Polizei-Debatte - Wie kommt jemand dazu, sowas zu schreiben?

Polizistinnen und Polizisten sehen sich immer häufiger Angriffen und Schmähungen ausgesetzt. Warum sollte man sich noch dafür entscheiden, diesen Beruf auszuüben? Der Abiturient und Polizeianwärter Leon Graack über seinen Berufswunsch, die „taz“ und den Innenminister Horst Seehofer.

Trotz Krawallen und Gewalt: Berufswunsch Polizist / dpa
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Autoreninfo

Leon Graack (19) hat im Juni 2020 sein Abitur gemacht. Während seiner Schulzeit war er als Landesschülersprecher der Gemeinschaftsschulen Schleswig-Holstein. Aktuell bewirbt er sich an der Akademie der Polizei Hamburg.

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Als junger Mensch, der gerade sein Abitur gemacht hat, habe ich es momentan nicht einfach. Denn ich bin dabei, mich für eine Institution zu bewerben, die in der medialen Darstellung und in der öffentlichen Meinung seit einiger Zeit mit Problemen zu kämpfen hat. Mein Wunsch ist es, Polizist zu werden. Bei eben dieser Polizei in Deutschland zu arbeiten, der Polizeigewalt, latenter Rassismus und Rechtsextremismus vorgeworfen werden. Um es ganz klar zu sagen: Natürlich müssen derartige Fälle unabhängig überprüft werden.

Ich wehre mich aber strikt gegen den Generalverdacht, den die Polizistinnen und Polizisten aktuell vielerorts erfahren. Ich schaue mir die Videos aus Stuttgart an, in denen zu sehen ist, wie mit roher, geradezu animalischer Gewalt gegen die Beamten losgegangen wurde. Im ersten Moment haben mich diese Bilder sprachlos zurückgelassen, bis ich im zweiten Moment mich gefragt habe was Menschen dazu veranlasst derartige Taten zu begehen. Dafür gibt es keine Erklärung. Warum es zu diesen Ausschreitungen kam und wer die Täter waren, müssen Untersuchungen erst zeigen. Spekulationen und Vorverurteilungen bringen niemanden etwas und verzerren nur das Bild der Wahrheit.

Ein Text, der Fragen hinterlässt

Dennoch: Wenn ich einen Text, wie den von der Autorin Hengameh Yaghoobifarah lese, in dem die schrieb, dass es für Polizeibeamte eigentlich nur die Option Mülldeponie geben würde, weil sie neben dem Abfall von ihresgleichen umgeben wären, lässt mich das stutzig und wütend werden. Die Redaktion der betroffenen Zeitung taz hat sich dafür entschuldigt. Aber dieser Text hinterlässt für jemanden wie mich, der sich für den Polizeidienst bewirbt, Fragen: Wie kommt jemand dazu, sowas zu schreiben? Woher kommt dieses Bild auf diese Berufsgruppe, wie kann das sein? Dennoch weiß ich, dass eine demokratische Gesellschaft auch derartige Meinungsartikel aushalten können muss.

Deswegen verwundert mich die Ankündigung des Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) die freie taz-Autorin anzuzeigen. Denn Presse- und Meinungsfreiheit sind ein hohes Gut, die es zu schützen und nicht anzugreifen gilt. Das müsste gerade der Bundesverfassungsminister eigentlich am besten wissen.

Kontakt mit allen sozialen Schichten

Ich selbst bin Polizistinnen und Polizisten immer mit Respekt begegnet. Es ist eine Berufsgruppe, die mit allen sozialen Schichten zusammen kommt. Das reizt mich an diesem Beruf. Ich möchte den Blick über den Tellerrand wagen. Konkret: Zu erfahren, welche Probleme Menschen haben, denen es nicht so gut geht und was Probleme von Menschen sind, denen es gut geht. Seine Augen und Ohren in vielen Teilen der Gesellschaft zu haben bringt einem persönlich viel für das Leben.

So wichtig es ist, nicht alle Polizistinnen und Polizisten pauschal in einen Topf zu werfen, so wichtig ist es allerdings, auch als Polizistin oder Polizist möglichst vorurteilsfrei zu sein. Das ist nicht einfach, gerade in einem kollegialen Gefüge, in das man sich integrieren möchte. Die Gefahr ist, dann womöglich nicht mehr zu merken, dass gerade etwas nicht richtig läuft. Darum würde ich mir wünschen, dass interne Untersuchungen in der Polizei mit mehr Härte und Nachdruck geführt würden.

Will ich mich verprügeln lassen?

Gleichzeitig stelle ich mir aber die Frage, ob ich da stehen möchte und mich von Menschen verprügeln und bespucken lassen möchte, die zu vergessen scheinen, dass sich hinter jeder Uniform noch ein ganz normaler Mensch mit Familie befindet. Ich muss damit rechnen, dass es zu solchen Situationen kommen wird.

Aber dieser Herausforderung werde ich mich stellen. Ich bin der Überzeugung, dass der Beruf als Polizeivollzugsbeamter ein spannender und erfüllender, mit täglich neuen Herausforderungen ist. Ein Beruf bei dem ich mich und mein Handeln täglich selbst reflektieren muss. Dazu bin ich bereit.

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