Gewalt in deutschen Freibädern - „Gewisse Gruppen glauben, eine Parallelwelt schaffen zu können“

In deutschen Freibädern kommt es zu immer heftigeren Auseinandersetzungen. Im Interview erklärt Peter Harzheim, Präsident des Bundesverbands Deutscher Schwimmmeister (BDS), wo die Ursachen liegen und was sich ändern muss.

Ein Polizeifahrzeug steht am Sommerbad Neukölln am Columbiadamm / dpa
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York Herder ist ausgebildeter Journalist und hospitiert derzeit bei Cicero.

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Peter Harzheim ist Präsident des Bundesverbandes Deutscher Schwimmmeister (BDS). Er arbeitete 45 Jahre lang als Bademeister. 

Herr Harzheim, in der letzten Woche gab es unschöne Nachrichten aus einem Berliner Schwimmbad. Es kam zu einem Gewaltausbruch, der so eskaliert ist, dass die Polizei das Bad räumen musste. Ist die Gewalt in Schwimmbädern schlimmer geworden?

Die Entwicklung kommt nicht überraschend. Das ist seit einigen Jahren schon so. Wenn Sie mich fragen, ob es schlimmer geworden ist, muss ich sagen: Ja. Das fing an, als wir 2015 die große Flüchtlingswelle hatten und viele Menschen aufgenommen haben, die Schutz suchten. Die Leute aufzunehmen, war auch in Ordnung, nur gibt es jetzt viele kulturelle Unterschiede, die beibehalten wurden. Viele der jungen Migranten legen den Mitbürgern gegenüber ein patriarchales Auftreten an den Tag. Diese Gewalttaten gab es vor 30 oder 40 Jahren nicht.

Warum nicht?

Da gab es zwar auch Ärger und auch immer mal wieder eine kleiner Schlägerei, aber damals standen die Schwimmmeister auf einer Höhe mit dem Bürgermeister, Pastor und Dorfpolizisten. Wenn man als Schwimmmeister damals etwas gesagt hat, dann wurde das befolgt. Die Respektlosigkeit hat in den letzten zehn Jahren rapide zugenommen. Auf der einen Seite haben wir viele Bürger mit unterschiedlichen Rollenverhalten aufgenommen, aber andererseits sind die Deutschen auch zu einem Volk von Egoisten geworden. Nicht nur Migranten fehlt der Respekt vor unseren Kollegen.  

Wird das von Jahr zu Jahr sogar schlimmer?

In der jüngeren Vergangenheit wurde es von Jahr zu Jahr immer ein bisschen schlimmer. Aber dieses Jahr hat es extreme Ausmaße angenommen. Ich glaube aber, dass die Politik jetzt verstanden hat, dass etwas getan werden muss. Das sieht man an der Forderung von Herrn Linnemann, Gewalttäter noch am selben Tag zu verurteilen. Das halte ich für sinnvoll. Denn die Leute, die diese Randale ausüben, müssen schnell Konsequenzen spüren. Meine Hoffnung ist, dass das eingedämmt wird, und wir in den nächsten Jahren wieder zu einem friedlicheren Miteinander kommen.

In Berlin kommt nun eine Ausweispflicht in Freibädern.

So etwas wie das Aufstellen von Kameras, eine Ausweispflicht und Online-Tickets sind Maßnahmen, die jetzt greifen müssen, um solche Krawalle zu verhindern. Das ist aber ein gesamtgesellschaftliches Problem. Der Egoismus und diese Respektlosigkeiten sind nicht von heute auf morgen gekommen. Die Probleme sind über Jahre gewachsen, und das muss sich wahrscheinlich auch über längere Zeit legen.

Dazu muss aber die Justiz wesentlich härter durchgreifen. Für mich ist das wie bei einem Kleinkind, das versucht, bei den Eltern auszuloten, wie weit es gehen kann. Wenn die Eltern zu viel durchgehen lassen, haben sie nachher verloren. Man muss zur richtigen Zeit gewisse Schranken setzen, und diese Schranken muss man spüren, damit man sich beim nächsten Mal überlegt, ob man nochmal gegen die Regeln verstößt. Wenn in der Justiz stärker und konsequenter durchgegriffen wird, haben wir eine Chance, das Problem zu lösen.
 

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Welche Gruppen sind für die Gewaltausbrüche verantwortlich?

Dafür muss man einfach in die Zeitungen schauen. Auf den veröffentlichten Bildern sehen Sie, dass es zum Großteil Personen mit Migrationshintergrund sind.

Wird Ihnen das so auch von Ihren Kollegen mitgeteilt?  

Wir sind ehrenamtlich tätig und haben keine zentrale Stelle, um das empirisch zu erfassen. Aber ich bekomme das von vielen so zugetragen, wobei es starke regionale Unterschiede gibt. In den Regionen, wo der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund überproportional angestiegen ist, steigt auch die Gewalt in den Schwimmbädern. Insbesondere dann, wenn verschiedene kulturelle Gruppen aufeinanderprallen. Da spielt dann auch Alkohol keine Rolle, weil diese Gruppen keinen Alkohol trinken. Das Problem ist dieses Machogehabe. Die Gruppen stacheln sich gegenseitig auf, und da braucht nur ein kleiner Funke zu kommen und dann passiert so etwas wie in Berlin. Ich vermute, dass das daran liegt, dass die Leute das in ihren Ländern nicht anders gelernt haben. Wenn wir Menschen integrieren wollen, müssen nicht nur wir dazu in der Lage sein, uns zu öffnen, sondern die andere Seite muss sich integrieren wollen.

