinhaltet. Das Gesetz soll verhindern, dass der Wunsch von Erwachsenen und Jugendlichen nach Transition angezweifelt werden darf. Selbst die bisherige Strafausnahme für Eltern soll nach Möglichkeit aufgehoben werden. 

Dahinter versteckt sich: Eltern dürfen künftig den Wunsch ihrer Kinder nach einer Transition noch nicht einmal mehr kritisch hinterfragen! Der Staat entzieht allen Eltern dieses Landes auf Wunsch von Queer-Aktivisten bei einer derart existenziellen Frage die Gesundheitssorge! Im schlimmsten Fall müssten Eltern also künftig wortlos dabei zusehen, wie ihr Kind chemisch und operativ kastriert wird – selbst, wenn sie von einer Fehlentscheidung überzeugt sind.

Staatlich verordnetes Nichtssagen, wenn die über alles geliebte Tochter sich die Gebärmutter rausnehmen und die Busen abschneiden lässt. Unterstützendes Nicken, wenn dem eigenen Sohn der Penis abgetrennt wird. Wissend, dass die Kinder fortan lebenslang schreckliche Nebenwirkungen und ein erhöhtes Krankheitsrisiko bevorstehen. Ich kann mir kaum eine brutalere Situation für Eltern vorstellen. Es ist ein Alptraum.

Dabei sind mittlerweile weltweit warnende Stimmen laut geworden. Schweden hat die Verwendung von Pubertätsblockern und gegengeschlechtlichen Hormonen für alle Kinder unter 18 Jahren in diesem Jahr im ganzen Land eingestellt. Finnland wählte bereits 2020 die Psychotherapie als erste zu wählende Behandlung vor der Gabe von Pubertätsblockern. In Frankreich warnt die Nationale Akademie für Medizin in ihren neuen Leitlinien aufgrund fehlender Evidenz vor vorschnellen hormonellen und operativen Transitionen

Politiker dürfen nicht zu Aktivisten werden 

England schließt mit der Tavistock-Klinik seine größte Genderklinik, in der zuletzt selbst Zehnjährigen im Schnellverfahren Pubertätsblocker verabreicht wurden. Der Vorwurf des Missbrauchs steht im Raum und wird von dort auch nicht mehr verschwinden. Selbst die New York Times schwenkt mittlerweile um und verweist auf einen Zusammenhang von Blockern und Osteoporose. Mit Blick auf mittlerweile 300.000 (!) sich als „transgender“ identifizierende Jugendliche in den USA wachsen die Bedenken. In Deutschland fasst ein Artikel des Ärzteblattes den Stand der Forschung zusammen. Klar ist: Die Nebenwirkungen einer Transition sind schwer und die Datenlage dünner als Eis bei null Grad.

Während andere Länder also bereits zurückrudern, unterzeichnen in Deutschland der sich liberal nennende Justizminister Marco Buschmann, die „Transfrauen-sind-Frauen“-Ministerin Lisa Paus und der sonst regelmäßig vor Risiken warnende Gesundheitsminister Karl Lauterbach einen Plan, der sogar Eltern verbieten will, sich schützend vor ihre eigenen Kinder zu stellen? Wie können Sie derart die Rechte von Eltern verletzen? Das möchte ich Sie alle zusammen fragen.

Nicht zuletzt, sehr geehrte Außenministerin Annalena Baerbock und sehr geehrte Innenministerin Nancy Faeser, möchte ich gern erfahren, wie der unter Punkt 6 „Internationales“ aufgeführte Bullet-Point „vereinfachte und sichere Antragsweg“ für Menschen, die sich für LSBTIQ*-Anliegen „einsetzen“, konkret umgesetzt wird? Kann das nicht jeder behaupten? Würde damit nicht das Asylrecht ausgehebelt? 

Zwischen Bürgern und Interessengruppen sollten unsere Politiker stehen. Wenn aber Aktivisten selbst zu Politikern werden und als Bundesbeauftragte weiterhin als solche agieren, wird es gefährlich. Wenn sich der Bundeskanzler und all seine Minister mit ihren Namen hinter ein Papier stellen, das eine Ideologie mit illiberalen Methoden und unbegrenztem Budget in unserer Gesellschaft verankern will, fühle ich mich als Bürger von Ihnen allen verraten.

Natürlich standen viele der Punkte aus „Queer leben“ bereits im Koalitionsvertrag. Doch das macht es nicht besser. Wer mit seinem Namen unterschreibt, steht als Person in der Verantwortung. Es ist ein furchterregendes Gefühl, aber der Staat wird für mich mehr und mehr vom Beschützer zur potenziellen Gefahr. Ich habe Angst, was Sie mit meinen Kindern vorhaben. Wie soll ich Ihnen noch vertrauen? 

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