Landtagswahl 2023 im Blick - Warum Markus Söder die CSU umbaut

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder bildet sein Kabinett um – und besetzt den Posten des Generalsekretärs neu. Nach seiner Kehrtwende in der Corona-Politik ist dies der zweite Schritt des Parteichefs in Richtung Landtagswahl im kommenden Jahr. Denn derzeit droht der CSU im Herbst 2023 laut Prognosen noch die größte Wahlniederlage ihrer Geschichte.

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder hat am Mittwoch sein Kabinett umgebildet / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Wir schreiben den 26. September 2021. Während der bayerische Ministerpräsident Markus Söder die ersten Hochrechnungen zur Bundestagswahl in Berlin verfolgt, hat die CSU zur Wahlparty in ihre Zentrale im Münchner Norden geladen. Neben Söder sind dieser Veranstaltung viele weitere prominente Vertreter der Partei ferngeblieben, denn eine richtige Feierstimmung wird an diesem Abend garantiert nicht aufkommen.

Die ersten Prognosen sehen die CSU in Bayern bei 33 Prozent – und die anwesenden Mitglieder jubeln und klatschen. Aber nicht etwa deshalb, weil das Ergebnis gut wäre. Es ist schlecht. Sondern aus dem Grund, dass mancher Christsozialer schon gefürchtet hatte, dass die CSU bei den Bundestagswahlen gar unter 30 Prozent fallen könnte. Im Interview mit dem ZDF sagt CSU-Generalsekretär Markus Blume später: „Das ist natürlich ein Tag, wo man bei der absoluten Höhe des Ergebnisses sagen muss, da muss die Ambition schon eine andere sein.“

Absturz einer Regierungspartei

Ja, ambitioniert ist sie, die CSU, und das war sie auch immer – vor allem mit Blick auf den Regierungsanspruch in Bayern. Über Jahrzehnte holte die Partei bei den Landtagswahlen im Freistaat verlässlich die absolute Mehrheit, und noch am 21. September 2003 mit 60,7 Prozent der Zweistimmen das zweitbeste Ergebnis ihrer Parteigeschichte. Doch bei der vergangenen Landtagswahl am 14. Oktober 2018 waren es dann plötzlich nur noch 37,2 Prozent, das schlechteste Wahlergebnis jemals – und die CSU wurde in eine Regierungskoalition mit den Freien Wählern gezwungen.
 

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Wenn nächsten Sonntag Landtagswahl in Bayern wäre, würde die CSU nach einer Datenerhebung des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap nur 36 Prozent der Zweitstimmen erhalten. Das wäre für die ohnehin schon angeschlagene Partei die nächste historische Wahlpleite. Die Gründe für die Umfragewerte sind unterschiedlich: Sie reichen vom Aufwind der Grünen in Bayern, die laut Prognosen mit derzeit 16 Prozent zweitstärkste Kraft wären, über die gewachsene Konkurrenz durch die Freien Wähler und die AfD bis hin zu Markus Söders Corona-Politik, die über weite Strecken rigider war als in anderen Bundesländern. Auch im Umgang mit Ungeimpften griff Bayern autoritärer durch. Und die machen im Freistaat laut Robert-Koch-Institut, Stand 23. Februar, immerhin 26,2 Prozent der Bevölkerung aus.

Zwei Schritte in Richtung Landtagswahlkampf

Weil dem so ist, hat Söder den ersten Schritt in Richtung Landtagswahlkampf bereits getan, als er als erster Ministerpräsident zur Durchsetzung einer Impfpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen auf Distanz gegangen ist – und mit Blick auf die deutlich mildere Omikron-Variante öffentlichkeitswirksam den Schwenk vom Law-and-Order-Coronapolitiker hin zum Vorreiter für weitgehende Öffnungen und mehr Eigenverantwortung der Bürger vollzogen hat. Denn Söder weiß, dass es für ihn eng wird, wenn mindestens ein Viertel der bayerischen Wahlberechtigten im kommenden Jahr aus Protest gegen die Corona-Politik ihres Landesvaters garantiert nicht für die CSU stimmen.

Den zweiten Schritt hat Söder dann am Mittwoch dieser Woche getan. Mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst 2023 baut der bayerische Ministerpräsident sein Kabinett um und besetzt auch den Posten des Generalsekretärs neu. Frischer Wind soll her. Und weil Söder einerseits kein Interesse daran hat, dass dieser frische Wind ihn als CSU-Chef davon weht, aber derzeit andererseits ohnehin weit und breit niemand zu sehen wäre, der Söder herausfordern könnte, soll er eben nicht von oben kommen, sondern von unten und von der Seite.