Das heißt, wir sprechen hier größtenteils von Leuten aus dem arabischen Raum?

Im Moment ja.

Wo gibt es die größten Probleme?

In Großstädten und Ballungszentren haben wir die größten Probleme. Einerseits ist dort die Klientel vorhanden, andererseits ist der Egoismus dort noch stärker ausgeprägt, und die Anonymität ist sehr hoch. Aber das kann auch mal im ländlichen Raum vorkommen, wenn der Migrationsanteil an der Bevölkerung in den letzten Jahren stark gestiegen ist und gewisse Gruppen glauben, eine Parallelwelt schaffen zu können.

Sie sprechen von zunehmendem Egoismus in der Gesellschaft. Was meinen Sie damit?

Ich habe mal eine Anzeige bekommen, weil sich jemand während meinem Dienst in der Dampfsauna die Füße verbrannt hatte. Aber in der Dampfsauna ist es nun einmal heiß. Aber dann wird man von anderen gleich aufgefordert, Schadenersatz geltend zu machen. Jeder denkt nur noch an sich, und jeder muss für sich das Beste rausholen. Die sozialen Kompetenzen, die früher vermittelt wurden, sind bei vielen verloren gegangen.

Peter Harzheim / dpa

Das heißt, die Schwimmmeister erleben generell einen Ansehensverlust, der nicht nur von einem durch Migration geprägten Milieu ausgeht?

Richtig, es gibt einen allgemeinen Respektverlust. Wir werden nicht mehr so wertgeschätzt wie früher. Aber das ist nicht nur in unserem Bereich so. Das gleiche Problem haben sie auch bei der Polizei, der Feuerwehr und den Rettungsdiensten. Es ist leider eine Entwicklung, dass Leute, die für andere da sind, helfen wollen und Leben retten, angegangen werden. Das kann doch nicht sein. Und wenn dann in Berliner Bädern Jugendliche die Schwimmmeister anspucken und meine Kollegen gesagt bekommen, sie hätten das verdient, dann frage ich mich, aus welchem Grund? Wo kommt das her? Das sind Äußerungen von pubertierenden, halbgaren Möchtegern-Playboys. Dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden.

Wie ist die Stimmung unter Ihren Kollegen?

Die Stimmung ist relativ ruhig. Es ist so, dass der Großteil der Bäder, vor allem die Freibäder, Orte der Freude, der Erholung und der Zusammenkunft sind. Das sind sicher mehr als 95 Prozent der Bäder, in denen es diese Probleme nicht gibt. Das sind Orte, wo man Spaß haben kann. Es sind diese wenigen Bäder, die jetzt stark in der Öffentlichkeit stehen, bei denen der Eindruck erzeugt wird, dass das ein bundesweites Problem ist.

Wie muss ich das verstehen?  

Das Problem gibt es überall in Deutschland, aber eben nur punktuell. Es ist nicht so, dass es in jedem Freibad in Deutschland zu gewaltsamen Ausschreitungen kommt. Die Kollegen sind ja auch geschult und wissen mit der Situation umzugehen. Die wissen, wie sie ihren Betrieb aufrechterhalten können, und was sie dafür machen müssen. Aber wenn es so stark eskaliert wie in Berlin, bleibt nur noch die Polizei.

Was halten Sie davon, dass viele Bäder Sicherheitsdienste engagieren?  

Das ist sicher ein präventiver und sinnvoller Ansatz. Aber das darf kein Dauerzustand werden. Wenn man als Badegast dauernd von Security umgeben ist, kann man sich nicht frei entfalten. Ich sehe das im Moment in manchen Bädern zwar als notwendig an, um den Entwicklungen Einhalt zu gebieten, aber das darf kein Dauerzustand werden. Wir müssen wieder zu anderen Verhaltensweisen zurückkehren. Aber das ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die die Politik lösen muss.

Würden Sie heute nochmal Schwimmmeister werden?

Ja, ich würde wieder Schwimmmeister werden. Meine Begeisterung ist immer noch da, und das, obwohl ich schon viele negative Seiten des Berufs kennenlernen musste. Ich bin selbst schon mal mit einem Messer bedroht worden oder musste Typen – richtige Kanten – aus dem Bad schmeißen, wo mir das Herz in die Hose gerutscht ist, aber ich stark auftreten musste. Aber dagegen stehen die vielen positiven Seiten. Angefangen vom Säugling über die Mütter, die Väter, Opa und Oma. Wenn die ganze Familie Spaß hat und ihre Freizeit im Bad genießt. Wenn man dann diese strahlenden Augen sieht und weiß, dass wir als Schwimmmeister diesen Spaß möglich machen, dann weiß ich, dass ich mit meinem Beruf alles richtig gemacht habe. Die Menschen sind zwar ein bisschen schwierig zu handhaben, aber man bekommt viel zurück. Ich werde heute noch von 40-Jährigen angesprochen, die mich fragen, ob ich mich an sie erinnere, und mir erzählen, dass sie bei mir im Schwimmkurs waren. Das macht einfach Spaß und Freude. Sie glauben gar nicht, wie viel Positives wir zurückbekommen. Das überwiegt die negativen Seiten.

Das Interview führte York Herder.

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