Migrationskrise - „Ich bin etwas verwundert, wie ruhig Sie da sitzen können“

Die Migrationskrise ist mal wieder Thema bei Maybrit Illner. Zu Gast unter anderem: CDU-Politiker Jens Spahn und Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die, findet sie, schon sehr fleißig war bei der Problemlösung.

Migrationsrunde bei Maybritt Illner / Screenshot
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Gut, dass einer der wichtigsten Punkte bereits zu Beginn der Sendung von Maybrit Illner vom Donnerstagabend geklärt wurde: In einem Einspieler weist die Redaktion darauf hin, dass Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni „rechtsnational“ sei, was wichtig ist, damit auch ja kein Zuschauer glaubt, sie sei eine Sozialistin oder gar eine Grüne – oder so ähnlich. Man hat sich daran gewöhnt, dass es ohne Etiketten nicht mehr geht in dieser Debatte. 

Es ist ohnehin eine seltsame Debatte, die wir derzeit beim Thema Asyl erleben. Denn eigentlich gibt es in der Bestandsaufnahme überhaupt keinen Diskussionsbedarf mehr: Seit Monaten ist aus den deutschen Kommunen und Landkreisen zu vernehmen, dass man dort längst an den Integrations- und Kapazitätsgrenzen angekommen, teilweise schon darüber hinaus ist. Die jüngsten Bilder aus Lampedusa sprechen ohnehin für sich. Und jeder, der sich der Realität verpflichtet fühlt und nicht an irgendeiner „Wir schaffen das“-Utopie festhält, weiß, dass es Handlungsbedarf gibt bei dem Thema. Jede Menge Handlungsbedarf, um genau zu sein. 

Grenzen dessen, was geht

Zu Gast bei Maybrit Illner waren am Donnerstagabend Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Lamya Kaddor, der stellvertretende Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU), der renommierte Migrationsforscher Ruud Koopmans, Christopher Hein, Professor für den Bereich Immigration und Asyl am Politikwissenschaftlichen Institut der LUISS Universität Rom, sowie die Integrationsbeauftragte der Gemeinde Odenthal in NRW, Claudia Kruse.

„Die werden nach Deutschland kommen, da können Sie auch eine Mauer am Brenner errichten“, sagte Hein. Koopmans stellte einmal mehr und völlig zu Recht fest, dass „unser System nicht funktioniert“, dass wir legale Migrationswege schaffen sollten, aber nicht zusätzlich, sondern statt den illegalen Migrationswegen, wie er betonte.

Spahn sagte: „Es setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch: Es gibt Grenzen dessen, was geht. In den Kitas, in den Schulen, auf dem Wohnungsmarkt, im Gesundheitswesen. Wir haben überall Grenzen des Machbaren. Wir schaffen das nicht mehr. Wenn sich darauf mal alle verständigen könnten, dass es Grenzen gibt dessen, was geht, wäre das ein erster wichtiger Schritt.“ Und der CDU-Politiker stellte richtigerweise fest, dass wir seit Jahren über Migration sprechen, das Problem mit der Massenzuwanderung und der illegalen Migration aber immer noch nicht gelöst ist. 

Bemühungen, das Ganze aufzuweichen

Folgt man Nancy Faesers Argumentation, dann ist sie derzeit keine „Teilzeitministerin“ (Vorwurf von Spahn) und hat überhaupt schon jede Menge getan, um wieder unter Kontrolle zu bringen, was nicht mehr unter Kontrolle ist. Zum Beispiel: „Ich habe das Abkommen in Europa verhandelt. Mir ist es gelungen, nach jahrelangem Stillstand dieses Abkommen mit den anderen Staaten, mit den anderen Innenministern zu verhandeln.“ Gemeint ist jene Einigung auf eine striktere Asylgesetzgebung im Europäischen Parlament

Wer hier was verhandelt hat, darüber müsste allerdings noch gesondert diskutiert werden. Ebenso, ob Faesers Rolle bei der Einigung wirklich so relevant war, wie sie behauptet. Klar ist jedenfalls: Insbesondere die Grünen – vertreten am Donnerstagabend bei Illner durch Lamya Kaddor („Es gibt gute Gründe dafür und gut Gründe dagegen“) und bekanntermaßen Teil der Ampelregierung – sind so oder so redlich bemüht, das Ganze wieder aufzuweichen.

 

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Koopmans stellte im Anschluss nüchtern fest: „Es wird noch ganz lange dauern, bis das greift. Für die derzeitige Situation ist es keine Lösung.“ Es werde, so Koopmans weiter, nicht reichen, bilaterale Abkommen mit den Herkunftsländern anzuvisieren. Man brauche auch Abkommen mit den Transitländern. Spahn: „Ich würde mir wünschen, dass Tag und Nacht daran gearbeitet wird, dass es in Brüssel endlich diese Entscheidung gibt (...) Ich bin mir manchmal nicht sicher, ob alle merken, was los ist in diesem Land.“  

Das scheint denn auch des Pudels Kern zu sein. Denn Realitäten lassen sich nicht wegdiskutieren. Unterbringungsmöglichkeiten entstehen nicht von alleine. Das deutsche Sozialsystem finanziert sich nicht von selbst. Und innere Sicherheit ist eine Hauptaufgabe des Staates im Sinne der eigenen Bürger, die seit geraumer Zeit schon wieder zusehen müssen, wie das lang gepredigte „2015 darf sich nicht wiederholen“ zur blutleeren Floskel verkommt. Was wir wirklich bräuchten: Sach- statt Geldleistungen, mehr Rückführungen, mehr Grenzkontrollen, ein für alle stemmbares Kontingent für Neuankömmlinge – und beim Thema Integration könnte sich die Ampelregierung ein Beispiel an Dänemark nehmen. Warum, lesen Sie hier

Ich-bin-doch-schon-dran-Faeser

Und nun? Gute Frage, nächste Frage. Denn tatsächlich sendet die Bundesregierung und damit ausgerechnet auch Ich-bin-doch-schon-dran-Faeser ein ganz anderes Signal. Wie die Welt am Sonntag berichtet, sieht der derzeitige Referentenentwurf zum „Familien- und Arbeitsmarktintegrationsgesetz“, auf das die Ampel besonders stolz ist, vor, dass der Familiennachzug erleichtert werden soll – und künftig auch für subsidiär Schutzberechtigte gelten soll, also nicht mehr nur für anerkannte Flüchtlinge.

Eine, so deutlich muss man das sagen, irre Idee, wenn man bedenkt, dass es in der Folge noch viel mehr Unterbringungsmöglichkeiten bräuchte und noch viel mehr Integrationsinfrastruktur, die schon heute rar bis nicht mehr vorhanden ist. Quo vadis, Deutschland? Das muss man fragen. Quo vadis, Bundesregierung? Das auch. In der Utopistenrepublik Ampelland scheint jedenfalls noch ausreichend Potenzial für Wunschvorstellungen vorhanden zu sein. Da können wir noch so viel über die faktische Migrationskrise reden. Bei Illner und anderswo. 

 

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