Islamismus - Nehmen wir die Bedrohung endlich wahr!

Deutschland spricht von Israels Sicherheit als Staatsräson, enthält sich aber bei der UN-Resolution zu Gaza, in der die Hamas nicht einmal erwähnt wird, der Stimme. Es wird Zeit, mit solcher Beschwichtigungspolitik zu brechen und die Gefahr des politischen Islam auch für unsere Gesellschaften zu erkennen.

Pro-Gaza-Demo in Madrid / dpa
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Rafael Seligmann, Jahrgang 1947, ist Historiker, Journalist und Schriftsteller. Er lehrte an der Ludwig-Maximilian-Universität Strategie und Sicherheitspolitik. In Kürze erscheint sein Buch „Brandstifter und Mitläufer. Hitler, Putin, Trump“ im Verlag Herder.

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Die Israelis weinen und trauern um ihre Kinder, um ihre Angehörigen und Landsleute. Die Juden weltweit sind niedergeschlagen. Sie ahnen, dass der Judenhass wieder weltweit seine Fratze erhebt. Und die anderen? Die demokratischen Europäer, speziell die Deutschen, die sich aufgrund der Schoa Israels Sicherheit als Staatsräson auf ihre Fahne geschrieben haben? Sie sind betroffen. Betroffen, das heißt, der Kanzler eilt nach Israel – um seine aufrichtige Anteilnahme auszudrücken und Zions Recht auf Selbstverteidigung zu betonen, während Deutschlands Vertreter in der Vollversammlung der Vereinten Nationen sich bei einer Resolution der Länder des globalen Südens plus Russland und Konsorten der Stimme enthält, in der die Terrororganisation Hamas als Täter des ärgsten Massakers seit dem Holocaust mit keiner Silbe erwähnt und eindringlich zum Ende der Gewalt aufgerufen wird.

Selbstverständlich! Die Juden sind rachsüchtig, der Zionismus als Teil des Kolonialismus ist gewalttätig und ausbeuterisch. Gegen diese fortwährende Unterdrückung, gegen diese permanente Gewalt wird man sich doch wehren dürfen. Doch die Aktionen der Schlächter und deren Urheber dürfen nicht beim Namen genannt werden. Dieser in Heuchelei verpackten Lüge stimmte Frankreich zu, dessen cleverer Präsident zuvor ebenfalls nach Israel gepilgert war, um den betroffenen Familien und dem Land sein Mitleid auszusprechen. Danke, Emmanuel.

Die Israelis attackieren die Hamas mit aller Gewalt. Dennoch wird es ihnen kaum gelingen, die Terrororganisation auszulöschen. Denn Israel hat in der Vergangenheit zu viele politische Fehler begangen. Doch der Ursprung des Hasses ist religiös. Er entfaltet sich in der gesamten islamischen Welt: von Marokko bis nach Indonesien. Vor allem aber in den Staaten und Städten des demokratischen Westens – mitten unter uns. Doch das wollen nur wenige wissen, denn die Konsequenzen wären schwierig, womöglich gefährlich. Man müsste seine Freiheit aktiv verteidigen. Und das, wo wir seit einem Dutzend Jahren unsere Wehrpflicht ausgesetzt haben. Unser Geld können wir viel besser für die Verbesserung der Umwelt, die bessere Integration von Zuwanderern, das Gendern etc. gebrauchen.

Das Gros der behäbigen westlichen Zivilisation wollte ihre umfassende Bedrohung nicht wahrhaben

Das Kernproblem ist nicht der Islam, auch nicht der jüdische Staat. Es ist die Aggression in Gesellschaft und Politik. Vor neunzig, hundert Jahren kamen die Hauptströmungen des Angriffs auf die Freiheit von Faschisten, später weit stärker von den Nazis. Doch die Demokraten, von Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise geschwächt, wollten sich nicht in neue Konflikte stürzen lassen. Zumal Hitler, zumindest anfangs, nachvollziehbare Forderungen erhob. Das Sudentenland war deutsch – dass bei dessen Preisgabe an Hitler die Tschechoslowakei auseinanderbrechen würde, wollte man nicht wahrhaben. Denn Englands Premier Neville Chamberlain verkündete „Frieden für unsere Zeit“. Zwei Monate später, im November 1938, zeigten Hitlers Nazis ihr wahres Gesicht. In der Pogromnacht ermordeten sie Juden, zerstörten ihre Häuser und Geschäfte, schändeten ihre Synagogen. Der Gewaltrausch dauerte zwei Tage. Ein furchtbarer Aufgalopp. Vier Monate darauf zerschlug Hitler die „Rest-Tschechei“. Daraufhin begann man sich in Paris und London Gedanken zu machen. Die Initiative indessen behielt Adolf Hitler bei. Er ließ Polen angreifen. Den Demokraten blieb nichts übrig, als ihm nach verstrichenem Ultimatum den Krieg zu erklären.

