Nancy Faesers Maßnahmenpaket - Freund oder Feind – die rote Linie der Demokratie

Das Maßnahmenpaket der Innenministerin zur Bekämpfung des Rechtsextremismus atmet den autoritären Geist eines Staates, der seinen Bürgern Angst macht und immer engere Grenzen für die Meinungsfreiheit definiert. Wer Andersdenkende als Feinde sieht, zerstört die Demokratie.

Haldenwang, geh’ du voran: Innenministerin Nancy Faeser mit ebendiesem und BKA-Chef Holger Münch (l.) bei der Pressekonferenz zum Maßnahmenpaket / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Volker Boehme-Neßler ist Professor für Öffentliches Recht, Medien- und Telekommunikations- recht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Davor war er Rechtsanwalt und Professor für Europarecht, öffentliches Wirtschaftsrecht und Medienrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Technik (HTW) in Berlin.

So erreichen Sie Volker Boehme-Neßler:

Anzeige

Seit der Antike denken Menschen darüber nach, was die Demokratie ausmacht. Seit Jahrhunderten werden unterschiedliche Modelle in der Praxis erprobt – mehr oder weniger erfolgreich. In einem Punkt besteht Einigkeit: Der Kern von Demokratie ist Respekt. Das ignoriert Nancy Faeser mit ihrem Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus vollständig. Sie überschreitet die rote Linie der Demokratie.

Das Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus von Nancy Faeser formuliert dreizehn Ziele, die sie politisch erreichen will. Zu jedem dieser Ziele definiert sie Maßnahmen, die in nächster Zukunft umgesetzt werden sollen. Es ist eine eigenartige Mischung, die sie der Öffentlichkeit präsentiert. Banalitäten stehen neben gefährlichen, verfassungsrechtlich heiklen Vorhaben.

Das Maßnahmenpaket – zwischen autoritärem Denken und Banalitäten

Um Rechtsextremismus im Sport zu bekämpfen, werden Fördergelder bereitgestellt. Ein Vereinspreis „Sport mit Haltung“ ist ins Leben gerufen worden. Antisemitismus soll bekämpft werden – durch ein bisschen mehr Geld für den Zentralrat der Juden in Deutschland, für die politische Bildung und für die Erforschung des Antisemitismus. Um Politiker vor Angriffen zu schützen, soll nächstes Jahr eine „Ansprechstelle zum Schutz kommunaler Amts- und Mandatsträger“ eingerichtet werden. Man reibt sich die Augen: Solche Banalitäten werden von der Bundesinnenministerin persönlich in einer Pressekonferenz vorgestellt?

Verfassungsrechtlich sehr heikel sind dagegen andere Teile des Pakets. Der Verfassungsschutz soll leichteren und umfassenderen Zugriff auf Finanzdaten bekommen. Wie lässt sich das mit Datenschutz und Bankgeheimnis vereinbaren? Der Verfolgungseifer der Ministerin blendet das völlig aus. Aus der Sicht der freiheitlichen Verfassung schwierig ist die geplante Reform des Bundesdisziplinarrechts für Beamte. Um – angebliche oder echte – Verfassungsfeinde leichter aus dem Staatsdienst entfernen zu können, wird der Rechtsschutz eingeschränkt. Ist das unter verfassungsrechtlichen Aspekten noch rechtsstaatlich? Man darf das stark bezweifeln. Im Ergebnis erhöht die Ministerin den Druck auf die Beamten deutlich, sich an die herrschende Meinung anzupassen. Ein weiterer Punkt: Das Bundeskriminalamt soll verstärkt Inhalte im Internet auf ihre Strafbarkeit überprüfen und seine Verfolgungsaktivitäten intensivieren. Das Ziel: „Hass im Netz bekämpfen“. Aber wer definiert, was Hass ist – und was eine legitime Meinungsäußerung? Hoffentlich nicht der Verfassungsschutz.

Drohkulisse: Die Pressekonferenz

An keiner Stelle von Faesers Plan spürt man eine Sensibilität für die Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Demokratie. Insgesamt atmet das Papier den autoritären Geist eines Staates, der seinen Bürgern Angst macht, ihnen eine politische Haltung vorgibt und immer engere Grenzen für die Meinungsfreiheit, für die Freiheit insgesamt definiert. Das will die Verfassung aber nicht. Das Grundgesetz will eine freiheitliche und rechtsstaatliche Demokratie. Davon sind das Maßnahmenpaket und das Denken, von dem es geprägt ist, meilenweit entfernt.

 

Mehr zum Thema: 

 

Die Pressekonferenz, in der Nancy Faeser ihr Maßnahmenpaket vorstellt, ist als bedrohliche Botschaft inszeniert. Die Innenministerin kommt nicht allein. Sie bringt die Chefs der beiden mächtigsten Behörden der Innenpolitik mit – den Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes und den Präsidenten des Bundeskriminalamts. Die visuelle Botschaft ist klar. Der starke Staat zeigt seine Machtinstrumente. Dazu passt die martialische Sprache der Innenministerin und ihrer beiden willigen Helfer. Faeser spricht von „Feinden“ der Demokratie, vom „Zerschlagen rechter Netzwerke“, und sie stellt Parallelen her zwischen der politischen Rechten und der organisierten Kriminalität. Damit ist der Ton für die angekündigten Maßnahmen gesetzt. Die gesamte Inszenierung zielt auf Einschüchterung. Solche Inszenierungen staatlicher Macht kennt man – allerdings eher aus autoritären Staaten. Demokratien treten in der Regel anders auf.

