EU für Verbrenner-Verkaufsverbot ab 2035 - „Das macht weder fachlich noch klimapolitisch Sinn“

Die Europäische Union will den Verkauf von Autos und Transporter mit Verbrennungsmotor ab 2035 verbieten. Dafür muss sich Brüssel noch mit den EU-Staaten einig werden. Thomas Bareiß, verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erklärt im Interview, warum er ein Verbrennerverbot für falsch hält, wie ein möglicher Kompromiss aussehen könnte und warum es für Energie- und Verkehrswende wichtig sei, technologieoffen zu bleiben.

Motorblock einer S-Klasse im Mercedes-Werk in Sindelfingen / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Thomas Bareiß ist verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Herr Bareiß, das EU-Parlament hat ein Verkaufsverbot für Autos und Transporter mit Verbrennungsmotor ab 2035 beschlossen. Was halten Sie denn ganz grundsätzlich von dieser Idee?

Ich halte es für falsch. Unumstritten braucht es ambitionierte Ziele und politischen Druck. Damit die Transformation erfolgreich wird, braucht es aber Innovationen und neue Technologien, die sich dann am Markt langfristig etablieren und durchsetzen werden. Ein politisches Verbot und die reine Fokussierung auf E-Mobilität ist genau das Gegenteil davon.

Was meinen Sie?

Wir setzen alles auf eine Karte. Heute kann doch keiner sagen, was 2050 die beste Technologie sein wird. Es geht ja nicht nur um Pkw, sondern auch um Lkw oder Spezialfahrzeuge mit sehr spezifischen Anwendungen. Trotz rasanter Zunahme der E-Mobilität, wird der Verbrenner weltweit noch viele Jahrzehnte eine große Rolle spielen. Und deutsche Autos gelten weltweit als sparsam und effizient. Es wäre ein historischer Fehler, das jetzt kurzsichtig aufzugeben. 

Die Mehrheit der EU-Abgeordneten hat sich auch gegen eine Perspektive für den klimaneutral betankten Verbrenner entschieden. Was hat die EU denn gegen synthetische Kraftstoffe?  

Eine gute Frage. Das ist aber nicht nur in Brüssel so, sondern das wird auch in Berlin kultiviert. Das Umweltministerium hat die letzten Jahre immer blockiert, das Verkehrsministerium und Wirtschaftsministerium hat gepusht. Wenn es nur darum geht, den CO2-Ausstoß schnell zu reduzieren, ohne dabei das Mobilitätsangebot für jeden Einzelnen massiv einzuschränken, werden wir an dem Einsatz von einem hohen Anteil an synthetischen Kraftstoffen und auch Biokraftstoffen nicht vorbei kommen. Denn eines ist heute schon sicher, 2035 sind Neufahrzeuge klimapolitisch kein Problem mehr. Problematisch bleiben die mindestens 30 Millionen Pkw im Bestand. Die brauchen dann einen Kraftstoff, der weniger CO2 verursacht. Ganz abgesehen davon, hat eine solche Entscheidung auch enorme Konsequenzen für Hersteller, Zulieferer und die Beschäftigten.  

Was befürchten Sie bei den Arbeitsplätzen konkret?

Eine Zahl beim Rückgang der Arbeitsplätze ist schwer vorhersehbar. Sicher ist, dass für den Bau eines Elektrofahrzeugs wesentlich weniger Arbeitskräfte gebraucht werden. Kurz und mittelfristig wird bei den Zulieferern der größte Druck entstehen. Man kann heute schon spüren, dass Produktion, aber auch die Entwicklung im Bereich der konventionellen Antriebstechnologien abwandert. China ist Profiteur dieser Entwicklung. Die Chinesen haben sich das Ziel gesetzt, in allen Bereichen der Fahrzeugtechnologie mitzumischen.

Für mich klingt so ein Verbrennerverbot ja nach Planwirtschaft.

Das ist es ja auch. Die Klimapolitik löst in vielen Bereichen eine planwirtschaftliche Renaissance aus. Statt einen wirtschaftlich vertretbaren, verlässlichen Rahmen vorzugeben, wird ein Aktionismus und eine Kleinklein-Steuerung ausgelöst. Im Bereich der Mobilität haben wir inzwischen CO2-Preise, ein Zertifikatehandel ist geplant, es gibt steuerliche Lenkungsmechanismen, zusätzlich das scharfe Schwert der fest definierten CO2-Flottenziele für die Hersteller. Und jetzt noch das Verbot von Verbrennern. Von Ludwig Erhard steckt da nicht mehr viel drin.

