Freie Wähler - „Extremismus muss bekämpft werden“

Bayerns Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger ist derzeit in aller Munde. Aber wie sehen eigentlich die Freien Wähler in anderen Ländern die Causa Aiwanger? Und was unterscheidet sie von den Freien Wählern im Freistaat? Cicero sprach mit Peter Vida von den Freien Wählern in Brandenburg.

Sehr un-brandenburgisch: Hubert Aiwanger mit dem Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler Florian Streibl am Sonntag beim Volksfest in Keferloh bei München / dpa
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Benjamin Lassiwe ist freier Journalist in Potsdam.

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Peter Vida ist Landes- und Fraktionschef von BVB/Freie Wähler in Brandenburg. 

Herr Vida, wie bewerten Sie die Causa Aiwanger

Das Flugblatt, das wir da in Bayern gesehen haben, ist inhaltlich und sprachlich völlig inakzeptabel und abstoßend. Das zu sagen, ist mir sehr wichtig. Das kann man gar nicht oft genug sagen. Dazu kommt, dass Hubert Aiwanger die Krisenkommunikation völlig misslungen ist: Er hätte viel früher klare Worte finden müssen, um sich von dem Vorgang zu distanzieren. In der Sache selbst muss man aber auch sagen, dass jemand anderes, nämlich Aiwangers Bruder, das Flugblatt geschrieben hat. Man muss sagen, dass viele Beschuldigungen auf anonymen Quellen beruhen, und man muss Menschen zubilligen, dass sie sich als Erwachsene anders verhalten als in ihrer Jugend. In der Gesamtschau rechtfertigt das deswegen einen Rücktritt oder eine Entlassung Aiwangers nicht. Schließlich sind ja auch die Erfolge der bayerischen Regierungskoalition untrennbar mit dem Namen Aiwangers verbunden. Deswegen ist es richtig, dass er im Amt bleibt. 

Hat Aiwanger mit dieser Geschichte den Freien Wählern insgesamt genutzt oder geschadet? 

Da möchte ich betonen, dass wir als BVB/Freie Wähler in Brandenburg in die ganze Angelegenheit nicht eingebunden waren. Wir kooperieren mit der Bundespartei der Freien Wähler, gehören ihr aber nicht an. Insofern hat das für uns in Brandenburg weder in die eine noch in die andere Richtung Auswirkungen. Wir machen einfach eine ganz eigene Arbeit, sowohl inhaltlich als auch vom Temperament her gesehen. 

Trotzdem arbeiten Sie ja als Freie Wähler in Brandenburg auch mit den Fraktionen in Bayern und Rheinland-Pfalz zusammen. Welche Rolle spielt Aiwanger dabei? Welche Rolle spielen die bayerischen Freien Wähler insgesamt? 

Wir arbeiten dort zusammen, wo wir eine gemeinsame Sichtweise auf bestimmte Probleme haben. Und da ist es schon so, dass wir von der Regierungserfahrung der Bayern sehr profitieren. Das sind sehr qualifizierte Leute, auch sehr bodenständige Leute. Die Kollegen in Rheinland-Pfalz wiederum sind als Landtagsfraktion noch sehr frisch dabei, da konnten wir als Brandenburger – denke ich – einige wertvolle Hinweise geben. Insofern gibt es an vielen Stellen schon eine sehr vertraute Zusammenarbeit. Und die wollen wir auch fortsetzen. 

Worin unterscheiden sich die Freien Wähler in Brandenburg von denen in Bayern und jenen in Rheinland-Pfalz? 

Peter Vida / dpa

Wir sind die preußischen Ossis. Das heißt: Wir haben eine unaufgeregte, sachliche, bodenständige Arbeitsweise, die an den ostdeutschen Spezifika ausgerichtet ist. Nehmen Sie einmal die Diskussion um die Altanschließerbeiträge. Da ging es um Menschen, die zu DDR-Zeiten ein Haus gebaut haben, die schon immer an die Kanalisation angeschlossen waren, und denen nach der Wende plötzlich hohe Rechnungen für Anschlussbeiträge auf den Tisch flatterten. Für uns war das immer ein wichtiges Thema, durch das sich viele Menschen mit den Freien Wählern identifiziert haben. In Bayern oder Rheinland-Pfalz gibt es dieses Thema gar nicht. Bei uns dagegen war es eine offensichtliche rechtliche Benachteiligung von Menschen, die am Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürger kratzte. Deswegen war das für uns ein wichtiges Thema. Es gibt noch weitere regionale Themen, etwa bei den infrastrukturellen Herausforderungen, die in Ostdeutschland noch immer ungleich größer sind als im Westen des Landes. Am Ende sind es aber in Brandenburg immer die Brüche in den Lebensläufen vieler Menschen, die entscheidend sind. Das heißt nicht, dass sie deswegen die Linken wählen. Das heißt aber, dass sie Lösungen haben wollen, die ihre Lebensläufe würdigen. 

