Junge Union Chef - Johannes aus dem Nichts

Der Vorsitzende der Jungen Union ist immer noch neu im politischen Establishment. Doch wenn es gegen die Grünen geht, ist Johannes Winkel schon jetzt stilbildend.

Johannes Winkel ist seit November 2022 Vorsitzender der Jungen Union / Julia Steinigeweg
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Es gibt eine kleine Geste, die viel über Johannes Winkel erzählt. Auf der Kreuzung vor der CDU-Zentrale in Berlin blockierten neulich ein paar Klimakleber den Verkehr. Der neue Vorsitzende der Jungen Union setzt sich zwischen die Aktivisten. Die eine Hand am Handy zum Filmen, die andere streckt er aus. „Hi, wer bist du?“, beginnt er das Gespräch.

Freundlich, zugewandt – doch schnell wird klar, Winkel wird den Frontkämpfer der „Letzten Generation“ bloß stellen, entlarven. „Willst du mit uns für mehr klimaneutrale Kernkraft kämpfen?“, fragt er, etwas Harmlosigkeit vorspielend. Der angesprochene „Sven“ will nichts sagen, verweist auf den Pressesprecher. Auch den anderen Klebern wird es ungemütlich, aber sie können nicht weg, sitzen ja fest. „Keine Diskussionsbereitschaft“, stellt der CDU-Nachwuchspolitiker dann fest. „Große Klappe, wenig Argumente“, so resümiert Winkel schon fast süßlich in die Kamera. 

Hart in der Sache, smart im Umgang

Drinnen im Konrad-Adenauer-Haus tagt gerade der Kleine Parteitag. Die CDU vermag nicht richtig von der Ampelkrise zu profitieren. Was muss passieren? Die einen wollen einen schärferen Ton gegen die Grünen, die anderen werben für den Mitte-Kurs. Mittendrin Friedrich Merz. Und draußen zeigt der 31-jährige Jurist aus dem Siegerland dem Establishment kurz, wie man Politik im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße bringt. 

Sein kleines Twitter-Video bringt ihm dann auch viel Zustimmung ein. Doch ob alle die Methode Winkel schon durchschaut haben, ist fraglich. In der Sache will er Klarheit ausstrahlen: für Kernenergie werben. Schon an dem Punkt scheitern manche. Immerhin war man mit Merkel für den Ausstieg. Er sagt auch: „Dieser grüne Zeitgeist ist für viele Probleme dieses Landes verantwortlich.“ Und er ist gegen Schwarz-Grün im Bund.  In der Form reicht Winkel den Aktivisten die Hand, das wirkt fast rührend. Hart in der Sache, smart im Umgang – und das mit Effekt, so will er das machen. 

 

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Johannes Winkel ist der Neue im Spitzenpersonal von CDU/CSU. Vor drei Jahren war er noch unbekannt, dann wurde er NRW-Landesvorsitzender der Jungen Union, ohne CDU-Amt, ohne politisches Mandat. Eine kommunalpolitische Verwurzelung hat er nicht, anders als etwa sein Vorgänger Tilman Kuban. 

Katholisch ja, CDU nein

Als einen Spätberufenen sieht er sich. Im November 2022 wurde er an die Spitze des größten Parteijugendverbands gewählt. Aus dem Stand, ohne Gegenkandidaten. Der Grund: sein Talent. Winkel macht Politik, als wäre er schon lange dabei. Manchen ist das etwas unheimlich: der Johannes aus dem Nichts.
Er stammt aus Kreuztal, das ist am hinterletzten Zipfel Nordrhein-Westfalens, ganz im Südosten, dort wo Deutschland im Umkreis von 80 Kilometern ländlich ist. Selbst zum Westfalenstadion seiner Dortmunder fährt man mehr als anderthalb Stunden. 

Die Christdemokratie wurde ihm nicht in die Wiege gelegt. Sein Vater hat gesagt, eine Partei, die den Mindestlohn nicht wolle, sei unchristlich. „Das hat mir eingeleuchtet, deswegen bin ich nicht eingetreten“, erzählt Winkel. Die Eltern sind beide in der katholischen Gemeinde engagiert. „Ich fand es total normal, dass die Freizeit fürs Ehrenamt draufgeht“, erzählt er. Er machte bei der Kolpingfamilie mit. „Kolping“ steht noch immer neben „BVB“ als Charakterisierung in seinem Twitter-Profil. Später war er Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände. Auch so was ist in der CDU seltener geworden.

Mal eben den Neuanfang ausgerufen

Irgendwann gründet er dann doch mit Freunden den JU-Stadtverband Kreuztal, den gab es nicht mehr. In der JU ist er aufgestiegen, und in die CDU ist er auch eingetreten. Aber Politik sei für ihn zunächst nicht das Wichtigste gewesen. Er wollte sein Jurastudium gut machen. Erst in München, dann St. Gallen, schließlich Bonn. Er hat beim ehemaligen Verfassungsrichter Udo Di Fabio Vorlesungen gehört, später hatte er bei dem renommierten Staatsrechtler Christian Hillgruber eine Mitarbeiterstelle. Die Promotion ruht derzeit. 

Sein erster großer Auftritt war beim JU-Deutschland-Tag in Münster 2021 nach der verlorenen Bundestagswahl. Eigentlich war es nur ein Grußwort. Armin Laschet hat er zur Demut aufgerufen und Markus Söder in die Beichte geschickt. Der Hauptgegner der CDU sei für ihn die „asymmetrische Demobilisierung“. Standing Ovations! Die CDU müsse wieder lernen, selbstbewusst eigene Themen zu setzen und nicht den Grünen hinterherlaufen. „Sonst ist die CDU tot und schlicht überflüssig.“ Winkel ruft mal eben den Neuanfang aus. Ohne falsche Bescheidenheit. „Unsere Generation hat mit der Union noch viel vor“, tönt er damals in Münster. Und es ist klar: Winkel hat noch viel vor.

 

Dieser Text stammt aus der August-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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