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Aus der Automobilindustrie kommt dagegen kaum Widerstand. Vom Autohersteller Mercedes heißt es etwa, man sei „bis 2030 bereit, überall dort vollelektrisch zu werden, wo es die Marktbedingungen zulassen“. Welche Marktbedingungen bräuchten wir denn, damit die Automobilindustrie in den nächsten Jahren erfolgreich vollelektrisch wird? Und sind dafür überhaupt schon alle nötigen Grundsteine gelegt?

Ich bin überzeugt, dass die deutschen Hersteller, also die OEMs [Original Equipment Manufacturer, d. Red.], schnell eine attraktive Flotte von Elektrofahrzeugen anbieten können. Das wird nicht das Hauptproblem sein. Für viele wird allerdings Mobilität teurer. Das wird im Besonderen für die Menschen im ländlichen Raum ein Thema. Da braucht es politische Lösungen. Das ganz akute Problem wird der schnelle Aufbau der Ladeinfrastruktur. Da gibt’s noch viele ungelöste Themen. Zum Beispiel große Ballungszentren mit vielen Wohneinheiten, der schnelle bedarfsgerechte Ausbau der Stromnetze und die Strommenge. Und wir brauchen ja nicht nur einen guten Ausbau in Deutschland, sondern bis in den letzten Winkel ganz Europas. Jeder soll ja nach wie vor überall hinkommen in Europa. Denn: Der Kunde wird sich für ein Elektrofahrzeug entscheiden, wenn er Vertrauen in das Produkt hat, es praktikabel ist und bezahlbar.     

Wie ist denn der aktuelle Stand bei der Ladeinfrastruktur hierzulande?  

Deutschland ist schon relativ gut im Ausbau. Wir haben in den letzten Jahren die Haushaltsmittel stark erhöht und viel geschafft zum Beispiel im Hochlauf der Ladeinfrastruktur bei Einfamilienhäusern. Die neue Bundesregierung hat sich ebenfalls hohe Ziele vorgenommen. Allerdings stocken dringend notwendige Gesetzentwürfe und Entscheidungen im Bereich des Ladesäulenausbaus. Das heißt, wir verlieren kostbare Zeit. Wenn wir die Ausbau-Ziele ernst nehmen, müssen wir schneller werden.

Nun ist es ja so, Sie schnitten es bereits kurz an, dass ein Verkaufsverbot ab 2035 nicht bedeuten würde, dass dann niemand mehr einen Verbrenner fährt.

In der Tat. Jedes Auto, das heute verkauft wird, wird wohl auch in 15 oder 20 Jahren noch auf deutschen Straßen fahren. Deshalb wäre es ja auch so wichtig gewesen, die klimafreundliche Anrechnung von synthetischen Kraftstoffen zu erlauben. Diese Entscheidung macht weder fachlich noch klimapolitisch Sinn.

Antriebe für Autos sind das eine. Das andere ist, dass wir unsere Ziele wohl nur erreichen werden, wenn zum Beispiel das Zugfahren eine echte Alternative zum Auto wird. Nun hat das Pfingstwochenende nach der Einführung des 9-Euro-Tickets aber gezeigt, dass die Deutsche Bahn derzeit maßlos überfordert ist. Müssten wir nicht erst einmal Alternativen wie das Zugfahren deutlich verbessern, bevor wir über so etwas wie ein Verbrennerverbot diskutieren?

Sicherlich müssen wir sprichwörtlich zweigleisig fahren und das Alternativangebot verbessern. Nehmen wir die Strecke München nach Berlin: Durch die wesentlich schnellere Neubaustrecke ist das Zugfahren hier attraktiver geworden. Immer mehr Menschen steigen deshalb auf die Bahn um, weil das Angebot auf dieser Strecke einfach besser und attraktiver ist. Das zeigt: Wir brauchen keine Verbote, sondern einen Ausbau und einen attraktiven Wettbewerb. Politik muss nicht bevormunden, vielmehr sollten wir den Menschen mehr zutrauen.