Gibt es Sachen, die Sie nicht machen würden, die in den beiden anderen Ländern passieren? 

Nehmen Sie einmal die Energiepolitik: Die bayerische Landesregierung setzt viel stärker auf den Ausbau der Windkraft. Da die Windenergie in Bayern fast nicht vorhanden ist, ist das auch verständlich. Zu BVB/Freie Wähler in Brandenburg gehören einige Bürgerinitiativen, die sich gegen den weiteren Ausbau der Windkraft wenden. Denn wir haben davon schon mehr als genug. Da gibt es ganz erhebliche unterschiedliche Sichtweisen, die geografisch begründet sind. Und es gibt einen spürbaren Unterschied: In Brandenburg haben wir die teuersten Strompreise Europas. Insofern ist es nur recht und billig, dass wir da auch einen eigenen Ansatz haben. 

 

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Wie verhalten Sie sich untereinander bei Europa- und Bundestagswahlen? 

Bei Europa- und Bundestagswahlen, also allen Wahlen, die über die Landesebene hinausgehen, verzichten wir von BVB/Freie Wähler in Brandenburg auf eine eigene Kandidatur und unterstützen die Bundespartei. 

Welche Rolle spielen die Freien Wähler aus Ihrer Sicht im politischen Gesamtbild Deutschlands? Wo stehen Sie? Wo wollen Sie hin? 

Wir haben in Deutschland AfD und Grüne, die sich diametral gegenüberstehen. Das sind derzeit die beiden Pole unseres politischen Systems. Sie dominieren die Debatte ideologisch. Die klassische Mitte wird in der medialen Kommunikation ein Stück weit zwischen diesen beiden Polen zerrieben. Und die etablierten Parteien haben dem zu wenig entgegenzusetzen: Manche sind schlicht zu lange dabei, um die Probleme lösen zu können. Das hat dann auch zur Erosion des Parteiensystems geführt. Als BVB/Freie Wähler in Brandenburg versuchen wir, eine Stimme der Mitte zu sein. Wir wollen eine seriöse, unideologische und unverbrauchte Kraft sein, die den Menschen Lösungen für ihre Alltagsprobleme liefert. Das ist vielleicht nicht so sexy, weil es weniger Erregung bringt. Aber am Ende erwarten die Menschen von Politik genau das: dass sie ihre Probleme löst. 

War das im deutschen Parteiensystem nicht immer die Aufgabe der FDP? 

Historisch kann man das vielleicht so sagen. Allerdings hat sich die FDP immer mehr zu einem Nukleus entwickelt, der heute als sehr beliebig wahrgenommen wird und eigentlich nur der postenorientierten Machtbeschaffung dient. Insofern hat die FDP erheblich an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Mit den Freien Wählern haben wir in Deutschland eine abgeklärte und vernünftige Kraft der Mitte, die in elitäre und abgehobene Debatten neue Bodenständigkeit bringt. 

Hubert Aiwanger wird fehlende Abgrenzung nach rechts vorgeworfen. Wo ist bei Ihnen in Brandenburg die Grenze nach rechts? 

Wir sind da ganz klar: Extremismus muss bekämpft werden, und zwar sowohl von rechts als auch von links. Wir nehmen keine Mitglieder auf, die eine extremistische Vergangenheit haben. Wir benennen Probleme, aber wir spielen kritische Situationen nicht auf dem Rücken von Minderheiten aus. Und wir bewegen uns stets auf dem Boden des Grundgesetzes. Das ist bei Hubert Aiwanger übrigens auch so. 

Was heißt das konkret? 

Wir haben uns im Brandenburger Landtag immer wieder für die Direktwahl von Migrationsbeiräten eingesetzt, weil darüber eine Akzeptanz von Migranten in der Gesellschaft geschaffen werden kann. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass in Brandenburg ein Antisemitismusbeauftragter eingeführt wird – und ich bin ein bisschen stolz darauf, dass wir in Gesprächen mit den anderen Landtagsfraktionen aushandeln konnten, dass er nicht bei der Landesregierung, sondern bei der Landtagspräsidentin angesiedelt wird. Wir haben das Anliegen unterstützt, eine Antisemitismusklausel in die Verfassung zu schreiben. Und wir setzen uns für die Förderung von Projekten ein, die die Demokratie im Land fördern. Und dennoch treten wir dafür ein, Probleme als Probleme zu benennen. Als Kraft der Mitte ist es uns wichtig, dass wir uns von Extremen glaubwürdig abgrenzen und echte Lösungen durch sachliche Vorschläge schaffen. 

Das Gespräch führte Benjamin Lassiwe.

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