Die Grünen in der Corona-Zeiten - Keine Partei für die Krise

In der Corona-Krise verlangt die Wirtschaft handfeste Lösungen. Die Grünen tun sich dabei nicht sonderlich hervor und beweisen wieder einmal, dass ihre Kernthemen vor allem die Privilegierten bedienen.

Handfeste Lösungen? /dpa
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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So schnell kann’s gehen. Gestern noch top, heute schon Flop. Galten die Grünen bis vor wenigen Wochen noch als Partei der Zukunft, die mit Super-Robert und Fridays-for-Future im Rücken allen verknöcherten Besitzstandswahrern das Fürchten lehrt, so erscheinen sie heute als Relikt einer sorglosen Vergangenheit, in der man keine anderen Probleme hatte als Feinstaub und Stickoxid.

Doch inzwischen mussten wir lernen, dass es tödlichere Gefahren für die Lungen der Menschen gibt. Mehr noch: Angesichts von Produktionsstopps, geschlossenen Geschäften und mehr als 725.000 Betrieben in Kurzarbeit ist die Formel vom ökologischen Umbau der Industriegesellschaft keine Verheißung, sondern Bedrohung.

Kindisches Politpotpourri von gestern

Hunderttausende Arbeitnehmer warten sehnlichst darauf, dass die Fabriken wieder anlaufen. Ob dort dann Diesel mit der Abgasnorm Euro 6, 5 oder Anno dazumal vom Band laufen, ist den meisten vermutlich ziemlich egal. Es ist, als ob eine Gesellschaft von Traumtänzern schlagartig in der harten Realität angekommen wäre: E-Mobilität, Multikulti, ÖPNV, offene Grenzen, Genderthemen – grüne Kernthemen erscheinen plötzlich als kindisches Politpotpourri aus einer Epoche voll Überfluss und Sorglosigkeit.

Nicht die Art des Antriebsaggregats ist das aktuelle Problem der deutschen Automobilindustrie, sondern die Frage, ob sie überhaupt noch Autos bauen kann. Eine vergleichsweise homogene Leitkultur im Umgang mit Geboten und Alltagsregeln erweist sich in der Krise als Gold wert. Der Individualverkehr wird auf absehbare Zeit eine erhebliche Renaissance erleben. Die gute alte Staatsgrenze bewährt sich als probates Mittel, Mobilität effektiv zu unterbinden.

Die Renaissance des Bewährten

Und ernsthafte Wissenschaftler wie Virologen und Pneumologen sind in der Pandemie deutlich gefragter als Vertreter von „Postcolonial Studies“. Lediglich der Flugverkehr befindet sich tatsächlich auf einem Niveau, von dem selbst ein Dieter Janecek wohl kaum zu träumen wagte.

Zur Erinnerung: Das ist jeder Bundestagsabgeordnete der Grünen, der Anfang 2019 empfahl, Auslandsflüge zu limitieren. Wie weltabgewandt gerade die sich häufig ihres Realismus rühmende Umweltpartei ist, zeigen die zaghaften Interventionen einiger ihrer Protagonisten während der vergangenen Wochen: So forderte Robert Habeck – immerhin zu einem Zeitpunkt, als andere noch davon träumten, die Sache werde schon nicht so schlimm – ein Sofortprogramm für Hoteliers und Restaurantbesitzer.

Initiative mit zwei Gesichtern

Diese gut gemeinte Initiative konterkarierte der grüne Hoffnungsträger allerdings umgehend durch den Vorschlag, diese Unterstützung für den Umbau der Heizungsanlagen zu nutzen – als hätte das Gastronomiegewerbe im Moment keine anderen Sorgen. Dann kam die grüne Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl Anfang April auf die erstaunliche Idee, bis zum Ende der Pandemie Atomkraftwerken abzuschalten – was immer das eine mit dem anderen zu tun haben mag.

Und schließlich forderte der Dresdner Lokalpolitiker Robert Schlick Anfang dieser Woche in einem Tweet, die Wirtschaft jetzt mal gegen die Wand zu fahren: „Lassen wir doch Tui und Co. einfach mal absaufen. Und dann probieren wir etwas Neues aus, etwas, das klima-, umwelt- und menschenfreundlicher ist.“

Zynischer Mix aus Humanismus und Menschenverachtung

Interessant an dieser Auslassung war nicht nur ihre Verbohrtheit, sondern vor allem der zynische Mix aus zur Schau getragenem Humanismus und unverhohlener Menschenverachtung. Da half es auch nicht mehr, dass die Parteivorsitzende Annalena Baerbock ein „Corona-Kindergeld“ ins Spiel brachte.

Weltfremder Fundamentalismus, noch höhere und noch umfangreichere Sozialausgaben und zaghafte Kritik an den geltenden Einschränkungen des Alltagslebens – mehr haben die Grünen in Zeiten der Krise nicht zu bieten. Mit dieser ernüchternden Bilanz stehen sie nicht allein: FDP und AfD geht es nicht anders.

Das Versagen liegt in der DNA

Doch die Grünen leiden nicht nur unter ihrer Oppositionsrolle. Man braucht nur in das erste Bundesprogramm von 1980 zu schauen, um zu sehen, dass ihr aktuelles Versagen in der politischen DNA dieser Partei begründet liegt. Ganz zum Schluss, irgendwo hinter Wirtschaft, Energie, Frieden, Frauen, Minderheiten, Schwangerschaftsabbrüchen und Kultur, kam man damals auf das Thema Gesundheit zu sprechen und verlor sich umgehend in plakativen Anklagen gegen die Pharmaindustrie, gegen Apparatemedizin, gegen den „Überkonsum von Arzneimitteln, unnütze chirurgische Eingriffe, übertechnisierte Großkrankenhäuser“. 

Diese Anliegen waren ja nicht einmal falsch. Bei einer Pandemie allerdings können nur Hightech-Medizin und eine leistungsfähige Pharmazie den Ausweg aus der Krise bahnen. Dem Rentner auf der Intensivstation hilft kein Tipp in ganzheitlicher Lebensführung. Der braucht handfeste Hilfe. Doch die Grünen waren eben schon immer die Partei der Privilegierten.

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