CDU-Politiker Bareiß / dpa

Schnelle Verbindungen sind das eine. Die Preispolitik der Deutschen Bahn etwas anderes. Wenn ich heute spontan von München nach Berlin fahren möchte, kostet mich das Bahnticket hin und zurück sehr viel Geld. Das kann doch auch nicht Sinn der Sache sein, oder?

Da haben Sie Recht. Bahnfahren ist nicht immer günstig. Wenn dann auch noch der Zug überfüllt ist, Verspätungen an der Tagesordnung sind und der Service nicht funktioniert, fällt der Umstieg immer schwerer. Da muss noch viel passieren. Wobei man auch fair bleiben muss. Die Bahn macht auch vielfach einen guten Job. Und für manche Fehler können Bahn und ÖPNV-Anbieter nichts. Wie zum Beispiel das 9-Euro-Ticket – weil Sie gerade vom Pfingstwochenende sprachen. Es war klar, dass mit der Einführung des 9-Euro Tickets zur Hauptreisezeit die Kapazitäten schnell an Grenzen stoßen. Viele Reisende standen die letzten Tage in übervollen Zügen oder wurden gar nicht mehr mitgenommen, Fahrräder konnten nicht transportiert werden. Da haben sicherlich einige das Bahnfahren ad acta gelegt und nehmen lieber weiterhin das Auto.

Eine Alternative zum Auto und zur Bahn wäre das Flugzeug.

Auch das Flugzeug hat eine wichtige Rolle. Weltweit wird es auch nach der Pandemie starke Wachstumsraten im Flugverkehr geben. Und eine Studie des ADAC hat gezeigt, dass vor allem bei jungen Menschen der Flieger am beliebtesten ist – auch interessant. Deshalb sollten wir Fliegen nicht verteufeln oder gar Inlandsflüge verbieten. Deutschland muss weiterhin ein attraktiver Standort für Flughäfen, internationale Hubs und Fluggesellschaften bleiben. Auch hier ist das Angebot entscheidend. Wenn die Bahn nicht attraktiv ist und man mit dem Bummelzug mit 70 oder 80 km/h durch die Gegend fahren muss, wird eben auch für kurze Strecken der Flieger gewählt. Deshalb braucht es einen schnellen Ausbau an attraktiven Angeboten.

Zurück zum Verbrennerverbot: Damit das in Kraft tritt, muss sich Brüssel mit den EU-Staaten einig werden. Wo sieht die CDU also den größten Diskussionsbedarf? Und wo sehen Sie mögliche Kompromisse?

Wir brauchen relativ schnell eine Entscheidung. Industrie und Wirtschaft brauchen Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Eine lange Hängepartie können wir uns nicht leisten. Die Mitgliedstaaten werden wohl voraussichtlich bis Ende Juni ihre Positionen festlegen. Ich bin gespannt, ob das auch der Bundesregierung gelingt. Verkehrsminister Wissing hat die Messlatte maximal nach oben gelegt. Wir sind jetzt gespannt, ob er den Sprung schafft oder am Ende als Bettvorleger landet. Es braucht jetzt in den Richtlinien offene Formulierungen und die Möglichkeit, einen Anteil von 90 Prozent CO2-Reduktion zu akzeptieren, damit auch synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff möglich werden. Aber jetzt sind erstmal die Bundesregierung und die Ampelparteien am Zug.

Verkehrsminister Wissing hat sich ja bereits gegen ein Verbrennerverbot ab 2035 ausgesprochen. Wie bewerten Sie das?

Ich hoffe, dass sich Volker Wissing durchsetzen wird. Ob ihm allerdings die Unterstützung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion innerhalb der Ampel-Koalition helfen wird, ist fraglich.

Sehen Sie bei dem Thema genug Sprengstoff, dass sich die Ampel-Regierung endgültig selbst zerlegt? Es ist ja nicht die erste Baustelle, die wir dort erleben.

In der Tat gibt es sehr viele offene Baustellen innerhalb der Ampel-Regierung. Es ist selbst für mich beeindruckend, wie wenige Schnittstellen diese Koalition hat. Aber ein gemeinsames Ziel eint auf alle Fälle derzeit noch: der Wunsch, an der Macht zu bleiben.

Das Gespräch führte Ben Krischke.

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