Der Kontext: Kampf gegen die AfD

Zielt das Maßnahmenpaket auf (rechtsextremistische) Gewalttäter und (rechte) Terroristen? Es klingt so. In der Pressekonferenz spricht Faeser aber davon, dass der verlängerte Arm der Rechtsextremisten bis in unsere Parlamente reiche. Das zeigt, worum es in Wirklichkeit geht. Die Innenministerin nimmt auch die AfD und ihre rechtmäßig gewählten Abgeordneten im Bundestag und den Landtagen ins Visier. Das ist der größere Kontext. Es geht um den Kampf gegen die AfD, um die bevorstehenden Wahlen, um die politische Macht.

Selbstverständlich wird auch in einer Demokratie um die Macht gekämpft. Das ist normal und nötig. Dieser Kampf müsste in einer funktionierenden Demokratie aber mit Argumenten und einer guten Politik geführt werden. Gute Politik, die den Bürgern das Leben erleichtert, bringt Wählerstimmen. Patzige Belehrungen der Bürger und hochnäsige Verbote tun das eher nicht. Das verkennen die Ampel-Parteien völlig. Sie setzen auf die Macht des Staates und erklären die AfD – den politischen Gegner – zum politischen Feind. Sie differenzieren nicht mehr zwischen den rechtskonservativen Politikern der AfD und gewaltbereiten, rechtsextremistischen Gewalttätern und Terroristen. Dadurch rücken sie demokratisch gewählte Abgeordnete und Politiker aus dem rechten Spektrum in die Ecke der extremistischen Gewalttäter. So werden sie von politischen Gegnern zu Feinden der Verfassung und der Demokratie, die man mit allen Mitteln bekämpfen darf.

Die AfD soll verboten werden, und Björn Höcke müssen die Grundrechte entzogen werden. Das sind die Forderungen, die die Strategie der Ampel bisher kennzeichnen. Dazu passt das Faeser‘sche Maßnahmenpaket nahtlos, das auf den verstärkten Einsatz staatlicher repressiver Maßnahmen setzt. Es ist eine konsequente Fortführung des eingeschlagenen Weges. Flankiert wird diese Politik durch den Aufbau einer Bedrohungskulisse. Immer häufiger werden – historisch völlig verfehlte – Parallelen zur Weimarer Republik und zur Machtergreifung durch die Nazis gezogen. Diese perfide Strategie zeugt von einem harten und skrupellosen Machtdenken. Ein Zeichen für demokratisches Bewusstsein und Handeln, für Respekt gegenüber den Bürgern ist sie nicht.

Respekt – der Kern der Demokratie

Es gibt unterschiedliche Formen der Demokratie. Aber was ist die Grundidee von Demokratie? Das Grundgesetz bringt das in bester Verfassungsprosa auf den Punkt: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Die Volkssouveränität macht einen Staat zur Demokratie. Damit sie funktioniert, braucht es vor allem Respekt. Echte Demokratie basiert auf echtem Respekt. Das unterscheidet sie von simulierter Demokratie oder demokratischem Theater. Demokratische Diskussionen können nur gelingen, wenn alle auch die Meinungen des Anderen grundsätzlich als legitim und gleichberechtigt respektieren.

Selbstverständlich darf man auch in einer Demokratie von seiner Meinung völlig überzeugt sein und sie engagiert vertreten. Gerne auch mit aller Kraft, mit Polemik und Zuspitzungen. Das hält Demokratie aus. Sie lebt geradezu von echter Leidenschaft im Denken und Handeln. Aber man muss den Anderen und seine Meinung als grundsätzlich gleichberechtigt akzeptieren und respektieren. Der Mitbürger könnte Recht haben, und ich könnte mich irren. Das im Hinterkopf zu haben, ist demokratischer Respekt.

Wenn andere Meinungen von vornherein oder grundsätzlich als falsch, unsinnig, wissenschaftsfeindlich oder staatsgefährdend abgetan werden, gibt es keinen echten demokratischen Diskurs mehr. Die demokratische Meinungsvielfalt fällt der herrschenden Meinung zum Opfer. Wer eine andere Meinung vertritt, ist in der Demokratie ein respektierter gleichberechtigter Mitbürger und ein politischer Gegner. Er ist kein Feind der Demokratie. Das ist eine Lehre, die man aus den politischen Auseinandersetzungen der Weimarer Republik ziehen kann. Wer Andersdenkende als Feinde sieht, überschreitet die wichtigste rote Linie der Demokratie und zerstört auf lange Sicht die Demokratie. Das macht die Ampel-Strategie gegen Rechts so gefährlich. Merkt die Regierung gar nicht, was sie da tut? Oder handelt sie ganz bewusst so? Man weiß nicht, was schlimmer wäre.
 

Anzeige