Nach dem gewonnenen Zweiten Weltkrieg brauchte es erst den Verlust Chinas an die Kommunisten, damit der Westen das volle Ausmaß des kommunistischen Expansionismus begriff und Widerstand zu leisten begann. Zunächst in Korea, später in Europa, im Herzen Deutschlands. Doch die bewahrte Demokratie zeigte, je länger der Krieg zurücklag, Auflösungserscheinungen. Man suchte Wandel durch Handel, Annäherung durch Verständigung, und immer mehr wollten Frieden durch weniger Waffen schaffen. Wäre die Sowjetunion nicht an ihrer eigenen Unfähigkeit gescheitert, große Teile der westlichen Gesellschaften wären bereit gewesen, sich auf ein Arrangement mit den Kommunisten einzulassen. Man sah den russisch-kommunistischen Bären nicht mehr als Raubtier, sondern als Schmusewesen.

 

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Ein Jahrzehnt, ehe der Kommunismus implodierte, gelang dem schiitischen Iman Khomeini, die islamistische Revolution in den Iran zu tragen. Hilfreich waren ihm dabei die liberalen Demokratien, vor allem Frankreich, das ihm und seinen Revolutionären Asyl gewährte. Khomeini beschränkte sich keineswegs darauf, ein Religionsführer zu sein. Er und seine Mitkämpfer hatten vielmehr eine weltweite islamistische Revolution im Sinn. Der erste, der dies erkannte, war bemerkenswerterweise der national-sozialistische irakische Diktator Saddam Hussein. Seine Konsequenz: ein langanhaltender Krieg gegen das Mullah-Regime. Als dieser Waffengang nach Jahren schließlich in gegenseitiger Erschöpfung endete, konnten Khomeini und sein Nachfolger endlich ihr Ziel in Angriff nehmen, gegen den Großen und Kleinen Satan ihren weltweiten Glaubenskampf aufzunehmen: die USA und Israel.

Unterdessen starteten auch radikale sunnitische Gruppen global den Krieg gegen die Ungläubigen, vor allem in den westlichen Demokratien. Dies geschah keineswegs im Verborgenen, nur wollte das Gros der behäbigen westlichen Zivilisation ihre umfassende Bedrohung nicht wahrhaben. Einzelne Forscher wie der US-Politikwissenschaftler Samuel Huntington aber wiesen in vorsichtigen Worten auf den „Clash of Civilzations“ hin. Der Zusammenstoß der Kulturen bedeutete: Der Westen hat bislang die Zivilisation mit Waffengewalt dominiert, fortan seien Auseinandersetzungen mit anderen Zivilisationen wahrscheinlich. Dass dies auch Konflikte mit der islamischen Welt bedeuten könnte, verdrängte man in den demokratischen Staaten.

Die Konsequenzen der Aufnahme von Islamisten in die freien Länder werden nicht bedacht

Der 11. September war ein Fanal. Die Menschen in den Vereinigten Staaten und die westlichen Demokratien begriffen schlagartig die tödliche Gefahr, die ihnen drohte. Doch hastige Invasionen gegen das Taliban-Regime in Afghanistan, die Al Qaida, den Irak Saddam Husseins und seiner Nachfolger sind falsch und ungenügend. Entscheidend ist das Bewusstsein der Menschen, denn das lässt sich nicht mit Waffengewalt bezwingen. Es braucht klare religiöse, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Festlegungen und Auseinandersetzungen. Doch welcher westlicher Politiker oder welche Staatengemeinschaft hat dafür Geduld? Da reicht der Zeithorizont maximal bis zur nächsten Wahl. Die Konsequenzen der Aufnahme von Islamisten in die freien Länder aber werden nicht bedacht.

Womit wir in der Gegenwart angelangt wären. Israel wird seine Fehler zu korrigieren suchen. Es wird erkennen, dass Kriege allein das Sicherheitsproblem des Landes nicht lösen können. Jerusalem wird neue politische Wege suchen müssen und sich unterdessen massiv zu verteidigen wissen. Doch was geschieht mit Europa? Mit Beschwichtigungspolitik und einigen kosmetischen Abschiebungen von Extremisten wird es nicht getan sein. Deutschland, die EU verfügen über eine offene Gesellschaft. Zuwanderer sind prinzipiell willkommen. Doch nur Menschen, die bereit sind, integraler Teil einer freien, toleranten Gesellschaft zu sein. Wer dazu nicht bereit ist, wer unsere Länder lediglich als Stützpunkte in einem Religionskrieg ansieht, der hat hier nichts zu suchen. Er darf nicht in unsere freien Länder. Und wenn er oder sie sich bereits in Europa befinden, müssen sie wieder in ihre Heimatländer zurückkehren.

Wenn wir uns nicht rechtzeitig zu diesen konsequenten Maßnahmen entschließen, dann werden wir einen Preis zahlen, bei dem Anschläge wie der vom 11. September keine Einzelfälle sind. Parallel dazu wird eine latente islamistische Bedrohung zur Regel werden. Islamistische Attentate wie in London, Paris, Brüssel, Wien, Berlin sind eine deutliche Warnung. Gewalttätige Demonstrationen und Ausschreitungen ebenfalls. Nehmen wir sie endlich wahr.

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