Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung - Cliffhanger und warme Duschen

Heute hat Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen mit vier Ministern erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie vorgestellt. Es gab nichts Neues, außer, dass nun alles zur Sicherheit gehört, auch das Klima. Und dass es ausnahmsweise mal friedlich zuging in der Ampel.

Total happy über die Nationale Sicherheitsstrategie: Lindner, Scholz, Baerbock, Faeser und Pistorius (v.l.) / dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Für Sicherheit sorgte heute in der Bundespressekonferenz kein geringer als der große Orion. Der Polizei-Schäferhund ging an der langen Reihe von Journalisten und Fotografen entlang, um Sprengstoff zu erschnüffeln. Dann konnte Kanzler Olaf Scholz zusammen mit gleich vier Ministern die ersehnte Nationale Sicherheitsstrategie vorstellen. Tatsächlich fand Orion keinen Sprengstoff. Und es scheint so, dass auch die Regierung dem vorgestellten Papier zuvor jede Brisanz entzogen hatte, damit ja nicht schon wieder was in die Luft geht in der Ampel-Koalition.

Das, was die Außen- und die Innenministerin, der Finanz- und der Verteidigungsminister zusammen mit dem Regierungschef präsentierten, war nicht überraschend, wenig aufregend; allein dass der Klimaschutz, die Apotheken und die warmen Duschen, wie Annalena Baerbock erklärte, auch zur nationalen Sicherheit gehören, das konnte nun die Ampel mit großem Aplomb verkünden. Einen Nationalen Sicherheitsrat, wie von der FDP gewünscht, wird es nicht geben.

Doch der Auftritt des Kanzlers mit seinen wichtigsten Kabinettsmitgliedern war aus anderem Grund sehr bemerkenswert. Noch nie in den zurückliegenden 50 Jahren hatte ein Kanzler es für nötig befunden, sich von vier Ministern eskortieren zu lassen. Helmut Schmidt kam zur Haushaltsaufstellung mal mit drei Ressortchefs, lange ist es her. Helmut Kohl präsentierte mal drei Frauen für die Regierungsmannschaft, aber den Kanzler plus vier – das gab es noch nie. Die Not muss also groß sein in der Ampel. Es sollte demonstriert werden, in welch sicherem Fahrwasser das Regierungsbündnis – trotz aller Debatten-Untiefen von Heizung bis Asyl – segelt. Doch die Botschaft verfing nicht wirklich.

In Wahrheit eine Ampel-Absicherungsstrategie

Der Bundeskanzler hat heute Geburtstag. Und er hatte sich wohl gewünscht, dass endlich mal nicht gestritten wird. Frieden zum Fest. Der Kanzler kam nicht alleine, damit es keinen Knatsch gibt, und damit auch alle Partner, SPD, Grüne und FDP, zur Geltung kommen. So wie Orion mit seinen Jagdhunden Sirius und Procyon dackeln Baerbock und Lindner hinter dem Kanzler her, ständig in Sorge, denn die nächste Koalitionskrise kommt bestimmt. Eine wirklich neue Botschaft hatten sie nicht.

Die Nationale Sicherheitsstrategie war also in Wahrheit eine Ampel-Absicherungsstrategie. Die Botschaft: Wir trauen uns trotz allem Gezänk und Gemecker – der Haushaltsstreit steht vor der Tür – gemeinsam vor die Öffentlichkeit. Hurra, wir leben noch. Denn die Nationale Sicherheitsstrategie hat alles das zusammengeschrieben, was mehr oder weniger selbstverständlich ist. Cybersicherheit wird auch wichtig, alles mit Europa abstimmen, und die Transatlantische Partnerschaft bleibt wichtig. Das ist beruhigend. Was aber wirklich in der Sicherheitspolitik neu definiert werden muss, das blieb, trotz mehrerer Nachfragen, weitgehend offen.

 

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Zu China gab es gestern nur vage Bilder. „China ist nicht nur schwarz-weiß zu sehen“, erklärte wenigsagend die Bundesaußenministerin. Überhaupt wird sie offenbar Meisterin im sonst eigentlich im amerikanischen Kongress üblichen wegfilibustern der Probleme. Sie sprach viel und sagte wenig. Immerhin noch ein Witz für die Journalisten: Über China stehe in der Nationalen Sicherheitsstrategie noch nicht so viel drin. Das sei der „Cliffhanger“ für die „China-Strategie“, die bald auch noch vorgestellt werden soll.

Die Kernfragen der Sicherheitspolitik werden marginalisiert

Zur Nationalen Sicherheit gehört aber künftig auch der Katastrophenschutz, bei Naturkatastrophen wie der Flut im Aartal; zur Nationalen Sicherheit gehört die Frage, dass es in Apotheken genug Fiebermittel für Kinder gibt; Lebensmittelsicherheit, auch wichtig. Nach Auffassung der Bundesregierung gehört die Frage von Energie und kritischer Infrastruktur zur Nationalen Sicherheit, also dass „sauberes und warmes Wasser aus der Dusche“ kommt, wie Baerbock erklärt.

Doch durch die radikale Ausweitung des Sicherheitsbegriffs werden die Kernfragen der Sicherheitspolitik marginalisiert. Finanzminister Christian Lindner erklärte auf Anfrage, dass auch der kommende Haushalt im Verteidigungsetat das Zwei-Prozent-Ziel der Nato nicht erreichen werde. Lediglich mit dem Einrechnen des Sondervermögens werde auf mehrere Jahre gerechnet durchschnittlich zwei Prozent erreicht. Ob es immerhin ein Ansteigen des Einzelplans 14 geben soll, ließ er im vagen. Das sei einer weiteren Pressekonferenz vorbehalten.

Der Bundeskanzler bündelte die Ergebnisse in der selbstbeschwörenden Erkenntnis: „Wir haben gute Arbeit geleistet“ und hielt die Broschüre mit der Nationalen Sicherheitsstrategie hoch. Auf die Frage, was sich nun denn konkret ändern werde, gab es die süßliche Formel, es gehe um „working in progress“. Baerbock erklärte, nicht nur die Regierung, sondern auch „die Gesellschaft“ müsse die Sicherheitsstrategie nun annehmen. Im Übrigen habe die „ganze Welt“ auf die Strategie gewartet. Die säuselnden Worte seiner Ministerinnen und Minister, letztlich klangen sie wie ein Geburtstagsständchen für den Kanzler. Vielleicht wird morgen wieder gearbeitet in der Ampel.

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