Stephan Mayer wird neuer CSU-Generalsekretär

Zuvor hatte Söder seine Pläne für die Personalien in der entscheidenden Sitzung der CSU-Landtagsfraktion vorgestellt  unter größter Geheimhaltung inklusive Handy-Verbot, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtete. Eine konkrete Neubesetzung hat gleichwohl den Weg in die Öffentlichkeit gefunden, noch bevor Söder um 13.07 Uhr ans Rednerpult im Bayerischen Landtag trat. Der Bundestagsabgeordnete und frühere Innen-Staatssekretär Stephan Mayer, ein Vertrauter des Söder-Vorgängers Horst Seehofer, soll neuer CSU-Generalsekretär werden und auf Markus Blume folgen.

Mayers Berufung durch den CSU-Chef Söder ist nicht zuletzt auch ein Hinweis auf die strategische Ausrichtung des Landtagswahlkampfes der Partei in Bayern. Denn Mayer zählt zum konservativen Flügel der CSU. Wie im Laufe des Mittwochs ebenfalls bekannt wurde, soll die Landtagsabgeordnete Tanja Schorer-Demel zudem neue stellvertretende Generalsekretärin werden. Der bisherige Amtsinhaber und Bundestagsabgeordnete Florian Hahn würde denn erster internationaler Sekretär der CSU.

„Trotz der Wirren der Welt wollen wir ein Zeichen setzen, dass Optimismus nicht vergeblich ist“, sagte Söder mit Blick auf den Ukraine-Konflikt einerseits. Er lobte damit andererseits aber auch den Status quo des Freistaats: vom wachsenden Zuzug nach Bayern über die Erfolge in der Sozialpolitik bis hin zu den Ausgaben für Forschung und Entwicklung und den Bemühungen Bayerns im Kampf gegen den Klimawandel – außer in der Windenergie, bei der sich der Freistaat besonders querstellt. „Fakten kann man nicht leugnen, auch wenn es weh tut“, sagte Söder, und kassierte dafür aus der Opposition ein bisschen Geraune. Hinter verschlossenen Türen dürfte zuvor aber auch der eine oder andere CSU-Politiker wegen Söder geraunt haben.

Wackelkandidaten und neue Mitglieder im Kabinett

In Parteikreisen wurden bereits seit Wochen insbesondere Bau- und Verkehrsministerin Kerstin Schreyer, Wissenschaftsminister Bernd Sibler, Familienministerin Carolina Trautner sowie Innen-Staatssekretär Gerhard Eck als Wackelkandidaten genannt. Eck hatte bereits angekündigt, bei der kommenden Landtagswahl nicht mehr kandidieren zu wollen. Und genau so kam es dann auch.

Am Mittwoch berief Söder gegen 13.15 Uhr schließlich – die Zustimmung des Landtags vorausgesetzt, was dank der Unterstützung des Koalitionspartners Freie Wähler nur pro forma nötig war – Ulrike Scharf als neue Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales (für Trautner), Markus Blume als neuen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst (für Sibler) sowie Christian Bernreiter als Staatsminister für Bauen, Wohnen und Verkehr (für Schreyer) ins Kabinett. Sandro Kirchner folgt auf Eck und wird Staatssekretär im Staatsministerium des Innern, Sport und Integration. CSU-Politikerin Scharf war unter Ministerpräsident Seehofer bereits Umweltministerin, ist also keine Unbekannte im Freistaat, während Bernreiter Landrat des Landkreises Deggendorf ist. Kirchner ist Landtagsabgeordneter und derzeit Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung.

Kein bayerischer Bundesminister im Amt

„Seit eine neue Bundesregierung im Amt ist, haben sich die Koordinaten verschoben“, sagte Söder, bevor er die Namen der Neuen nannte. „Es ist das erste Mal kein bayerischer Bundesminister oder eine Bundesministerin im Amt. Das heißt, der direkte Draht (aus Berlin nach Bayern – Anm. d. Red.) ist zunächst einmal abgeschnitten. Das heißt, Bayern ist da allein – und allein auch in Berlin.“ Das könne nur zwei Gründe haben, so Söder in Richtung Ampel-Parteien: „Entweder war es eine bewusste Entscheidung ihrer Parteien, Bayern nicht zu nehmen, oder es hat sich niemand aufgedrängt, der die Qualifikation besitzt. Beides ist in gleicher Weise schlecht für unser Land.“ Laut Söder bedeute das: „Dass die Staatsregierung die einzige Hoffnung ist für die Vertretung bayerischer Interessen der Bayern in Deutschland und darüber hinaus.“ Ob das die bayerischen Wähler im Herbst 2023 genauso sehen werden, lässt sich anfügen, wird sich freilich erst zeigen müssen.

 

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